Neuroathletiktraining optimiert das Zusammenspiel von Gehirn und Körper. Wir erklären, wie du durch Augentraining schneller wirst.

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Schneller zu werden ist für Läuferinnen und Läufer eins der wichtigsten Ziele: Wer schneller rennt, ist früher im Ziel, und wer schnell reagieren kann, ist seltener verletzt und langfristig leistungsfähiger. Um unsere Trainingsziele beim Laufen zu erreichen, trainieren wir unsere Ausdauer, unsere Muskulatur und manchmal mit mentalem Training unser Gehirn – in der genannten Reihenfolge. Dabei ist es möglicherweise effizienter, den Fokus genau andersherum zu legen: erst das Gehirn, dann Muskulatur und Ausdauer. So funktioniert es zumindest beim Neuroathletiktraining.

Bei dieser Trainingsmethode geht es nämlich darum, das Gehirn mit möglichst klaren Informationen über die Umgebung zu versorgen, damit es sich sicher fühlt und maximale Leistungsfähigkeit überhaupt erst zulässt. Denn im Training gibt es ein Problem, das wir beim herkömmlichen Training viel zu oft ignorieren: Unser Gehirn will nicht immer das, was wir denken, was wir wollen – vor allem nicht beim Sport. Schnelle Zeiten beim Laufen sind ihm nämlich herzlich egal.

Wie du mit neurozentriertem Training beweglicher wirst und schneller laufen kannst, wie es bei Muskelverspannungen, Schmerzen, hartnäckigen Laufverletzungen und Konzentrationsschwäche helfen kann – und warum unser Gehirn beim Laufen nicht unbedingt auf unserer Seite ist, erklären wir hier. Wie schnell wir laufen können, hängt laut Neuroathletik-Theorie jedenfalls nicht primär von unserer Ausdauer und Muskelkraft ab, sondern vor allem von der Funktionsfähigkeit unseres Nervensystems und des Gehirns. Wir geben Einblick in eine etwas andere Trainingsperspektive.

Was versteht man unter Neuroathletik?

Eine feststehende Definition für Neuroathletik, auch: neurozentriertes Training, gibt es bisher nicht. Neuroathletiktraining verbindet sport- und bewegungswissenschaftliche mit neurowissenschaftlichen Erkenntnissen, also dem Wissen über die Struktur und Funktion des Nervensystems. Es stellt das Nervensystem in den Mittelpunkt des Trainings. Anstatt sich (nur) mit der ausführenden Muskulatur zu beschäftigen, setzt Neuroathletiktraining am Ursprung unserer Bewegung an: im Gehirn. Der Fokus des Trainings liegt auf der Optimierung der Aufnahme sensorischer Informationen über Augen, Gelenke und Bewegungen und deren Weiterleitung und Verarbeitung zum und im Gehirn. Der Bewegungsapparat wird entgegen der klassischen Trainingslehre als ausführendes Organ betrachtet.

Mentaltraining im Laufsport

Wenn wir unser Gehirn dabei unterstützen wollen, unsere Leistungsfähigkeit zu verbessern, müssen wir zuerst verstehen, wie es funktioniert und was ihm im Alltag und im Sport wichtig ist. Optimal leistungsfähig sind wir aus Sicht des neuroathletischen Ansatzes dann, wenn wir klare und umfassende Informationen aus unserer Umwelt und unserem Körper in optimal funktionierenden Hirnarealen ohne Informationsverlust verarbeiten können. Ein vollständiges Bild unserer inneren und äußeren Umgebung ist die Voraussetzung dafür, dass unser Gehirn sich sicher fühlt, Lauftraining nicht als Gefahr bewertet und sportliche Belastung akzeptiert, die für eine Leistungsverbesserung notwendig ist.

Drei Systeme liefern dem Gehirn Informationen

Das Bild unserer Umwelt im Gehirn ergibt sich durch die Informationen aus drei Systemen: dem visuellen (Augen), dem vestibulären (Gleichgewicht) und dem propriozeptiven (Tiefensensibilität) System. Die meisten Informationen erhalten wir von unseren Augen, gefolgt vom Gleichgewichtssystem und vom propriozeptiven System.

Unsere Augen (visuelles System) informieren uns über Formen und Farben, die Größe von Gegenständen, Entfernungen und unsere Position im Raum. Neben der Fähigkeit, Dinge scharf zu sehen, ist die Fähigkeit der Augen(muskulatur), sich frei zu bewegen und an die Umgebung anzupassen, von entscheidender Bedeutung für unsere Leistungsfähigkeit.

Das Gleichgewichtsorgan im Innenohr (vestibuläres System/Gleichgewichtssystem) liefert Informationen über unsere Körperhaltung und ist dafür verantwortlich, dass wir Objekte gleichbleibend scharf erkennen können, während wir laufen (Blickstabilisation), außerdem noch für unser Gleichgewicht. Es beeinflusst maßgeblich die Muskulatur, die für die Körperaufrichtung zuständig ist, und sorgt für die Anpassung unserer Körperhaltung bei Beschleunigung. Das, was wir hören, wird zu großen Teilen im Gleichgewichtssystem verarbeitet.

Das taktile System (Propriozeptives System) nimmt Informationen aus der Umwelt und dem Körperinneren auf und erzeugt die sogenannte Tiefensensibilität oder Propriozeption. Diese informiert uns über unsere Position im Raum und unser inneres Befinden. Das taktile System gleicht permanent die Informationen aus dem visuellen und vestibulären System ab und erstellt daraus ein dreidimensionales Bild unserer Bewegung, damit wir uns effizient und präzise bewegen können.

Die Informationen aus den drei genannten Systemen werden im Gehirn verarbeitet, auf Klarheit und Sicherheit überprüft, miteinander abgeglichen und bewertet. Dabei werden auch frühere (Bewegungs-)Erfahrungen und unsere aktuelle Erwartungshaltung miteinbezogen. Die Bewertung der Informationen aus unserer Umwelt findet Millisekunde für Millisekunde fortlaufend statt und bildet die Grundlage für (Bewegungs-)Entscheidungen und das Ausmaß unserer Leistungsfähigkeit. Kurz gesagt: Sensorischer Input führt durch die Interpretation der aufgenommenen Reize im Gehirn zum motorischen Output, also Bewegung. Die Genauigkeit der Informationen und die Funktion derjenigen Gehirnareale, die Verarbeitung, Abgleich und Bewertung vornehmen, beeinflussen somit

  • wie beweglich wir sind,
  • wie viel Kraft wir in einer Bewegung aufbringen können,
  • wie präzise wir eine Bewegung ausführen können,
  • wie gut unsere Lauftechnik bei Sprints, auf dem Trail und bei Bergaufläufen ist und
  • wie gut wir unsere Balance halten können, wenn wir auf anspruchsvollen Trails joggen oder das Lauf-ABC absolvieren.

Störungen in einem oder mehreren Systemen und/oder Gehirnarealen können nicht nur die Ursache dafür sein, dass wir trotz ausgeklügelten Trainingsplans einfach nicht schneller werden, sondern auch für Muskelverspannungen, Rückenschmerzen, dauerhafte Müdigkeit und Schwindel oder Übelkeit.

Rückenschmerzen bei Läufern

Je klarer die Informationen für das Gehirn, desto besser unsere (Lauf-)Leistung

Unser Gehirn entscheidet unabhängig von individuellen physiologischen Fähigkeiten über das Ausmaß an Kraft, Schnelligkeit und Stabilität. Je klarer und vollständiger die Information, die wir unserem Gehirn zur Verfügung stellen, desto mehr Sicherheit für das Gehirn, desto besser der Bewegungsoutput. Je sicherer sich das Gehirn in einer Situation fühlt, desto präziser und umfangreicher werden unsere Bewegung und desto höher unsere Maximalkraft. Eine optimale Reizaufnahme und Reizverarbeitung trägt dazu bei, dass unser Fußabdruck beim Laufen kräftiger, unsere Hüfte beweglicher, unser Armpendel effizienter und unser Laufstil insgesamt ökonomischer wird.

Zusammenfassend: Eine klare und sichere Umgebung ermöglicht eine maximale körperliche Leistungsfähigkeit und neue Bestleistungen. Eine unsichere Umgebung hingegen führt dazu, dass die Leistungsfähigkeit reduziert ist: Eine langsamere Schrittfrequenz und eine kürzere Schrittlänge, aber auch frühzeitig einsetzende Müdigkeit.

Die richtige Schrittlänge und Schrittfrequenz

Optimale Reizweiterleitung durch Beweglichkeit und Rumpfstabilität

Insbesondere die Informationen, die wir über das propriozeptiven System aufnehmen, landen nicht direkt im Gehirn, sondern werden von Nerven zum Rückenmark transportiert und von dort durch das Rückenmark geleitet, das sich in der Wirbelsäule befindet. Ob der Transport der Informationen aus Händen, Füßen, Armen und Beinen reibungslos und ohne Verluste stattfinden kann, hängt von unserer Beweglichkeit, unserer Rumpfstabilität und einer aufrechten Körperhaltung ab.

Was bringt Neuroathletik?

Übungen aus dem Neuroathletiktraining könnte man als viele kleine fortlaufende Updates für unsere "Bewegungsfestplatte" im Gehirn beschreiben, die kurz- und langfristig für eine vollständigere und schnellere Übertragung von Informationen zwischen Muskulatur und Gehirn über das Rückenmark sorgen. Übungen aus unserem Athletiktraining können wir mit ergänzendem Neuroathletiktraining erfolgreicher einsetzen, weil unsere Bewegungen präziser, weiter und kräftiger werden. Das Resultat sind effiziente willkürliche Bewegungen und eine optimale unbewusste Stabilisierung (in der Fachsprache: reflexive Stabilität) dieser Bewegungen. Dadurch sind wir weniger anfällig für Verletzungen. Somit hat neurozentriertes Training eine positive Wirkung auf die Gesundheit und führt zu einer Verbesserung der Leistungsfähigkeit sowohl im Alltag und als auch im (Leistungs-)Sport.

Anstatt sich mit der ausführenden Muskulatur zu beschäftigen, setzt Neuroathletiktraining also an der Problemursache bzw. dem Auslöser einer Leistungseinschränkung am Ursprung unserer Bewegung an: im Gehirn. Auf diese Weise hilft es, Muskelverspannungen zu lösen, Knieschmerzen, Hüftschmerzen, Rückenschmerzen und Magen-Darm-Beschwerden zu lindern, die Ursache von Migräne und Kopfschmerzen zu behandeln sowie Konzentrationsschwäche oder dauerhafte Müdigkeit zu verbessern.

Knieschmerzen bei Läufern

Jeder Läufer und jede Läuferin hat eine bestimmte Maximalkapazität: mental, physisch und hinsichtlich der Aufnahme, Weiterleitung und Verarbeitung von Informationen im Zentralnervensystem. Neuroathletik ist ein Tool, das uns dabei helfen kann, diese im Training auszuschöpfen und optimal einzusetzen.

Was bringt Neuroathletik für Läufer?

Intensiver Sport ist eine hohe Belastung für unseren Organismus. Beim Laufen sind vor allem Sprints, Hindernisläufe und Bergläufe aus entwicklungsgeschichtlicher Sicht eine seltene und unnatürliche körperliche Anforderung. Entsprechend wittert unser Gehirn bei sportlichen Höchstleistungen Gefahr: Versuchen wir, unsere persönliche Bestleistung zu knacken, belasten wir Muskeln, Sehnen und Bänder maximal und "verschwenden" überlebenswichtige Energie. Damit unser Gehirn unsere maximal mögliche Pace und sportliche Belastung im Allgemeinen zulässt und um das Risiko für Überlastung und Verletzungen zu reduzieren, müssen wir es deshalb bestmöglich entlasten. Diese Entlastung erreichen wir, wenn wir die bewegungssteuernden Gehirnbereiche trainieren und unsere (Lauf-)Technik verbessern, letztendlich also, indem wir unsere Bewegungsabläufe vom Ursprung bis zur Ausführung optimieren.

Überlastung im Lauftraining vermeiden

Ein optimaler Bewegungsablauf entsteht aus einer willkürlichen Bewegung, die durch die reflexartige, unbewusste Stabilisierung (Reflexive Stabilität) unseres Körpers möglich und präzise wird. Erst wenn Sicherheit durch optimale Stabilität gewährleistet ist, lässt unser Gehirn maximale Leistung zu. Deshalb ist die Verbesserung der Stabilität, insbesondere des Rumpfes, das wichtigste Ziel, wenn wir schneller werden wollen. Das visuelle System spielt hierbei eine herausragende Rolle. Es liefert die meisten und wichtigsten Informationen, arbeitet mit allen Bewegung steuernden Systemen zusammen und bildet die Basis für optimale Bewegungsprogramme im Gehirn. Diese Bewegungsprogramme erlauben unserem Gehirn, maximales Tempo zuzulassen. Wenn du dein visuelles System regelmäßig trainierst, legst du damit den Grundstein für schnelle Läufe.

Anatomie, Krafttests und Übungen für die Rumpfmuskulatur

Neben den willkürlichen Bewegungen, die unser Gehirn aktiv stabilisiert, ohne dass wir es merken, gibt es Bewegungen, die zwar auch willkürlich sind, sich im Gegensatz zu Einzelbewegungen jedoch schnell hintereinander und vielfach wiederholen – zum Beispiel die Arm- und Beinbewegungen beim Joggen. Sie laufen wie automatisiert ab. Spezielle Nervenzellen regulieren diese automatisierten Bewegungen über das Rückenmark, weil eine Interpretation im Gehirn zu lange dauern würde. Auch diese Nervenzellen können wir mit Neuroathletik trainieren, damit sie schneller und besser funktionieren.

Lauftechnik: Darauf sollten Läufer achten

Welche Vorteile hat Neuroathletik?

Neuroathletiktraining adressiert alle trainingsrelevanten Systeme unseres Körpers, die für eine optimale Bewegungssteuerung wichtig sind: das visuelle, das taktile und das propriozeptive. Das ist nicht nur für die Verbesserung der Leistungsfähigkeit im Sport und im Alltag wichtig, sondern kann auch bei der Behandlung von Verletzungen erfolgreicher sein als Behandlungsmethoden, die sich auf eines der Systeme wie beispielsweise nur die Propriozeption beschränken.

Ein Beispiel: Achillessehnenbeschwerden werden häufig pauschal mit Übungen zur Verbesserung des Gleichgewichts behandelt. Dazu nutzt man instabile Untergründe wie Wackelbretter, Balancepads oder Balance-Halbkugeln. Zusätzlich werden Kräftigungsübungen für die Wadenmuskulatur und die Oberschenkelmuskulatur sowie Stabilisationsübungen für die Rumpfmuskulatur absolviert. Möglicherweise werden die Achillessehnenschmerzen danach vorübergehend besser. Manchmal tritt trotz konsequenten Trainings aber auch keine Verbesserung ein. In beiden Fällen kann das daran liegen, dass das visuelle System und das taktile System nicht berücksichtigt wurden. Nach dem Konzept der Neuroathletik würde man folgendermaßen vorgehen: Mithilfe der neuroathletischen Tests vor und nach den Übungen aktuelle Schwächen aufdecken, als Vorbereitung der Behandlung das primäre informationsliefernde visuelle System aktivieren, die Funktion des taktilen Systems bei der Übungsauswahl berücksichtigen und anhand eines entsprechenden Re-Tests die Wirkung der durchgeführten Übungen überprüfen. Möglicherweise ein Weg zu effizienten und langfristig erfolgreicheren Behandlungen von (typischen) Laufverletzungen.

Bei Schmerzen an der Achillessehne

Ein weiterer Vorteil der Übungen aus der Neuroathletik ist, dass man sie mit wenig Zeitaufwand innerhalb von Minuten zwischendurch bei der Arbeit ausführen kann. Auch die Überprüfung der Wirkung ist direkt vor Ort möglich. Die direkte Rückmeldung, ob eine Verbesserung stattgefunden hat, ist außerdem ein Motivationsbooster.

7 Vorteile des Neuroathletiktrainings für Läufer

Unmittelbare Verbesserung der Leistungsfähigkeit: Neuroathletische Übungen führen unmittelbar zu einer Veränderung der Leistungsfähigkeit. Ein Beispiel: Läuferinnen und Läufer neigen dazu, gerade bei schneller Pace den Kopf nach hinten zu überstrecken. Für den Körper bedeutet das einen starken Stabilitätsverlust. Halten wir stattdessen den Kopf gerade und machen ein ganz leichtes Doppelkinn, streckt sich dadurch unsere Wirbelsäule, was die Arbeitsbedingungen des Rückenmarks verbessert, während unser Blick statt nach unten etwas nach oben ausgerichtet wird. Das Ergebnis: mehr Stabilität, besseres Gleichgewicht, schnellere Pace, weniger Nackenverspannungen und Rückenschmerzen nach dem Laufen.

Verletzungsprophylaxe: Wer die Umgebung präzise wahrnimmt, kann schneller reagieren, zum Beispiel beim Laufen auf unebenen und anspruchsvollen Trails. Studien haben gezeigt, dass Rückenschmerzen häufig mit einer reduzierten Rumpfstabilität einhergehen. Unser Rumpf wird dann, beispielsweise wenn wir beim Laufen stolpern, verspätet und überschießend, also übermäßig stark, stabilisiert. Für die notwendige Stabilität beim Joggen springen dann andere Strukturen ein, die dafür eigentlich nicht gemacht sind, werden falsch oder einseitig belastet, langfristig überlastet. Und dann entsteht der Schmerz, der einer schwerwiegenden Verletzung vorbeugen soll. Mit klarem Input durch die drei wichtigen Informationssysteme und einem Nervensystem, das diese Informationen optimal verarbeiten kann, können Läuferinnen und Läufer solche Rückenschmerzen vermeiden.

Erfolgreiche Behandlung von Verletzungen: Durch eine Laufverletzung kann es passieren, dass einzelne Bereiche des Gehirns nicht genug, zu sehr oder falsch angesprochen werden. Ein Beispiel: Nach einem Ermüdungsbruch im Mittelfuß mit mehreren Wochen Entlastung sendet der verletzte Fuß unvollständige Informationen über die Bodenbeschaffenheit und die aktuelle Stellung des Sprunggelenks. Unser Gehirn reagiert auf dieses Informationsdefizit und schränkt zur Sicherheit die Beweglichkeit des Sprunggelenks und der Zehengelenke ein. Steigen wir danach wieder ins Training ein, kämpfen wir mit ungewohnt schneller Ermüdung beim Joggen, Schwindel, Übelkeit oder anderen Symptomen bei Athletikübungen. Alles deutet auf eine Überlastung hin. Dabei fehlen dem Gehirn möglicherweise nur klarere Informationen, damit es sich sicher fühlt und unsere gewohnte Leistung wieder zulässt. In solchen Fällen macht es Sinn, die drei oben genannten Systeme vorerst ausschließlich durch neurozentrierte Trainingsübungen zu rehabilitieren und erst später wieder ins Lauftraining einzusteigen.

Ermüdungsbruch durch Laufen

Abwechslungsreiches Training: Wir alle kennen sie, die Motivationslöcher. Nicht nur an solchen Tagen bringen neurozentrierte Übungen Abwechslung in den Trainingsplan. Manchmal sorgen sie auch dafür, dass wir anschließend doch noch die Laufschuhe schnüren und ein paar Kilometer laufen.

Übungen für zwischendurch und knappes Zeitkontingent: An manchen Tagen lässt der Büro- oder Familienalltag einfach keine Zeit für die geplante Laufeinheit. Wer dann die wenige vorhandene Zeit für Neuroathletikübungen nutzt, tut trotzdem etwas für seine Schnelligkeit.

Mehr Energie im Alltag: Alltägliche Bewegungen wie Aufstehen, Hinsetzen, Gehen oder Treppensteigen laufen automatisch ab und erscheinen uns einfach. Dabei unterschätzen wir, wie komplex die Anforderungen dabei an unser Gehirn sind und wie hoch die Belastung beispielsweise beim Gehen ist. Mit neuroathletischen Übungen können wir die Qualität alltäglicher Bewegungen erhöhen, dadurch das Stresslevel senken und Energie einsparen. Die gesparte und neugewonnene Energie steht dann wiederum dem Gehirn zur Verfügung. Ein Gewinn für alle, die im Alltag an permanenter Müdigkeit und Erschöpfung leiden. Und besonders für alle Läuferinnen und Läufer interessant, die bevorzugt abends laufen.

Wettkampfziele erreichen: In den Augen vieler Läuferinnen und Läufer ist Training nur dann erfolgreich, wenn es anstrengend ist. Gleichzeitig können wir uns nicht daran sattsehen, wenn die Profis beim Zugspitz Ultratrail (ZUT) oder beim Berlin-Marathon wie mühelos über die Laufstrecke fliegen. Obwohl es um alles geht, sind diese Läuferinnen und Läufer locker und entspannt. Und vielleicht gerade deswegen so schnell. Denn wenn wir entspannt und fokussiert sind, bleibt mehr Energie für unser Gehirn und es fühlt sich sicher.

Yoga zum Entspannen für Läufer

Wie funktioniert Neuroathletik?

Neuroathletische Übungen führen dazu, dass unser Gehirn Lauftraining nicht als Gefahr bewertet und hohe sportliche Belastungen akzeptiert, die für eine Leistungsverbesserung notwendig sind. Wichtig zu wissen ist dabei, dass unser Gehirn jeden Tag anders auf Training reagiert, weil sich die Reizaufnahme ständig ändert. Im Neuroathletiktraining bilden deshalb Assessments und Re-Assessments, also Tests, die vor und nach den Übungen durchgeführt werden und Hinweise auf deren Wirkung geben, die Grundlage des Trainingserfolgs.

Wichtige neuroanatomische Grundlagen

Informationsfluss zwischen Gehirn und Körper: Wir alle wissen, dass es sowas wie zwei Hirnhälften gibt, dass es irgendwie wichtig ist, dass beide Seiten funktionieren und dass es lustige Überkreuzübungen wie "Rechter Ellbogen zum linken Knie, dann linker Ellbogen zum rechten Knie und so weiter" gibt, die die Vernetzung beider Gehirnhälften verbessern sollen. Um die Funktion beider Hirnhälften beim Sport besser zu verstehen, sollten wir uns merken, dass

  • der linke Kortex (Großhirnrinde) die linke Körperhälfte stabilisiert
  • der linke Kortex Bewegungen auf der rechten Körperseite initiiert
  • der rechte Kortex die rechte Körperhälfte stabilisiert
  • der rechte Kortex Bewegungen auf der linken Körperseite initiiert
  • Informationen aus der rechten Körperhälfte in der linken Gehirnhälfte verarbeitet werden
  • Informationen aus der linken Körperhälfte in der rechten Gehirnhälfte verarbeitet werden
  • das Gleichgewichtssystem eine Ausnahme bildet und überwiegend gleichseitig funktioniert: Übungen auf der rechten Seite sprechen das Gleichgewichtssystem der rechten Seite an und Übungen auf der linken Seite das linke Gleichgewichtssystem.

Gegenüberliegende Gelenke beeinflussen sich gegenseitig: Wir Läuferinnen und Läufer wissen, ein gutes Armpendel ist Trumpf. Warum? Weil es zeigt, dass die Kraftübertragung über den Rumpf funktioniert, weil es für das Gleichgewicht essentiell und für hohe Geschwindigkeiten entscheidend ist. Am Armpendel sehen wir, wie die Bewegung der Beine mit jener der Arme zusammenhängt. Stimmt links der Laufschritt nicht, ist rechts das Armpendel nicht ok. Das gilt nicht nur für das gesamte Bein oder den gesamten Arm, sondern auch für die einzelnen Gelenke: Instabilität im linken Sprunggelenk kann zu Verspannungen im rechten Handgelenk führen. Wer Schmerzen beim Beugen des linken Kniegelenks hat, leidet häufig an einem Streckdefizit des rechten Ellbogens. Eine Schwäche der Außenrotation im linken Hüftgelenk geht oft mit einer verminderten Innenrotation des rechten Schultergelenks einher. Stellst du also in einem Gelenk des linken Beins ein Bewegungsdefizit in eine bestimmte Bewegungsrichtung fest, solltest du die Gegenbewegung des entsprechenden Gelenks des gegenüberliegenden Arms trainieren und umgekehrt.

Assessments als Grundlage für den Trainingserfolg

Mithilfe spezieller Tests für Kraft, Beweglichkeit, Bewegungsqualität, Balance und Stabilität können wir testen, wo unsere Schwachstellen sind und welche Trainingsintensität uns näher an unser Trainingsziel bringt. Wollen wir zum Beispiel unsere Stabilität verbessern, um schneller bergab laufen zu können, führen wir zuerst ein Assessment durch, das die Stabilität testet. Im Anschluss machen wir eine Übung zur Verbesserung der Stabilität und im Anschluss das gleiche Assessment als Wiederholungstest, um die Wirkung unseres Trainings zu überprüfen. Auf diese Weise erstellen wir Schritt für Schritt eine Liste, in der wir notieren, welche Übungen positiv, neutral oder negativ auf unsere Leistungsfähigkeit wirken. Übungen mit positiver Wirkung, die zu einer Verbesserung führen, integrieren wir in unser regelmäßiges Training für eine schnelle Leistungssteigerung. Übungen mit negativer Wirkung, die beim Re-Assessment (Wiederholungstest) zu einer Verschlechterung führen, informieren uns darüber, an welchen Fähigkeiten wir langfristig arbeiten müssen.

Wichtig: Assessments sind keine Übungen, sondern ein Trainingstool, mit dem wir die Wirkung einer Übung auf das Nervensystem zu einem gegebenen Zeitpunkt überprüfen können. Sie geben außerdem Aufschluss über unser aktuelles Stresslevel und ob es überhaupt sinnvoll ist, den Körper zum jetzigen Zeitpunkt durch Training zusätzlich zu belasten.

Vorbereitung des Systemtrainings

Bevor das eigentliche Training der einzelnen Systeme beginnt, sollte man Gehirn und Körper gezielt auf das Training vorbereiten. Vorbereitende Übungen aktivieren die für das jeweilige Training wichtigen Gehirnbereiche und sorgen so für eine optimale Weiterleitung und Verarbeitung des sensorischen Inputs und motorischen Outputs.

Training des Propriozeptiven Systems

Eine Verbesserung der Funktion des propriozeptiven Systems erfolgt über eine gezielte Gelenkkontrolle. Die Mobilisationsübungen dienen der Verbesserung der neuromechanischen Bedingungen und der Informationsqualität und gewährleisten ein für das Nervensystem niedriges Stresslevel für den Trainingseinstieg. Neuro-Mobility-Übungen sind das Haupttraining des Propriozeptiven Systems und haben das Ziel, durch eine bessere Beweglichkeit die Kontrolle aller wichtigen Gelenke zu erhöhen.

Training des Gleichgewichtssystems

Das Gleichgewichtstraining setzt sich zusammen aus vorbereitenden Übungen, Basisübungen zur Aktivierung, Kopf- und Augenbewegungen zur Verbesserung der Koordination und spezifischen Gleichgewichtsübungen. Mit diesen Übungen können wir die Muskelspannung unseres Körpers regulieren, Bewegungen stabilisieren und unsere Koordination verbessern. Ein gut funktionierendes Gleichgewichtssystem wirkt sich positiv auf die Funktion des visuellen Systems aus.

Training des visuellen Systems

Die Ziele visuellen Trainings sind die Bereitstellung klarer visueller Informationen, eine gute Kontrolle der Augenbewegung und eine umfassende Wahrnehmung der Umgebung um ein fixiertes Objekt (Peripheres Sehen). Das Training besteht aus Basisübungen und Fortgeschrittenenübungen. Das Basistraining beinhaltet Übungen für die periphere Wahrnehmung, zur Stärkung der Augenmuskeln, zur Verbesserung der Anpassung des Sehens an nahe und entfernte Gegenstände sowie für das Training des willkürlichen Sehens. Die Fortgeschrittenenübungen trainieren unter anderem die Vergenz, also die Fähigkeit, das Blickfeld zu kreuzen (Konvergenz) und voneinander zu entfernen (Divergenz). Da das Sichtfeld des linken Auges das des rechten kreuzt und umgekehrt, ist die Fähigkeit, das Blickfeld zu kreuzen wichtig, wenn wir z. B. den Staffelstab übernehmen oder über ein Hindernis springen. Schnelles Laufen setzt eine gute Kopf- und Rumpfstabilität voraus, die auf einer funktionierenden visuellen Wahrnehmung basiert.

Wie kann Neuroathletik mein Lauftraining beeinflussen?

Der Fokus des Trainings liegt auf der Optimierung der Aufnahme sensorischer Informationen über Augen, Gelenke und Bewegungen und deren Weiterleitung und Verarbeitung zum und im Gehirn. Eine optimale Reizaufnahme und Reizverarbeitung trägt dazu bei, dass unser Fußabdruck beim Laufen kräftiger, unsere Hüfte beweglicher, unser Armpendel effizienter und unser Laufstil insgesamt ökonomischer wird.

Neuroathletiktraining kann vor allem dann eine effiziente Ergänzung für dein Lauftraining sein, wenn du trotz regelmäßigen Trainings nicht schneller wirst, deine Wettkampfziele nicht erreichst oder immer wieder verletzt bist. Es sollte nicht als Ersatz für andere Trainingseinheiten dienen, sondern in den bestehenden Trainingsplan integriert werden. Neuroathletische Übungen können dazu beitragen, dass wir seltener verletzt sind und weniger Beschwerden wie Knieschmerzen, Kopfschmerzen oder Rückenschmerzen beim und nach dem Laufen haben.

Übung: Beweglichkeit für die Hüfte

Was brauche ich fürs Neuroathletiktraining?

Viele Übungen aus dem Neuroathletiktraining sind ohne Equipment möglich. Es gibt jedoch neuroathletisches Zubehör, das sich vor allem für das Training des visuellen Systems und laufspezifische Übungen im Verein lohnt.

12 Tools fürs Neuroathletiktraining zu Hause und im Verein

  • Handdynamometer: Indem du die Griffkraft deiner Hände misst, erhältst du im Rahmen der Assessments objektive Werte, die bei der Einordnung der Übungen helfen.
  • Visual Stick / Sakkadenstift: Der Visual Stick ist ein wichtiges Equipment für das neuroathletische Training der Augenmuskulatur. Die Stifte kann man fertig kaufen oder selbst basteln. Zimmermannsbleistifte oder einfarbig weiße oder schwarze eckige Bleistifte ohne Aufdruck mit Markierungen durch einen dünnen, wasserfesten Folienstift oder Miniaufkleber erfüllen ihren Zweck ebenfalls.
  • Lochbrille oder Rasterbrille: Die Loch- oder Rasterbrille dient der Vorbereitung auf das visuelle Training.
  • Augenklappe: Die Augenklappe ermöglicht einseitige Übungen im visuellen Training. Eine Augenklappe kann man fertig bestellen oder aus schwarzer Pappe oder Filz und Gummilitze (Hosengummi) selbst basteln.
  • Trainingskarten / Trainingstafel / Visual Chart: Die unterschiedlichen Trainingskarten sind wichtiges Equipment für das visuelle Training. Eine Auswahl findest du im Neuroathletik-Starterset von ARTZT. Mit Word oder Illustrator lassen sich die meisten selbst erstellen. Für Kinder und Jugendliche gibt es altersgerechte Trainingstafeln.
  • Laserpointer-Stirnband: Das Training mit dem Laserpointer-Haarband dient der Verbesserung der Kontrolle der Halswirbelsäule und einer besseren Haltung des Kopfes bei Bewegung. Den Kopf-Laserpointer kann man als fertiges Equipment bestellen oder aus Stirnband und (Katzenspielzeug-)Laserpointer selbst herstellen.
  • Klebeband: Das Kreuz für Kompassschritte und andere Übungen zur Verbesserung der Reizaufnahme und -verarbeitung in Schrittstellung kannst du mit Klebeband, übliches Malerkrepp genügt, auf den Fußboden kleben. Bei der Abmessung der Abstände hilft ein Geodreieck.
  • Widerstandsband / Trainingsband / Fitnessband: Ein bis zwei Widerstandbänder kommen bei Übungen zur Verbesserung der Aufrichtung des Beckens und der Wirbelsäule zum Einsatz. Wer einseitiges Training plant, kauft am besten Fitnessbänder (ca. 200 cm lang) unterschiedlicher Stärke. Um beide Körperseiten symmetrisch zu kräftigen, brauchst du zwei gleichstarke. Tipp: Echte Deuserbänder haben zwar die richtige Länge, für die meisten Läuferinnen und Läufer jedoch einen zu starken Widerstand.
  • Markierungshütchen / Pylonen: Für das Training der Blickstabilisation und Übungen, die das Gleichgewicht verbessern, lohnt sich die Anschaffung von Hütchen. Gerade für den Vereinssport (Fußball, Handball, Tennis) gibt es neuroathletische Übungen, die die Zielgenauigkeit beim Werfen und Schlagen trainieren.
  • Redondoball / Gewichtsball: Der zwei bis drei Kilogramm schwere Gewichtsball ist ein wichtiges Tool für die Mobilisationsübungen im propriozeptiven Training. Alternativ kannst du für die Mobilisation der Sprunggelenke einen Redondoball einsetzen. Wer den Ball mit zu Wettkämpfen nehmen möchte, nimmt einen aufblasbaren Wasserball mit etwa 20 cm Durchmesser.
  • Vibrationsgerät / Massagepistole: Die sensorische Stimulation von Hautarealen, Muskeln und Gelenken mit einem Handvibrationsgerät oder einer Massagepistole dient der Vorbereitung des neuroathletischen Trainings.
  • Metronom: Ein Metronom sorgt für einen regelmäßigen Rhythmus der Bewegungen bei Übungen mit einer hohen Wiederholungszahl wie Überkreuzübungen und verbessert die Konzentration. Das rhythmische Ticken gibt es auch als App fürs Smartphone.

Welche Übungen gibt es bei Neuroathletik?

Neuroathletiktraining setzt sich grundsätzlich aus Assessments und Übungen zur Optimierung des visuellen Systems, des Gleichgewichtssystems und des propriozeptiven Systems zusammen. Jede Übung sollte durch den Einsatz eines Assessments vorher und nachher auf seine Wirkung hin überprüft werden.

Wir haben einen Trainingsplan für Läuferinnen und Läufer erstellt, die mit dem Neuroathletiktraining beginnen möchten. Er nimmt dich vier Wochen lang an die Hand und gibt dir detaillierte Übungen und Assessments vor. Danach wirst du in der Lage sein, dein Neuroathletiktraining selbstständig fortzuführen.

Assessments

Die folgenden Testbeispiele dienen der Überprüfung der Trainingswirkung. Im Training solltest du die Körperseite, die bei der Testung schlechter abschneidet, für die Überprüfung vor und nach den Übungen nutzen. Eine Videoaufnahme mit dem Smartphone kann Aufschluss über Ausweichbewegungen und Bewegungsunterschiede geben. Die für dich am besten geeigneten Übungen zeigen eine deutliche Verbesserung beim Re-Assessment und sind z. B. gut für den "Zwischendurch-Einsatz" im (Büro-)Alltag geeignet.

6 Tests, mit denen du die Wirkung neuroathletischer Übungen überprüfen kannst

  • Beweglichkeitstest Rumpfrotation: Stelle dich aufrecht hin. Deine Füße stehen eng zusammen, die Zehenspitzen zeigen nach vorn, du machst ein leichtes Doppelkinn und richtest den Blick entspannt geradeaus. Hebe beide Arme gestreckt bis auf Schulterhöhe nach vorn an, sodass die Handflächen sich berühren. Drehe dich 3-mal nach rechts und merke dir, wie weit die Bewegung möglich ist und wie sie sich anfühlt. Drehe dich danach 3-mal nach links. Vergleiche die Bewegungen miteinander.
  • Beweglichkeitstest Rumpfbeuge: Stelle dich aufrecht hin, die Füße so nah wie möglich zusammen. Strecke beide Arme nach vorn und beuge dich langsam bei minimal gebeugten Kniegelenken 3-mal hinunter Richtung Boden. Nimm dabei die Spannung in deinen Beinen und deiner Wirbelsäule wahr. Notiere dir, wie weit deine Fingerspitzen am Bewegungsende vom Boden entfernt sind.
  • Krafttest Hüftbeuger mit Trainingspartner: Stelle dich aufrecht hin. Hebe wie beim Kniehebelauf jedes Bein 3-mal so weit nach oben an, dass im Knie- und Hüftgelenk ein 90-Grad-Winkel entsteht. Mache diese Übung möglichst frei, ohne dich festzuhalten. Dein Trainingspartner steht für den Test der linken Seite links neben dir. Seine rechte Hand liegt locker auf deiner linken Schulter, seine linke Hand ist frei. Hebe nun das linke Bein etwas mehr als 90° nach oben an. Dein Trainingspartner legt seine linke Hand auf deinen Oberschenkel, kurz über dem Kniegelenk, und gibt langsam zunehmenden Druck nach unten auf dein Bein. Versuche, gegen diesen zunehmenden Druck fünf Sekunden lang die Position des Beins beizubehalten. Danach wechselst du die Seite.
  • Krafttest Gesäßmuskulatur mit Trainingspartner: Für diese Übung brauchst du Unterstützung durch eine andere Person. Lege dich auf den Bauch, die Stirn auf den Händen abgelegt. Für den Test des linken Beins beugst du das linke Knie 90° an, sodass Fuß und Unterschenkel Richtung Himmel zeigen. Dein Trainingspartner kniet links neben dir und legt seine linke Hand an das untere Ende Ihrer Wirbelsäule, die rechte Hand von oben auf Ihren Oberschenkel, knapp oberhalb der Kniekehle. Während du ausatmest, hebst du das linke Bein leicht nach oben an, dein Partner drückt von oben auf deinen Oberschenkel und du versuchst, dein Bein fünf Sekunden lang gegen diesen Druck weiter nach oben zu bewegen. Achtung: Die Bewegung sollte nicht in die Wirbelsäule weiterlaufen, sondern eine Hüftbewegung bleiben. Danach wechselst du die Seiten.
  • Koordinationstest: Stelle dich aufrecht hin, die Füße berühren einander. Lege den Handrücken der rechten Hand entspannt in die nach oben zeigende Handfläche deiner linken Hand. Schließe die Augen. Nun drehst du zehn Sekunden lang die rechte Hand hin und her, sodass Handfläche und Handrücken im Wechsel die linke Handfläche berühren. Achte dabei auf Ausweichbewegungen der Wirbelsäule, der Füße und Beine, der Schultern und Schwierigkeiten bei der Bewegungsausführung. Im Anschluss wechselst du die Seite.
  • Balancetest: Beginne im aufrechten Stand. Stelle den rechten Fuß direkt vor den linken Fuß, sodass beide hintereinander eine Linie bilden. Verlagere dein Körpergewicht auf den hinteren linken Fuß. Deine Hände liegen eng, aber entspannt am Oberkörper an, die Handinnenflächen berühren den äußeren Oberschenkel. Schließe für 15 Sekunden die Augen, sobald du sicher stehst. Im Anschluss stellst du den linken Fuß nach vorn und schließt wieder für 15 Sekunden die Augen, während du versuchst, das Gleichgewicht zu halten.

9 Übungen, die dein Gehirn auf das Training der Systeme vorbereiten

Vorbereitende Stressreduktion mithilfe einer Rasterbrille: Trage bis zu 10 Minuten eine Rasterbrille. Sie reduziert den visuellen Stress und schärft den Blick auf weiter entfernte Gegenstände. Alternativ kannst du dich entspannt hinsetzen und für einige Minuten mit den hohlen Handflächen die locker geschlossenen Augen abdunkeln. Diese Übung hilft auch bei abnehmender Konzentrationsfähigkeit am Bildschirmarbeitsplatz.

Zungenkreise und seitliche Zungenbewegung: Stelle oder setze dich aufrecht hin. Lege die Lippen locker aufeinander und entspanne deinen Kiefer – die Zähne berühren sich dabei kaum.

  1. Kreise mit der Zunge zwischen Zähnen und Lippe entlang – 20 Sekunden rechtsherum, 20 Sekunden linksherum. Die Lippen hältst du dabei geschlossen.
  2. Drücke mit der Zungenspitze in die rechte Wange, danach wechselst du zur linken Seite. Halte die Zunge dabei so stabil und gerade wie möglich. Führe diese Wechselbewegung 20 Sekunden lang aus.

Aktivierung des Gleichgewichtssystems durch Bewegungen der Halswirbelsäule: Stelle dich aufrecht hin. Drehe den Kopf für etwa 20 Sekunden so weit wie möglich zu der Seite, mit der du die nächste Mobilisationsübung machst. Löse die Position danach langsam und entspanne dich kurz, bevor du mit dem eigentlichen Training beginnst.

Isometrische Aktivierung der Nackenmuskulatur: Stelle dich aufrecht hin. Mache ein leichtes Doppelkinn. Lege den Zeigefinger und Mittelfinger der linken Hand an den Haaransatz links neben der Stirn, etwas über der linken Schläfe, und den linken Daumen unterhalb des linken Ohrs an den Unterkiefer. Drücke den Kopf gegen die drei Finger, indem du ihn zuerst nach links drehst, dann nach oben links und später nach unten links rotierst. Anschließend folgt die Seitneigung nach links. Eine Bewegung findet dabei nicht statt, lediglich die Muskulatur soll anspannen, sodass Druck gegen deine Hand entsteht. Die vordere und hintere Nackenmuskulatur aktivierst du, indem du mit dem Zeige- und Mittelfinger mittig gegen Stirn oder Hinterkopf drückst. Halte die Spannung jeweils 5 Sekunden lang.

Aktivierung der Hüftstrecker: Die einfachste Übung sind Teilkniebeugen. Stelle dich aufrecht hin. Lasse die Arme locker neben dem Körper hängen. Schiebe das Gesäß etwa zehn Zentimeter nach hinten und beuge dabei die Knie an, während du den Oberkörper leicht nach vorn bewegen. Richte dich danach wieder auf und schiebe dein Becken dabei bewusst nach vorn oben, ohne mit dem Oberkörper nach hinten zu kippen oder ein starkes Hohlkreuz zu machen. Wiederhole die Bewegung 12-mal. Außerdem kannst du deine Hüftstrecker mt der Brücke aktivieren. Die klassische Übung erklären wir in diesem Work-out, hier findest du eine Version für Fortgeschrittene.

Überkreuzkoordination: Stelle dich aufrecht hin. Gehe auf der Stelle und hebe deine Knie dabei bis auf Hüfthöhe nach vorn an. Bewege das linke Knie in Richtung der rechten Hüfte und das rechte Knie zur linken Hüfte. Wenn das gut klappt, lege beim Anheben des rechten Beins die linke Handfläche an die Außenseite des rechten Kniegelenks, sobald es sich am höchsten Punkt befindet. Es überkreuzen dann sowohl der rechte Oberschenkel als auch der linke Arm die Körpermittellinie. Erweiterung: Fasse mit der rechten Hand an die linke Schulter, während du die linke Hand an das rechte Knie legst. Dauer: 90 Sekunden.

Nervendehnung für Sprunggelenkstabilität, bei Wadenbeschwerden und Knieschmerzen: Setze dich auf einem Stuhl so weit wie möglich nach vorn an die Kante der Sitzfläche. Stelle das rechte Bein mit rechtwinklig gebeugtem Knie auf. Strecke das linke Bein, dessen Fuß und Zehen und bewege es nach innen zum rechten Fuß. Drehe das gesamte Bein von der Hüfte aus nach innen, sodass die Fußspitzen den Boden berühren. Rolle den Kopf, das Kinn und die Wirbelsäule nach unten ein. Bewege nun den Rumpf aus der Hüfte nach vorn in die Dehnung und langsam wieder zurück. Wiederhole die Bewegung 20 Sekunden. Danach bleibst du mit dem Oberkörper vorn. Jetzt verstärkst und verminderst du die Dehnung 20 Sekunden lang, indem du das linke Knie leicht beugst und streckst, während die Ferse am Boden bleibt. Wechsle danach die Seite. Mache mit beiden Seiten 3 Sätze der Übung.

Nervendehnung bei eingeschränkter Hüftbeweglichkeit und Schmerz an der Knieinnenseite: Für diese Übung benötigst du einen Stuhl oder Hocker, dessen Sitzfläche sich ungefähr auf Kniehöhe befindet. Absolviere als vorbereitende Übung Wirbelsäule beugen und strecken, um ein Gefühl für die Stellung deines Beckens zu bekommen und die Wirbelsäule vorzubereiten. Um die Dehnung für das linke Bein durchzuführen, stelle dich rechts neben deinen Stuhl. Lege dein linkes Knie und das obere Schienbeindrittel seitlich auf die Sitzfläche und beuge das rechte Kniegelenk leicht an. Der Stuhl sollte so weit vom rechten Bein entfernt stehen, dass du in dieser Position eine leichte Spannung am inneren Oberschenkel merkst. Das Gewicht des linken Beins darfst du auf dem Stuhl ablegen. Kippe jetzt mit der Einatmung dein Becken nach vorn, sodass in der Wirbelsäule ein Hohlkreuz entsteht. Mit der Ausatmung machst du die Wirbelsäule rund, indem du dein Becken aufrichtest. Die Beckenaufrichtung verstärkt die Dehnung am inneren Oberschenkel bzw. in den Adduktoren. Mache die Bewegung etwa 20 Sekunden lang. Danach wechselst du die Seite.

So trainierst du das Propriozeptive System richtig

Wenn du das propriozeptive System trainierst, ist es wichtig, dass du die Reihenfolge "von unten nach oben" beachten: Je weiter das mobilisierte Gelenk vom Gehirn entfernt ist, desto geringer ist das Bedrohungspotential. Wir mobilisieren zuerst in langsamem Tempo. Sobald die Übung kontrolliert und sicher möglich ist, erhöhen wir die Bewegungsgeschwindigkeit. Treten in einem Bewegungsbereich Schmerzen auf, lassen wir diesen zunächst aus. Fällt uns eine Bewegung auf einer Körperseite deutlich schwerer als auf der anderen, absolvieren wir sie mit doppelter Wiederholungszahl im Vergleich zur besseren Seite.

Vorbereitende Übungen für das propriozeptive System

  1. Neuronales Warm-up: Da Bewegungen über Kreuz organisiert sind, eignen sich Überkreuzübungen gut als eine Aufwärmübung, die gleichzeitig positiv auf das Nervensystem wirkt. Absolviere diese Übungen für etwa zwei Minuten, sodass du danach warm, aber nicht müde bist.
  2. Nervendehnung: Langes Sitzen und einseitige Belastung haben einen negativen Einfluss auf die Funktion des Nervengewebes, das für die Informationsweitergabe zwischen Gehirn und Körper essenziell ist. Gleitet ein Nerv nicht reibungslos in seiner Hülle, weil unsere Beweglichkeit beispielsweise in einem bestimmten Bereich der Wirbelsäule eingeschränkt ist, kommt es zu Informationsdefiziten. Deshalb bieten Nervendehnungen eine gute Möglichkeit, die Qualität des Nervengewebes positiv zu beeinflussen, bevor es mit der Gelenkmobilisation und Gelenkstabilisation weitergeht.
  3. Zungenarbeit: Unsere Zunge steht in Verbindung mit Hirnarealen, die unsere Körperhaltung und den Muskeltonus beeinflussen. Zungenübungen können deshalb zu einer besseren Ansteuerung der Gelenke und präziseren Gelenkbewegungen beitragen.
  4. Aktivierung des Gleichgewichtssystems: Bei der Stabilisation und Kontrolle der Gelenke spielt das Gleichgewicht eine Rolle. Deshalb aktivieren wir die entsprechenden Hirnregionen vor dem Mobility-Training.
  5. Sensorische Stimulation: Das Stimulieren durch Druck, Reibung oder Vibration soll dem Gehirn helfen, sich auf eine Körperregion zu fokussieren. Sprintern aktivieren ihre Beine und Füße vor dem Start häufig durch leichtes Anklatschen – intuitiv oder bewusst. Alternativ zu den Händen kann man ein herkömmliches Massagetool oder eine Massagepistole nutzen. Zehn Sekunden Drücken, Reiben oder Vibration auf dem jeweiligen Gelenk reichen als Vorbereitung aus.

Assessments für das propriozeptive System

Neuroathletkübungen für das propriozeptive System überprüfst du mit einem Beweglichkeits-, Kraft- und/oder Balancetest. Bei unklarer Informationslage sind primär Bewegungsausmaß und Kraft reduziert. Die Tests sind hilfreich, wenn du das Neuroathletiktraining nach Verletzung oder bei unklarem Leistungsplateau einsetzt. Steht deine Körperhaltung (z. B. Armpendel oder Schrittfrequenz) beim Laufen im Fokus oder leidest du unter (einseitigen) Muskelverspannungen, nutze lieber Balancetests.

Mobilisationsübungen zur Optimierung des propriozeptiven Systems

Neuro-Mobility-Übung für die Fußwurzelknochen zur Verbesserung der Kraft der Beinstrecker und Hüftbeuger: Das zu mobilisierende Gelenk liegt im Bereich des Fußrückens, im Übergang zwischen Schienbein und Fußrücken. Für die Mobilisation des linken Fußes stelle dich aufrecht hin und mache mit dem rechten Fuß einen Schritt nach vorn. Gleichzeitig rollst du mit dem linken Fuß so weit ab, dass deine Fußnägel und die Oberfläche der Zehen den Boden berühren. Strecke den Fuß so weit wie möglich und baue langsam die Dehnspannung im vorderen Mittelfußbereich auf. Beuge das rechte Knie 5-mal an und strecke es danach wieder, sodass sich die Dehnung im linken Fuß während der Kniebeugung verstärkt. Danach wechselst du die Seite. Achtung: Der Fuß sollte in einer Linie bleiben und nicht nach außen oder innen kippen.

Neuro-Mobility-Übung für das Sprunggelenk für eine bessere Kraftübertragung: Stelle dich aufrecht hin. Verlagere dein Körpergewicht auf das rechte Bein. Hebe das linke Bein etwas nach vorn oben an und kreise das linke Sprunggelenk 5-mal rechtsherum und anschließend 5-mal linksherum. Anschließend wechselst du die Seite.

Neuro-Mobility-Übung für das Kniegelenk: Gehe aus dem aufrechten Stand mit dem linken Fuß einen Schritt nach vorn. Kreise mit dem linken Kniegelenk bei feststehendem Fuß 5-mal rechtsherum und 5-mal linksherum. Danach wechselst du die Seite.

Neuro-Mobility-Übung für das Hüftgelenk: Stelle dich aufrecht hin. Halte dich mit der rechten Hand an einer Stuhllehne oder der Wand fest. Hebe das linke Bein so weit nach vorn oben an, dass sich das rechtwinklig gebeugte Kniegelenk auf Hüfthöhe befindet. Bewege jetzt den Unterschenkel wie ein Pendel jeweils 5-mal so weit es geht nach rechts und links. Der linke Oberschenkel bleibt dabei parallel zum Boden. Im Hüftgelenk entsteht weiterlaufend eine Drehbewegung. Anschließend drehst du den Oberschenkel von der Hüfte aus nach außen und pendelst dort 5-mal nach rechts und links bzw. innen und außen. Zum Abschluss hebst du aus dem neutralen Stand den linken Unterschenkel nach hinten an, während der Oberschenkel zum Boden zeigt. Auch aus dieser Position: 5-mal den Unterschenkel nach rechts und links bewegen. Danach die Seite wechseln.

Neuro-Mobility-Übung für die Brustwirbelsäule zur Verbesserung der Atmung: Stelle dich aufrecht hin. Lass die Arme locker neben dem Körper hängen. Mit der Ausatmung aktivierst du die Bauchmuskulatur, drehst den Oberkörper und den Kopf bei feststehendem Becken so weit nach links, wie es geht. Am Ende der Rotationsbewegung neigst du den Oberkörper nach links. Mit der Einatmung bewegst du dich zurück in den neutralen Stand. Wiederhole die Übung 5-mal zur linken Seite. Danach 5-mal zur rechten Seite.

Neuro-Mobility-Übung für die Halswirbelsäule für eine bessere Bewegungskontrolle und stabilere Körperhaltung: Stelle dich aufrecht hin. Mach ein leichtes Doppelkinn, indem du das Kinn in Richtung Halsmitte bewegst. Beginne nun, mit deinem Kopf liegende Achten zu malen. Die Bewegung geht dabei vom oberen Bereich der Halswirbelsäule aus. Möglicherweise ist in Teilbereichen dieser Bewegung regelrecht "Sand im Getriebe". Bleibe etwas länger bei diesen Teilbewegungen, führe diese bewusst langsam aus. Male 5 liegende Achten pro Richtung.

Neuro-Mobility-Übung für die Schulter für eine aufrechte Körperhaltung: Stelle dich aufrecht hin. Strecke den linken Arm nach vorn. Male mit dem gestreckten Arm eine liegende Acht auf Brusthöhe. Überkreuze dabei bewusst die Körpermittellinie. Male 5 liegende Achten rechtsherum, danach 5 weitere linksherum. Strecke dann den linken Arm auf Brusthöhe leicht nach außen und male stehende Achten – 5 linksherum und 5 rechtsherum. Anschließend wechselst du die Seite.

Neuro-Mobility-Übung für die Hand für eine allgemeine Bewegungsverbesserung: Stelle dich aufrecht hin. Beuge den linken Ellbogen etwa 100° an. Male aus dieser Position mit der Hand liegende Achten in die Luft. Die Bewegung geht vom Handgelenk aus. Drehe dabei auch die Handflächen mit. Die Finger sind locker gestreckt. 5-mal rechtsherum, dann 5-mal linksherum, danach Seite wechseln.

So trainierst du das Gleichgewichtssystem richtig

Die unten stehenden Übungen für das Gleichgewichtssystem beginnen mit der leichtesten und werden Übung für Übung anspruchsvoller. Beginne mit den einfachen Übungen und gehe zu den schwierigen, zugegebenermaßen interessanteren über, wenn du mit den einfachen ein neutrales oder positives Testergebnis erreichst. Die Trainingsdauer sollte zehn Minuten nicht überschreiten.

Vorbereitende Übungen für das Vestibuläre System

  1. Zungenarbeit: Mit Zungenübungen können wir Gehirnregionen aktivieren, die für die Verarbeitung von Informationen des Gleichgewichtssystems wichtig sind.
  2. Isometrische Übungen für die Nackenmuskulatur: Muskuläre Beanspruchung der Hals- und Nackenmuskulatur werden in Gehirnbereichen verarbeitet, die für unser Gleichgewicht essenziell sind.
  3. Mobilisation der Brustwirbelsäule: Bewegungen der Brustwirbelsäule werden in Hirnarealen verarbeitet, die für die Steuerung des Gleichgewichtssystems relevant sind.
  4. Gezielte Aktivierung der Hüftstrecker: Streckbewegungen der Hüftgelenke und der Lendenwirbelsäule aktivieren Gehirnbereiche, die für die Koordination der Augenmuskulatur und der Stabilisierung der Wirbelsäule zuständig sind.

Assessments für das vestibuläre System

Den Effekt der Übungen für ein besseres Gleichgewicht überprüfst du, indem du deine Beweglichkeit und/oder eine konkrete Bewegung aus deiner Sportart oder deinem Alltag testesn. Das kann die Technik beim Fußabdruck beim Laufen, eine Armbewegung beim Kraulschwimmen oder die Handbewegung beim Aufsetzen einer Mütze sein.

Neuroathletikübungen zur Optimierung des Gleichgewichtssystems

Basisübung Gleichgewicht: Stelle dich aufrecht hin, mittig vor ein Fenster, zwischen zwei Zimmerecken, Zaunpfeiler oder Straßenlaternen. Mache ein leichtes Doppelkinn. Bewege Kopf und Blick zur linken Seite des Fensterrahmens, der Zimmerecken, Zaunpfeiler oder Laternen und von da aus zur rechten Seite. Das Ziel ist eine Nein-Bewegung mit Kopf und Augen in einem festgelegten Bewegungsbereich. Eine rechts-links-rechts-Bewegung sollte etwa 1 Sekunde dauern. Dauer der Übung: 60 Sekunden. Im Anschluss bewegst du Kopf und Augen vom oberen Fensterende zum unteren Ende, im Sinne einer Ja-Ja-Bewegung.

Basisübung Blickfixierung: Klebe einen Aufkleber auf Augenhöhe an die (Haus-)Wand und stelle dich in etwa 30 cm Entfernung mittig davor. Fixiere den Aufkleber mit den Augen. Bewege den Kopf nach rechts und links, nach oben und unten, diagonal und im Kreis, während du versuchst, die Augen ununterbrochen auf den Aufkleber zu richten. Beginne mit langsamen Bewegungen und erhöhe nach und nach die Geschwindigkeit. Die gesamte Übung sollte etwa 60 Sekunden dauern. Bewegungsrichtungen, in denen dir die Blickfixierung schwerfällt, wiederholst du öfter.

Gleichgewichtstraining - Training des vestibulookulären Reflexes: Stelle dich in 30 cm Entfernung mittig vor den Aufkleber an der (Haus-)Wand und fixiere ihn mit den Augen. Bewege den Kopf schnell nach links, während du fest auf den Aufkleber blickst. Schließe die Augen und bewege den Kopf langsam zurück in die Ausgangsstellung. Wiederhole die Bewegung 5-mal, bevor du den Kopf nach dem gleichen Prinzip nach rechts, rechts oben, rechts unten, links oben und links unten rotierst.

Gleichgewichtstraining - Seilspringen mit Blickfixierung: Du benötigst einen Aufkleber auf Augenhöhe an der (Haus-)Wand und ein Springseil. Positioniere dich mittig vor dem Aufkleber. Vorbereitend kannst du auf dem Vorfuß auf- und ab wippen, während du den Aufkleber mit dem Blick fixierst. Danach gehst du zum Seilspringen über. Versuche, den Aufkleber nicht aus den Augen zu verlieren. Das Bild sollte die ganze Zeit über klar sichtbar sein. Daraus ergibt sich auch der Abstand zur (Haus-)Wand.

Gleichgewichtstraining - Infinity Walk: Stelle zwei Markierungshütchen oder Pylonen im Abstand von drei Metern zueinander und zur Wand parallel zu der Wand auf, an der dein Aufkleber klebt. Beginne mit einem großen Aufkleber und verkleinere dein Blickziel nach und nach. Fixiere den Aufkleber mit den Augen. Gehe zuerst langsam, dann schneller, in Achtertouren um die Pylonen herum, ohne den Aufkleber aus den Augen zu verlieren. Beginne mit der Richtung, in der du in der Mitte der Acht immer mit dem Rücken zum Blickziel (vom Aufkleber weg) gehst.

So trainierst du das visuelle System richtig

Visuelles Training solltest du möglichst ohne Brille machen, sofern du auf Kontaktlinsen ausweichen und/oder ohne Brille ausreichend scharf sehen kannst. Übungen, die einäugig möglich sind, mache zum Abschluss immer mit beiden Augen. So vermeidest du, dass dein Gehirn die Informationen des zuletzt trainierten Auges im darauffolgenden Training bevorzugt. Das visuelle Training gestaltest du laufspezifischer, indem du während der Übung z. B. in Laufposition oder im Ausfallschritt stehst. Solche Übungsvariationen solltest du erst machen, wenn die Grundübung sitzt. Beim Augentraining reichen 30 Sekunden pro Übung bzw. Blickrichtung aus. Plane für das Training des visuellen Systems zehn Minuten pro Tag oder 20 Minuten an drei Tagen der Woche ein.

Vorbereitende Übungen für das Training des visuellen Systems

  1. Augenregeneration mit Rasterbrille: Loch- oder Rasterbrillen reduzieren den sensorischen Input der Augen aus der Peripherie und sorgen für eine kurzfristige Regeneration.
  2. Zungenübungen: Die Bewegung der Zunge aktiviert Hirnareale, die die Motorik der Augenmuskulatur beeinflussen.
  3. Mobilisation und isometrische Aktivierung der Halswirbelsäulenmuskulatur: Gezielte Bewegungen des oberen Halswirbelsäulenbereichs aktivieren Bereiche, die für die Bewegungskontrolle der Augen maßgeblich sind, während die Nackenisometrie einen positiven Einfluss auf die Verarbeitung der visuellen Informationen hat.
  4. Übungen aus dem Training des propriozeptiven und vestibulären Systems, die beim Re-Assessment eine positive Wirkung bestätigt haben.

Assessments für das visuelle System

Den Effekt des Trainings für die Augen testest du mit Assessments für Beweglichkeit, Kraft und/oder Koordination. Machst du Neuroathletikübungen, weil du beispielsweise Defizite bei der Hüftstreckung hast, teste Beweglichkeit oder Kraft. Wenn beschwerdefrei bist und dein Ziel ein effizienter Laufstil ist, kann die Überprüfung der Koordination sinnvoller sein.

Neuroathletikübungen zur Optimierung des visuellen Systems

Visuelles Training – periphere Wahrnehmung: Du benötigst die Trainingskarte "Peripheral Awareness Chart". Erstelle den Ausdruck auf möglichst festem Papier und schneide ihn quadratisch zu. Stehe aufrecht und halte die Trainingskarte in 35 cm Entfernung mittig vors Gesicht. Fixiere mit den Augen den Mittelpunkt. Halte den Blick darauf gerichtet, während du zuerst im Uhrzeigersinn und dann entgegengesetzt die umliegenden Buchstaben von innen nach außen liest. Erweiterung: Decke zuerst ein Auge mit einer Augenklappe ab, danach das andere. Umsetzung beim Joggen: Fixiere einen weit entfernten Gegenstand mittig auf Augenhöhe. Konzentriere dich auf Dinge, die rechts, links, oben und unten davon sichtbar sind. Welche Bereiche sind gut sichtbar, welche schlechter?

Visuelles Training Kräftigung der Augenmuskulatur: Du benötigst den Ausdruck eines Sterndiagramms. Ein Sterndiagramm ist ein Quadrat, in dem sich Striche jeweils aus allen vier Ecken und aus der Mitte der Seitenlinien kreuzen. Befestige den Ausdruck in Augenhöhe an der Wand. Alternativ stellst du dich mittig vor ein Fenster. Wenn möglich, befestige vorab in allen Ecken und in der Mitte der seitlichen Fensterrahmen einen Klebepunkt. Fixiere für 10 Sekunden einen Endpunkt auf der linken Seite des Diagramms oder des Fensters und anschließend auf der rechten Seite. Wechsle von Endpunkt zu Endpunkt, bis du alle abgearbeitet hast. Achtung: Die Bewegung erfolgt nur mit den Augen. Der Kopf bleibt immer in der gleichen Position.

Visuelles Training Stärkung der Nah- und Fernsicht: Du benötigst die Trainingskarte für Nah-und-Fern-Sehen (viele einzelne Buchstaben oder Zahlen auf einer Seite) in zweifacher Ausführung: eine große Version (DIN A4) befestigst du in Augenhöhe, eine kleine Version (ca. DIN A6) hältst du in 20 cm Entfernung mittig vors Gesicht. Die große Karte muss von deinem Standpunkt aus scharf lesbar sein. Schaue auf den ersten Buchstaben deines Handzettels. Sobald du ihn scharf siehst, wechselst du so schnell wie möglich zum ersten Buchstaben auf der Wandkarte. Sobald du diesen scharf gestellt hast, wechselst du zum zweiten Buchstaben auf dem Handzettel und so fort. Versuche, im Sekundenrhythmus von einer Karte zur anderen zu wechseln. Sobald diese Übung beidäugig gut funktioniert, kannst du jeweils ein Auge mit einer Augenklappe abdecken.

Visuelles Training Verbesserung der willkürlichen Augenbewegung: Nimm einen Bleistift oder einen Kugelschreiber in eine Hand. Male einen Punkt auf den Stift, falls kein Aufdruck vorhanden ist. Stelle dich aufrecht hin. Halte den Stift hochkant auf Schulterhöhe. Fixiere mit den Augen einen Buchstaben oder die Markierung auf dem Stift. Bewege den Stift nun langsam zwischen der rechten und linken Schulter hin und her und folge ihm mit den Augen. Anschließend bewegst du den Stift mittig über den Kopf und hinunter auf Brusthöhe.

Visuelles Training Training der Vergenz: Die einfachste Übung, die das Überkreuzen des Blicks trainiert, sind Augenliegestütze. Nimm deinen Stift zur Hand. Halte ihn aufrecht mittig auf Nasenhöhe etwa 40 cm entfernt vor dein Gesicht. Fixiere einen Buchstaben / deine Markierung. Bewege den Stift in Richtung Nase, folge der Bewegung mit den Augen, bis du das fixierte Objekt doppelt siehst oder du deine Nasenspitze berührst. Anschließend bewegst du den Stift langsam wieder zurück in die Ausgangsposition.

Fazit: Neuroathletiktraining verbessert das Zusammenspiel von Gehirn und Körper

Neuroathletiktraining verfolgt das Ziel, durch eine Optimierung der Aufnahme und Verarbeitung sensorischer Informationen das Zusammenspiel von Gehirn und Körper zu verbessern und so eine höhere Leistungsfähigkeit im Sport und Alltag zu erreichen. Im Fokus des neurozentrierten Trainings steht das Gehirn als Steuerzentrale der Bewegung. Im Sekundentakt nimmt es mithilfe unserer Augen, unseres Tastsinns und unseres Gleichgewichtssinns Informationen auf. Diese Informationen bewertet unser Gehirn als sicher oder unsicher – je klarer die Informationen, desto mehr Sicherheit. Fühlt unser Gehirn sich sicher, befähigt es uns zu sportlichen Höchstleistungen, sind die Informationen unklar oder unsicher, drosselt es unsere Leistungsfähigkeit, um uns vor Verletzungen zu schützen. Unklare oder unvollständige Informationen können beispielsweise zu Muskelverspannungen, Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen führen.

Neuroathletiktraining besteht aus Assessments, mit denen wir die Wirkung einer Übung testen können, Vorbereitungsübungen, die informationsverarbeitende Hirnareale aktivieren und spezifischen Übungen. Neuroathletikübungen verbessern die Informationsaufnahme, Informationsweiterleitung und Informationsverarbeitung aus dem Visuellen System (Augen), dem Gleichgewichtssystem (Vestibuläres System) und dem Propriozeptiven System (Taktiles System). Der Vorteil der Übungen ist, dass sie zeiteffizient sind und gut in den (Arbeits-)Alltag integrierbar sind. Sie sind nicht als eigenes Trainingsprogramm zu verstehen, sondern als effektive Ergänzung fürs Lauftraining und Athletiktraining. Besonders gut geeignet ist Neuroathletiktraining für Läuferinnen und Läufer, die trotz akribischen Trainings nicht schneller werden oder Wettkampfziele nicht erreichen, häufig verletzt sind oder im Alltag mit starker Müdigkeit oder wiederkehrenden Kopfschmerzen und Muskelverspannungen kämpfen.

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Wer sich genauer ins Neuroathletiktraining einlesen möchte, kann dies mit folgenden Büchern tun:

Ulla Schmid-Fetzer. Neuroathletiktraining: Grundlagen und Praxis des neurozentrierten Trainings

Lars Lienhard. Training beginnt im Gehirn: Mit Neuroathletiktraining die sportliche Leistung verbessern  © Runner’s World