Die Krankenkassen haben für das vergangene Jahr mehr als 3.000 Behandlungsfehler mit vorübergehendem oder dauerhaftem Schaden für Patienten oder Patientinnen bestätigt. Die Dunkelziffer liegt noch deutlich höher. An wen können sich Betroffene in diesen Fällen wenden?
Bei jedem ärztlichen Eingriff kann es zu Komplikationen kommen. Über mögliche Risiken werden Patienten in der Regel aufgeklärt, bei Operationen wird das üblicherweise sogar schriftlich dokumentiert. Zwar hofft jeder und jede, dass bei ihm oder ihr alles glattläuft - aber was, wenn dann doch etwas passiert? Was, wenn tatsächlich ein Fehler unterläuft?
Dann können Betroffene den jeweiligen Arzt oder die Ärztin unter Umständen wegen eines Behandlungsfehlers in Anspruch nehmen. Drei Dinge sind dafür Voraussetzung, so der Jurist Max Middendorf:
- Erstens muss dem Arzt oder der Ärztin tatsächlich ein Fehler unterlaufen sein.
- Zweitens muss dieser zu einem Schaden beim Patienten oder der Patientin oder zumindest zu einem unerwünschten Verlauf geführt haben.
- Drittens muss der Schaden eindeutig als Folge des Ärztefehlers identifiziert werden.
Middendorf ist Fachanwalt für Medizinrecht und Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). Er hat bereits viele solcher Prozesse von Behandlungsfehlern vor Gericht begleitet.
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Erste Anlaufstelle: Ärztekammer
Doch so weit muss es gar nicht zwingend kommen. Wer nach einem ärztlichen Eingriff oder nach einer medikamentösen Behandlung einen Ärztefehler annimmt, der sollte zunächst einmal das Gespräch mit dem Mediziner oder der Medizinerin suchen, rät Middendorf. "Das ist immer sinnvoll, um eine sachliche Grundlage zu schaffen." Im Idealfall sei es sogar die Ärztin oder der Arzt, der nach einer Komplikation von sich aus auf den Patienten zugeht.
Anschließend können sich Betroffene - auch unter Mithilfe der eigenen Krankenkasse - an die jeweils zuständige regionale Ärztekammer wenden, um den Sachverhalt auf einen möglichen Behandlungsfehler hin überprüfen zu lassen. Zuständig ist die Gutachterkommission oder Schlichtungsstelle der Ärztekammer, in deren Bezirk die Behandlung stattgefunden hat. Ein Gutachten klärt dann, ob tatsächlich ein Behandlungsfehler vorliegt und kann anschließend im Rahmen einer Schlichtung zwischen Arzt/Ärztin, beziehungsweise dessen Berufshaftpflichtversicherung, und Patient/Patientin vermitteln.
"Das ist für einen Patienten, gerade wenn er nicht rechtsschutzversichert ist, sicherlich ein gutes Instrument, um eine Klärung herbeizuführen", sagt Middendorf. Führt das nicht zum gewünschten Ergebnis und ist der Behandlungsfehler im Kern strittig, kann es vor Gericht gehen. Dann sollten sich Patientinnen und Patienten, wenn möglich, Hilfe bei einem Fachanwalt für Medizinrecht holen. Die medizinischen Streitfragen werden dann im Prozess mithilfe eines Gutachtens geklärt.
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Schadenersatz kann kräftig variieren
Für eine Haftung des Arztes oder der Ärztin reicht laut Middendorf "auch der kleinste Schaden aus". Das kann etwa ein schmerzhafter Verbandswechsel aufgrund einer unzureichenden Betäubung ohne weitere Folgeschäden sein. Dafür gebe es dann vielleicht 300 Euro Schmerzensgeld. Das kann aber auch ein schwerstbeschädigtes Kind nach einer missglückten Geburt sein. Dann könne sich ein Schmerzensgeld schon mal auf 600.000 bis 800.000 Euro belaufen, so der Fachanwalt für Medizinrecht. Die Höhe wird dabei anhand von Referenzfällen ermittelt.
Das Schmerzensgeld soll Betroffenen Ersatz für immaterielle Schäden bieten. Hinzu käme eine Entschädigung für materielle Schäden, so Middendorf. Das können etwa Verdienstausfälle oder Umbaukosten für die Wohnung sein. Die Höhe dieser Ansprüche richtet sich immer nach dem Einzelfall. (dpa/cze)
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