Bei der Versorgung von Früchchen und Patientinnen mit Brustkrebs gibt es Defizite in deutschen Kliniken. Zu diesem Schluss kommt das Wissenschaftliche Institut der AOK. Die Mängel in der Versorgungen führen demnach zu schlechteren Überlebenschancen bei den Betroffenen.
Durch eine mangelnde Spezialisierung von Kliniken haben Experten zufolge unter anderem Frühchen und Brustkrebspatientinnen nach wie vor schlechtere Überlebenschancen.
Bei den Mindestmengen und Qualitätsindikatoren für die Krankenhausplanung sei kaum ein Fortschritt zu erkennen, kritisierte das Wissenschaftliche Institut der AOK (Wido) am Donnerstag in seinem in Berlin vorgestellten "Qualitätsmonitor". Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) warf der Kasse eine Verunsicherung von Patienten vor.
Schlechtere Überlebenschancen für Frühchen
Der AOK zufolge gilt bei Frühgeborenen für Kliniken derzeit eine viel zu geringe Mindestmenge von 14 Fällen pro Jahr. "Jedes Jahr ohne ordentliche Mindestmenge hat in diesem sensiblen und komplexen Versorgungsbereich fatale Folgen für die betroffenen Kinder und ihre Eltern", erklärte AOK-Vorstandschef Martin Litsch.
Er warf Krankenhausvertretern und Bundesländern eine "Strategie der Verschleppung" vor, mit der unnötig Menschenleben aufs Spiel gesetzt würden.
So haben dem Qualitätsmonitor zufolge Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1.500 Gramm eine schlechtere Überlebenschance, wenn sie in Kliniken versorgt werden, die weniger als 34 solcher Fälle pro Jahr behandeln.
Die Sterblichkeitsrate in diesen Krankenhäusern, in denen rund ein Fünftel aller Frühgeborenen betreut wird, liegt etwa 50 Prozent höher als in Kliniken mit 91 oder mehr Fällen.
Auffällig sei zudem der steigende Anteil von Frühgeburten mit weniger als 1.500 Gramm Geburtsgewicht in Deutschland: Deren Zahl habe zwischen 2008 und 2017 um 21 Prozent zugenommen.
Kliniken gefährden Patientensicherheit
Weiterhin kritisiert der Wido-Report die "Gelegenheitschirurgie" bei Krebsdiagnosen. "Zu viele Kliniken mit geringer Erfahrung wagen sich an komplexe Therapien und gefährden damit die Patientensicherheit", erklärte Litsch.
Ein Viertel der 781 behandelnden Kliniken nahm demnach 2016 maximal acht Brustkrebsoperationen vor. Ein weiteres Viertel führte im Schnitt 26 Operationen aus. In zertifizierten Zentren werden dagegen mindestens 100 Brustkrebsoperationen pro Jahr gefordert.
"Eine eingespielte Prozesskette für solche Operationen kann es nur in Kliniken mit hohen Fallzahlen geben", erklärte Wido-Geschäftsführer Jürgen Klauber. Die Studienlage zeige, dass die Versorgung in einem Zentrum die Überlebenswahrscheinlichkeit deutlich erhöhe.
Auch die Qualität der zunehmenden Herzklappenoperationen ließe sich den Kassenexperten zufolge mit stärker zentralisierten Strukturen erheblich verbessern.
Etwa 30 Prozent der 97 Kliniken, die diese Eingriffe 2016 vornahmen, versorgten weniger als 100 Fälle pro Jahr. In Krankenhäusern mit Fallzahlen unter 100 liegt die Zahl der Todesfälle im Vergleich zum erwarteten Wert um 46 Prozent höher. In den Kliniken mit mindestens 200 Eingriffen liegt die Sterblichkeitsrate dagegen um 32 Prozent niedriger.
Krankenhausgesellschaft wehrt sich gegen Vorwürfe
Nach Aussage der Krankenhausgesellschaft beruft sich die AOK auf veraltete Zahlen. 2017 hätten lediglich elf von 92 Kliniken weniger als 100 Eingriffe an Herzklappen vorgenommen.
Auch "der Aufschrei" des AOK-Bundesverbands beim Brustkrebs sei unverständlich, weil die Mindestmenge für die chirurgische Behandlung von Brustkrebs bei den zuständigen Behörden gerade auf der Tagesordnung stehe, erklärte DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum.
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen sei bereits mit einer systematischen Recherche zum Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Qualität beauftragt worden. (afp/thp)
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