Die deutsche Maker-Szene findet in den letzten Jahren immer größeren Zulauf. Grund dafür ist unter anderem der günstige Einstiegspreis für 3-D-Drucker und deren zunehmende Verbreitung. Wir haben uns mit dem 3-D-Drucker Spezialisten Nils Hitze über Chancen und Risiken der Technologie unterhalten.
Guten Tag Herr Hitze, bitte stellen Sie sich unseren Lesern erst einmal kurz vor.
Nils Hitze: Ich bin Nils Hitze, Software-Entwickler beziehungsweise Webentwickler und eigentlich schon immer - wenn auch im kleineren Maßstab - Bastler und Schrauber. 2012 habe ich angefangen in die 3-D-Drucker-Szene reinzuschnuppern. Im gleichen Jahr habe ich meinen ersten 3-D Drucker bekommen, einen "Ultimaker" als Bausatz. Zwischen 2012 und 2013 war ich dann als Community-Manager für eine Firma in Hongkong tätig, die den ersten 3-D-Drucker in einem Gehäuse für 350-Dollar (umgerechnet rund 280 Euro) rausbringen wollte. Ich habe "wollte" gesagt, weil es teilweise crowdgefundet (Anm. d. Red. ein durch die Internet-Community finanziertes Projekt) war und die ganze Firma jetzt gerade ziemlich am Untergehen ist. Es wurden einige Drucker ausgeliefert, aber deren Leistung war "solala". Heutzutage verfolge ich daher das Motto "mehr auf Qualität achten", als "es muss so günstig wie möglich sein". Neben meinem Job als Webentwickler bin ich noch Geschäftsführer einer kleinen 3-D-Druck-Firma.
Können Sie uns einen kurzen Überblick geben: Wie funktioniert 3-D-Druck?
Das Verfahren über das die meisten Leute heutzutage sprechen, ist "FDM" (Fused Deposition Modeling - deutsch: Schmelzschichtung). Diese Art von 3-D-Druck ist letztendlich eine etwas intelligentere Heißklebe-Pistole, die mit einem Plastikdraht druckt. Dieser Plastikschweißdraht kommt ursprünglich aus der Automobilindustrie. Dann gibt es da noch verschiedene andere Materialien. Es gibt das Material "ABS", das von den Lego-Klötzchen bekannt ist. Hier ist der Vorteil, dass es sich mehrfach verwenden lässt. Ich könnte also meine Lego-Figuren shreddern, um daraus 3-D Druck-Material zu machen. Dann gibt es noch Ökoplastik, das man theoretisch auch kompostieren könnte, da es aus Maisstärke besteht. Es gibt auch noch ein Material mit Holzspännen, welches sich dann ähnlich wie Holz behandeln, streichen und schleifen lässt. Dafür kann man die FDM-Drucker ebenfalls nutzen. Es fängt bei einem Zentimeter Größe an und geht bis zu 40x40x40 Zentimeter im Druckvolumen. Erfahrungsgemäß dauert der Druck dann aber sehr lange und es benötigt seine 24 bis 48 Stunden Druckzeit.
Was kostet es beispielsweiße, wenn ich eine sechs Zentimeter große Lego-Figur ausdrucken möchte?
Druckmaterial ist im Verhältnis recht günstig. Wenn man eine sechs Zentimeter hohe Legofigur druckt, sind das etwa 20 bis 30 Gramm. Die Ein-Kilogramm-Rolle aus gutem Material kostet zwischen 30 bis 34 Euro. Das ist überschaubar. Wenn man natürlich anfängt ein bisschen großflächiger zu drucken, fällt bei einem Motorradhelm auch mal an ein halbes Kilogramm an. Das sind dann, wenn man es überschlägt, etwa 20 Euro Materialkosten. Die Stromkosten hängen davon ab, ob man nur einen oder zwei Extruder (Anm. d. Red. Druckköpfe) verwendet und ob man zusätzlich noch ein Heizbett nutzt.
Woher bekommt der Benutzer die Vorlagen für die 3-D Modelle? Gibt es eine Art "Bibliothek" für den 3-D Druck?
Es gibt einige Hersteller die ihre Modelle anbieten. Es werden auch immer mehr dazu kommen. Hasbro etwa stellt für "Transformers" die Vorlagen der Spielfiguren zur Verfügung. Aber es gibt ein paar größere Bibliotheken wie "youmagine.com" von dem holländischen 3-D-Drucker-Hersteller "Ultimaker". Die haben zusätzlich direkt im Browser eine Modellierungssoftware eingebunden. Die dort gestalteten Modelle kann man dann direkt auf dem Drucker ausgeben. "Thingiverse.com" ist die älteste Plattform, die haben sicherlich eine Million Objekte in ihrer Sammlung. Da ist für Jeden etwas dabei, vom Vogelhäuschen bis zu Modellen für Table-Top- oder verschiedene Brettspiele. Wir haben auf unserer Webseite die wichtigsten Anlaufstellen in einer Liste zusammengestellt. Es gibt inzwischen auch die eigene Meta-Suchmaschine "yeggi", welche alle Plattformen durchsucht. Auch "Pirate Bay" hatte 2013 eine eigene Kategorie für 3-D-Modelle angefangen. Vor allem mit Dingen, die von den großen Seiten runtergeflogen sind, weil sie den Herstellern doch etwas zu nah am Original waren.
Werden wir in zehn Jahren so weit sind, das jeder Zuhause einen 3-D-Drucker stehen hat?
Nein, an diesen Punkt werden wir nicht kommen. Jedenfalls nicht so schnell, so lange wir nicht Richtung Nanodruck gehen und auf Plastik als Material beschränkt sind. Sicher, es gibt auch andere Möglichkeiten etwa mit Metall zu drucken. Aber solange wir Drucke haben, bei denen das durchschnittliche Spielzeug aus mehreren Bauteilen besteht, sehe ich es nicht kommen. Ein Großteil ist zwar Plastik, aber ein Teil ist auch Elektronik. Plastik kann man bis zu einem gewissen Detailgrad auch selber drucken. Dennoch, die Drucker die es momentan für Heimgebrauch gibt – da bin ich konträrer Meinung der Marketing-Leute der größeren 3-D-Druck-Firmen – kommen an die Industrie-Qualität einfach noch nicht ran. Wenn ich hundert Drucke mache, ist immer noch jeder fünfte Druck fehlerhaft. Wenn man das auf den Hobbybereich runterrechnet, kann man sich fragen ob es dann Sinn macht drei Abende nacheinander ein bestimmtes Spielzeug in einzelnen Teilen auszudrucken. Es kommt vor, aber es ist noch kein Massenmarkt.
Und der wird es auch in zehn Jahren nicht sein?
Eher nicht, wenn sich jetzt nicht nochmal die Technologie rapide beschleunigt. Wir haben da noch Probleme im Bereich Software, Detailgrad und Fehlerhäufigkeit. Es kann wirklich kippen. Aber selbst beim PC hat es eine ganze Weile gedauert, bis sich der durchschnittliche Nutzer den Desktop-Computer selber zusammenstellen und zusammenbauen konnte. Wo der 3-D Druck definitiv angekommen ist, ist der Bereich des Prototyping und in der Medizin, primär bei der Herstellung von Prothesen für Entwicklungsländer. So gibt es eine eigene Hand-Prothese die man in Südafrika entwickelt hat. Normalerweise kostet eine solche Prothese zwischen 40.000 und 50.000 Dollar. Bei einem Kind mit der Krankheit "Amitotisches Band", das keine Finger hat, musst man alle zwei Jahre eine neue Prothese kaufen. Da wirkt diese Plastik-Prothese, die man schon für 40 bis 50 Dollar zusammengedruckt bekommt, Wunder. Und es gibt eine Gruppe an Freiwilligen, die diese immer wieder drucken. Da sehe ich jede Menge Potenzial. Das Projekt kommt von zwei Leuten. Einer der Erfinder saß in Südafrika, der andere in Amerika. Beide hatten einen 3-D-Drucker und haben sich die Dateien hin und her geschickt.
Die Technologie ist aber Segen und Fluch zugleich. Wie schätzen Sie die Möglichkeit ein, dass sich Terroristen der Technik bemächtigen könnten um damit Waffen herzustellen?
Ich bleibe bei meiner Theorie: Es gibt zwar die erste Einschusswaffe (Anm. d. Red. "The Liberator") aus dem 3-D-Drucker. Die Waffe bekomme ich aber mit Komponenten aus dem Baumarkt schneller und günstiger gebaut. Sie ist genauso aus Plastik und genauso wenig bei Kontrollen sichtbar. Und dann habe ich immer noch das Problem, dass ich mir die entsprechende Munition besorgen muss. Schindluder kann man mit jeder Technologie treiben. So gab es ja bei der Playstation 2 dieselbe Diskussion, ob man sie nicht auch zur Steuerung von Raketen nutzen könnte. Dann müsste man heute auch den Raspberry Pi (Anm. d. Red. Mini-Computer) – der die gleiche Leistung hat - verbieten.
Können Sie schon den Blick in die Zukunft wagen? Wie wird 3-D-Druck die Industrie verändern?
Ich glaube nicht das Miele und Siemens, sprich die Groß-Elektronik-Hersteller, für Kühlschränke und Ähnliches noch lange eigene Ersatzteil-Lager haben werden. Es lohnt sich nicht. Es macht aus meiner Perspektive mehr Sinn, dass diese Firmen mit Partnern zusammenarbeiten, wie es teilweise schon heute gehandhabt wird. Diese haben entsprechend gute Industriedrucker, von denen es schon sehr passable Ausführung für unter 5.000 Euro gibt. Die können sich dann das Ersatzteil bei Siemens ordern - um bei unserem Beispiel zu bleiben – und die schicken die Datei rüber, anstelle das Ganze umständlich per Post zu verschicken. Dann gibt es natürlich auch noch den Risikobereich. Schon heute gibt es einen Schwarzmarkt für Ersatzteile von Autos, die nicht vom Originalhersteller kommen. Das sehe ich jetzt bei Haushaltsgeräten wie einer Spülmaschine nicht, die hält etwa 10 bis 15 Jahre und dann sind die Teile gar nicht mehr verfügbar. Die CAD-Dateien sind hingegen auf ewig da. Es bringt dem Hersteller ja nichts, wenn er das 25-Euro-Ersatzteil für eine alte Maschine ewig auf Lager hält. Warum sollte er sich schließlich ein riesiges Lager antun? Wo ich auch ein Sinn sehe, wenn Heimwerkermärkte irgendwann große Metalldrucker und CNC-Maschinen bereitstellen und ich kann als Kunde sagen, ich brauche das und das Teil für meinen Oldtimer, oder ich brauche das Teil von der Waschmaschine. Dann zahle ich dafür den Materialpreis und einen Betrag X und habe trotzdem mein Ersatzteil günstig und schnell. Es wird auch Copyshops geben, bei denen man mit einer Idee vorbeikommt und diese dann direkt drucken kann. Und auch andere haben Erfolg: Der größte "Print-on-demand"-Anbieter "Shapeways" hat allein im Jahr 2013 eine Millionen Artikel verschickt.
Herr Hitze, vielen Dank für das Interview.
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