Barcelona (dpa) - Die Zukunft gehört der virtuellen Realität - darin sind sich zumindest auf dem Mobile World Congress in Barcelona alle einig. Doch um die Illusion perfekt zu machen, ist auch der entsprechend räumliche Sound unverzichtbar.

Mehr zum Thema Digitales

"Für das Gesamterlebnis trägt die Akustik zu mindestens 50 Prozent bei", sagt Jan Nordmann, Audio- und Multimedia-Spezialist beim Fraunhofer-Institut. Das Fraunhofer IIS, das unter anderem auch die Wiege für den MP3-Standard war, arbeitet derzeit an neuen Lösungen um die Illusionen auch akustisch zu gestalten.

Die Fraunhofer-Software Cingo gibt dreidimensionalen Sound über Kopfhörer wieder. Samsung nutzt die Technologie bei seiner Virtual-Reality-Brille Gear VR und Google in Nexus-Smartphones. In einer virtuellen Umgebung könne der Nutzer auch seinen Kopf im Raum bewegen. Es sei von großer Bedeutung, woher der Ton komme, erklärt Nordmann. Andernfalls sei die Illusion zerstört. Die Akustik müsse nahtlos an die Bewegungen angepasst werden.

Heute sei man in der Lage, in einem 360-Grad-Video zum Beispiel eine Explosion von einem bestimmten fixen Ort aus hörbar zu machen, sagt Nordmann. Das Institut entwickelte für solche Aufnahmen entsprechende Software-Werkzeuge. Die Forscher waren an der Entwicklung des Audiostandards MPEG-H beteiligt, mit dem sich 3D-Sound zum Beispiel auf mobile Geräte streamen lässt.

In eine Dimension ganz anderer Art will das junge Potsdamer Unternehmen Holoplot die Akustik führen. Mit Hilfe eines physikalischen "Tricks", der Wellenfeld-Theorie, soll die Ausbreitung von Schall metergenau steuerbar werden. Die erst kürzlich zur Produktionsreife geführte Erfindung soll vor allem im professionellen Umfeld die Akustik neu definieren. Sie besteht aus einer modular aufgebauten Schallwand, die zum Beispiel in Kinos, Konzertsälen oder in Vortragsräumen zum Einsatz kommen könnte.

Alle Komponenten des Sound-Systems bestehen aus zahlreichen kleinen Lautsprechern. Schallwellen werden damit gezielt auf beliebige Punkte in einem Raum fokussiert. Während konventionelle Lautsprecher den Schall ungerichtet in Kugelform im Raum verteilen, kann die Schallwand den Klang zum Beispiel auf eine bestimmte Gruppe im Publikum eines Konzertsaals richten, während im übrigen Raum nichts zu hören ist. Der Klang bleibt über viele Meter hinweg in der gleichen Stärke, ohne abzuklingen oder leiser zu werden.

Mögliche Anwendungen wären etwa Simultanübersetzungen bei einem Vortrag in verschiedenen Sprachen gleichzeitig - und zwar in einem Raum, erklärte der gelernte Tonmeister und Erfinder des Systems, Helmut Oellers. In Diskotheken ließen sich verschiedene Räume mit unterschiedlichem Schallaufkommen steuern. Kinos müssten nicht mehr in aufwändige Schalldämmung investieren. Umgekehrt könne der Klang in einem Raum wie der Met in New York oder bei einem Orgelkonzert in einem Dom in einem beliebigen andern Raum reproduziert werden.

Der erste Prototyp der Schallwand von Holoplot, der aus 1024 Schallwandlern in 16 Modulen mit einer Ausgangsleistung von 6000 Watt besteht, ist mit einem Preis von 130 000 Euro eindeutig dem professionellen Einsatz vorbehalten. Ein Start-up aus Israel tüftelt dagegen an Lösungen, die zielgerichtete Beschallung sogar für den privaten Einsatz zu erschließen.

Die Firma Noveto aus Tel Aviv stellte auf dem Mobile World Congress in Barcelona erste Geräte mit ihrer Erfindung vor. Das Audiosignal aus dem "SmartSound", einer Art Lautsprecherbox, wird dabei direkt auf den Nutzer davor fokussiert, so dass es nur für ihn hörbar ist. Mit Hilfe von 3D-Sensoren wird der Nutzer erkannt, auch seinen Bewegungen folgt dann die Audioquelle. Selbst in unmittelbarer Umgebung ist das Signal nicht mehr hörbar. Ein Smartphone wird per Bluetooth angedockt, über das sich Musik hören oder Gespräche führen lassen. Mit einer Handgeste lässt sich der Schall wieder normal hörbar machen.

Die Einsatzmöglichkeiten seien vielfältig, erklärt Mitgründer Noam Babayoff. Man könne so zum Beispiel im Büro, zu Hause oder auch im Auto private Gespräche führen, auch wenn man nicht allein sei. Auch Videos ließen sich ohne Kopfhörer mit Ton im Büro ansehen, ohne dass Kollegen gestört würden.

Das "SmartSound" solle in diesem Jahr auf den Markt kommen, sagt Babayoff. Geplant ist auch eine Art Sound-Bar, die sich an ein Display oder an den Fernseher anschließen lässt. Ein selbst entwickelter Signalprozessor , der die Sensorsignale empfängt und den Schall fokussiert ist wohl das Herz der Geräte. Wie das Gerät genau funktioniert und auf welcher Technologie die Erfindung basiert, wil Babayoff jedoch nicht verraten. Zu groß sei das Interesse der Konkurrenz.  © dpa

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.