Das öffentliche Auftreten von Donald Trump verleitet viele dazu, ihn als Narzissten zu bezeichnen. Manche Experten gehen sogar so weit, ihm eine narzisstische Persönlichkeitsstörung zuzuschreiben. Doch was kennzeichnet eine solche Störung überhaupt - und kann man eine solche Diagnose beim US-Präsidenten stellen?

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"Jemand, der [erotisch] nur auf sich selbst bezogen ist" – so wird im Duden der Begriff Narzisst erklärt. Im Zusammenhang mit Donald Trump fällt dieser Ausdruck sehr häufig. Zahlreiche öffentliche Auftritte des US-Präsidenten untermauern diesen Eindruck.

Narzissmus ist noch nicht zwangsläufig krankhaft, erklärt das Informationsportal "Neurologen und Psychiater im Netz" auf seiner Internetseite. Erst wenn er das Leben der Betroffenen stark dominiert oder beeinträchtigt, spricht man von einer Persönlichkeitsstörung.

Genau das tun einige Experten in Bezug auf Trump. Einer von ihnen ist der Psychotherapeut John D. Gartner. Er sagte gegenüber der Nachrichtenseite "U.S. News & World Report", dass Trump eine gefährliche psychische Erkrankung habe. Er sei ungeeignet für den Job des Präsidenten, weil er an "bösartigem Narzissmus" leide.

Ähnlich urteilen auch andere. "Seine Fähigkeit, die Wahrheit zu sehen, ist durch den Narzissmus beeinträchtigt", erklärt etwa die Klinische Psychologin Dr. Julie Futrell in einem Interview mit "New York Daily News". Jemandem wie Trump könne man nicht mit Logik beikommen. Sie ordnet den Präsidenten am "krankhaften Ende des narzisstischen Spektrums" ein.

Narzissten ertragen keine Kritik

Doch worauf fußen die Schlussfolgerungen der Experten und auch der Öffentlichkeit? Neben mangelndem Selbstwertgefühl und fehlender Empathie ist eine ausgeprägte Empfindlichkeit gegenüber Kritik ein Merkmal einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung.

Dass Trump auf Kritik sehr empfindlich reagiert, hat er schon einige Male bewiesen – vor allem im Umgang mit den Medien, deren Berichterstattung er gerne als "Fake News" bezeichnet.


Auch die Tatsache, dass er die Teilnahme am traditionellen Dinner der Korrespondenten abgesagt hat, lässt den Schluss zu, dass er gekränkt ist.

"Kritik zu erfahren, kennt Trump in dieser Form aus seinem bisherigen Leben nicht. Jetzt hat er zwei Möglichkeiten: Entweder er lernt damit umzugehen oder er scheitert. Und natürlich kann er sein Repertoire an Verhaltensweisen nicht so schnell ändern", erklärt Prof. Peter Falkai, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, im Gespräch mit unserer Redaktion.

Ihn deshalb gleich als malignen Narzissten zu bezeichnen, hält der Münchner Professor aber für falsch: "Das ist in etwa so, als wenn man jemandem mit einem roten Kopf sagt, dass er einen hohen Blutdruck hat – ohne dabei aber den Blutdruck gemessen zu haben. Wenn es keine vernünftige formale Untersuchung gibt, dann ist solch eine Äußerung inadäquat."

Es gibt nur Ferndiagnosen zu Trump

Und tatsächlich: Die beiden eingangs zitierten Experten räumen ein, den US-Präsidenten nie selbst untersucht zu haben, sondern ihre "Diagnose" auf Beobachtungen aufzubauen.

"Wenn Leute ungewöhnlich, anstrengend oder auf den Punkt gesagt: nervig sind, schreibt man ihnen oft eine Störung zu. Trump verhält sich nicht sozialkonform und oft destruktiv. Er verbreitet Angst und polarisiert andauernd", so Falkai. Narzissmus ist - wie eingangs bereits erläutert - allerdings erst einmal nichts weiter als ein Persönlichkeitsmerkmal – ein Narzisst ist nicht automatisch psychisch krank.

Wo eine ausgeprägte Persönlichkeitsstruktur aufhört und eine Erkrankung beginnt, ist so pauschal also nicht zu sagen. "Um eine Persönlichkeitsstörung festzustellen, gibt es immer etliche Kriterien, die erfüllt sein müssen. Hierzu reichen Fernsehbilder oder Beschreibungen nicht aus. Dazu muss man die Person sehen und mit ihr sprechen können", erklärt Falkai.

Dass Donald Trump mit seiner Persönlichkeit aneckt und viele Merkmale eines Narzissten zeigt, steht wohl außer Zweifel. Ob aber auch wirklich eine Persönlichkeitsstörung vorliegt - mit dieser Ferndiagnose muss man sich zurückhalten.

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