• Operation oder Antibiotika? Das ist bei Blinddarmentzündungen umstritten - oft muss nach Einnahme von Medikamenten doch noch operiert werden.
  • Einen Einfluss könnte die Einstellung der Patienten haben. Darauf deutet eine aktuelle Studie hin.

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Einer Redensart zufolge kann der Glaube Berge versetzen - und vielleicht macht er auch Medikamente wirksamer. Darauf deutet eine US-Studie an Blinddarmpatienten hin, die mit Antibiotika behandelt wurden. Zeigten diese von vornherein volles Vertrauen in die Heilkraft der Medikamente, hatten sie ein geringeres Risiko, sich später doch noch einer Operation unterziehen zu müssen.

Für die im Fachblatt "JAMA Surgery" veröffentlichte Studie untersuchte das Team um David Flum von der University of Washington in Seattle 415 Daten von Patienten mit akuter Blinddarmentzündung. Sie hatten zwischen 2016 und 2020 im Rahmen einer früheren Untersuchung Antibiotika erhalten statt operiert zu werden.

Abklingen der Beschwerden: Studienautoren spekulieren über Gründe

Alle Patienten hatten vorher einen Fragebogen ausgefüllt und angegeben, für wie erfolgversprechend sie die Antibiotika-Behandlung hielten. Zu diesem Zeitpunkt wussten die Teilnehmer nicht, ob sie medikamentös behandelt oder operiert werden würden. 27 Prozent von ihnen waren von der Wirksamkeit der Antibiotika überzeugt, 51 Prozent waren unentschieden und 22 Prozent eher skeptisch.

Nun untersuchte das Studienteam Unterschiede zwischen den drei Gruppen: Demnach war das Risiko, doch noch operiert werden zu müssen, bei den zuversichtlichen Teilnehmern nach 30 Tagen um 13 Prozent geringer als bei den skeptischen. Dieser Effekt zeigte sich den Medizinern zufolge besonders deutlich in den ersten 48 Stunden. Darüber hinaus habe es einen Zusammenhang zwischen der Überzeugung der Patienten und dem selbstberichteten Abklingen der Beschwerden und Symptome nach 30 Tagen gegeben. Ein Grund für die Unterschiede könnte sein, dass die überzeugten Teilnehmer disziplinierter bei der Einnahme ihrer Medikamente gewesen seien, spekulieren die Autoren.

Debatte bei Blinddarmentzündung: OP oder Antibiotika?

Die Studie fügt der Diskussion um die optimale Therapie einer Blinddarmentzündung eine weitere Facette hinzu. Tatsächlich wird schon seit geraumer Zeit debattiert, ob eine Operation wirklich immer das Mittel der Wahl ist oder ob und wann eine Antibiotika-Behandlung genügen könnte. Diese Frage hat nicht zuletzt angesichts der Häufigkeit der Erkrankung Bedeutung. So wurden etwa 2020 in Deutschland stationär in Krankenhäusern knapp 100.000 Blinddarme entfernt.

In einer großen Untersuchung mit über 1.550 Patienten kam das Autorenteam der aktuellen Studie 2020 zu dem Schluss, dass Operation und Antibiotika-Therapie etwa gleichwertige Verfahren seien. Allerdings musste sich fast ein Drittel der mit Antibiotika behandelten Teilnehmer binnen drei Monaten nach der Therapie doch noch operieren lassen, drei Jahre später war dieser Anteil noch einmal gestiegen. Andere Studien kamen zu ähnlichen Resultaten.

Hier könnte es hilfreich sein, die Erwartungen der Patienten über den Therapieerfolg bei der Entscheidung über Operation oder Antibiotika zu berücksichtigen, schreiben die Autoren nun: "Es ist zu erwarten, dass diese Informationen die gemeinsame Entscheidungsfindung verbessern werden, auch wenn wir anerkennen, dass Überzeugungen die Ergebnisse in einer Weise beeinflussen können, die noch nicht vollständig verstanden ist."

Entzündung durch Psyche beeinflussbar? Vorstellbar - aber offen

Dieses lückenhafte Verständnis greift John Alverdy von der University of Chicago in einem "JAMA"-Kommentar auf: So sei zwar vorstellbar, dass die Blinddarmentzündung als biologische Erkrankung durch die Psyche beeinflussbar sei. Um dies zu klären, seien jedoch "strenge molekularbiologische Studien" erforderlich. Wichtig sei etwa, den Einfluss der Einstellungen von Familienmitgliedern und medizinischem Personal zu untersuchen.

Alverdy betont: "Solange wir nicht auf ergänzenden Messungen auf biologischer Ebene und handfesten, mechanistisch basierten Beweisen bestehen, um unsere klinischen Beobachtungen zu untermauern, scheinen wir nicht besser zu sein als homöopathische Behauptungen, die besagen: 'Wenn du glaubst, dass es dir besser geht, dann geht es dir auch besser.'" (Alice Lanzke, dpa/af)

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