• Patientinnen und Patienten mit dem seltenen Kleine-Levin-Syndrom, auch Dornröschen-Syndrom genannt, schlafen mehrere Tage oder Wochen am Stück.
  • Die Krankheitsursache ist bislang unklar, die Behandlung erfolgt auf Einzelfallberichten.
  • Das Symptom der Tagesschläfrigkeit wird oftmals nicht ernst genommen und zieht eine mehrjährige Diagnose nach sich.

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Das Kleine-Levin-Syndrom ist eine äußerst seltene Erkrankung, die mit einem stark erhöhten Schlafbedürfnis einhergeht. Betroffene leiden mehrfach im Jahr unter tagelangen oder sogar mehrwöchigen Phasen extremer Schläfrigkeit. Mediziner sprechen daher von einer periodischen Hypersomnie – also einer regelmäßig wiederkehrenden Schlafsucht.

"Die Patienten verschlafen dann den Großteil des Tages", erklärt Peter Young, Facharzt für Neurologie am Medical Park Bad Feilnbach und Leiter der Kommission Schlaf der Deutschen Gesellschaft für Neurologie im Gespräch mit unserer Redaktion. "Sie stehen lediglich zum Essen oder für den Gang zur Toilette auf."

Die Schlafphasen beginnen und enden in der Regel unvermittelt. Zusätzlich zur Schläfrigkeit treten in dieser Zeit kognitive Beeinträchtigungen auf, die Betroffenen sind apathisch und haben das Gefühl, wie in einem Traum zu leben. Insbesondere gegen Ende der Episoden können weitere Symptome auftreten, wie hypersexuelles Verhalten oder Hyperphagie, also übermäßiges Essen. In den beschwerdefreien Zeiten wirken die Patienten unauffällig.

Kleine-Levin-Syndrom: Junge Männer häufiger betroffen

Bereits in den 1920er Jahren beschrieben der deutsche Psychiater Willi Kleine und der US-amerikanische Neurologe Max Levin das Syndrom. Etwa 20 Jahre später griff der Neurologe Macdonald Critchley diese Erkenntnisse auf und benannte die Krankheit nach ihren Entdeckern. Heute ist das Kleine-Levin-Syndrom auch als Dornröschen-Syndrom bekannt.

Da die Erkrankung äußerst selten ist, gibt es kaum Zahlen dazu. Experten schätzen, dass einer von einer Million oder einer von zwei Millionen Menschen unter dem Kleine-Levin-Syndrom leiden. "Junge Männer in der zweiten und dritten Lebensdekade sind häufiger betroffen", weiß Young.

Die Phasen treten oftmals über mehrere Jahre immer wieder auf, bis die Krankheit aus ungeklärter Ursache einfach ausläuft. "Auch die Auslöser der Erkrankung sind noch unklar, möglich scheint aber eine genetische Veranlagung." Weiterhin scheint das Syndrom in Zusammenhang mit einer Infektion aufzutreten.

Dornröschen-Syndrom: Diagnose dauert durchschnittlich fünf Jahre

Das Kleine-Levin-Syndrom beginnt zumeist in der Pubertät. "Die extreme Schläfrigkeit wird jedoch häufig nicht ernst genommen", warnt der Neurologe. Da ist von Frühjahrsmüdigkeit oder Winterschlaf die Rede, die Eltern raten zum Ausschlafen. Im nächsten Schritt gehen selbst Ärzte oftmals von psychiatrischen Erkrankungen aus. Betroffene landen beim Therapeuten oder in der Psychiatrie.

Dabei ist die sogenannte Tagesschläfrigkeit ein ernstzunehmendes Symptom, das auf verschiedene Krankheiten hinweisen kann. Betroffene schlafen tagsüber ständig ein, obwohl sie eigentlich ausgeruht sind. Bei extremer Müdigkeit hingegen, wie sie auch bei Long-COVID-Fällen bekannt ist, können Patienten zumeist nicht einschlafen, obwohl sie vollständig erschöpft sind.

Wer unter einer permanenten und nicht erklärbaren Schläfrigkeit leidet, sollte zum Hausarzt gehen. Dieser klärt internistische Krankheiten wie Schilddrüsenerkrankungen oder Diabetes ab. Sind die Befunde unauffällig, hilft der Schlafmediziner.

Behandlung des Kleine-Levin-Syndroms

Im Schlaflabor ist der Nachweis der Krankheit möglich. "Wir untersuchen unter anderem die Hirnströme der Patienten, denn der Schlaf ist eine Funktion des Gehirns", erklärt Young das Vorgehen. So können beispielsweise Schlafkrankheiten, die auf Atmungsstörungen basieren, aber auch Epilepsie und Narkolepsie ausgeschlossen werden.

Aufgrund der wenigen bekannten Fälle gibt es bislang keine Studien zu Therapien. Die Erfahrungen stützen sich vielmehr auf Einzelfallbeschreibungen, bei denen Medikation und Ergebnis festgehalten wurden. "Betroffene können nicht durch Medikamente während der Schlafphase aufgeweckt werden", erklärt Young. "Es wird vielmehr versucht, diese Episoden durch die Gabe von Epilepsie-Medikamenten zu verhindern. Hilfreich schien auch die Einnahme von Lithium, das eigentlich bei Depressionen mit starken Stimmungsschwankungen gegeben wird."

In den meisten bisher bekannten Fällen läuft die seltene Krankheit nach einigen Jahren offenbar von selbst aus.

Über den Experten: Prof. Dr. Peter Young ist ärztlicher Direktor und Chefarzt der Neurologie am Medical Park Bad Feilnbach Reithofpark. Der Facharzt für Neurologie verfügt über Zusatzqualifikationen im Bereich Intensiv- und Schlafmedizin. An der Universität Münster hatte er über zehn Jahre eine W2 Professur für klinische Neurologie und Neurogenetik und behandelte dort Patienten mit dem Kleine-Levin-Syndrom. Heute ist er unter anderem Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) und Leiter der Kommission Schlaf der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN).

Verwendete Quellen:

  • Interview mit Hr. Prof. Dr. med. Peter Young.
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