Die Investoren von "Die Höhle der Löwen" waren von dem Nahrungsergänzungsmittel "Veluvia" begeistert. Verbraucherschützer haben es daraufhin untersucht und scharf kritisiert. Die Hersteller wehren sich nun gegen die Anschuldigungen. Der Streit wirft wieder einmal die Frage auf, wie sinnvoll Nährstoffpillen und -pulver tatsächlich sind.

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Bekannt geworden ist das Nahrungsergänzungsmittel "Veluvia" vor allem durch die Vox-Sendung "Die Höhle der Löwen". Gründer Jörn-Marc Vogler konnte dort mehrere Investoren von seinen Produkten überzeugen.

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Das Konzept: Obst und Gemüse - zum Teil in Bio-Qualität - pulverisieren und in Kapseln packen. Der Verbraucher soll so seine tägliche Portion Obst und Gemüse bekommen, dazu auch noch auf "Superfood"-Basis.

Vogler führt sein jugendliches Aussehen zumindest teilweise auf die Kapseln zurück. So sagte er kürzlich der "Bild", dass er seit Januar 2016 alle neun "Veluvia"-Sorten nehme. "Das ist nicht der einzige, aber ein Grund für mein junges Aussehen," erklärt er.

Die Verbraucherzentrale Hamburg (VZHH) hat sich das Produkt angesehen und ausgerechnet, wie viel Gramm von welchem Obst und Gemüse in den Kapseln stecken. Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Obst- und Gemüsemengen nur marginal seien.

So marginal, dass der Werbespruch der Firma "Hast Du heute schon genug Obst und Gemüse gegessen?" blanker Hohn sei.

Das Unternehmen reagierte darauf zwar mit dem Argument, dass es nicht auf das absolute Gewicht ankomme, weil dem Obst und Gemüse bei der Verarbeitung für die Kapseln das Wasser entzogen würde. Die Verbraucherzentrale hatte einen neunzigprozentigen Wasserentzug jedoch bereits in seiner Schäzung berücksichtigt.

Die Menge an Erdbeer- und Brokkolipulver entspreche deshalb immer noch höchstens einem Drittel einer frischen Erdbeere und einem kleinen Einzelröschen Brokkoli.

Die Verbraucherschützer kritisieren zudem, dass das Produkt Zusatzstoffe enthält, obwohl explizit damit geworben werde, komplett ohne auszukommen.

Sie sehen in Voglers Aussagen in dem "Bild"-Interview eine Täuschung der Verbraucher: "Veluvia"-Kapseln würden als eine Art Wundermittel dargestellt, obwohl eine Verjüngungswirkung natürlich nicht nachgewiesen sei.

Hersteller kontern mit Kritik

Die "Veluvia"-Gründer weisen die Kritik der Verbraucherschützer zurück. Sie finden es unsinnig, die Grammzahlen des Pulvers mit den Grammzahlen von Obst und Gemüse in seiner unpulverisierten Form zu vergleichen.

Um Früchte und Gemüse in die Kapseln zu bekommen, werde ihnen in einem Schockfrostverfahren unter Null Grad das Wasser entzogen. Das teilt Geschäftsführerin Beatrice De Francesco unserer Redaktion mit. Dadurch reduziere sich das Gewicht um bis zu 98 Prozent. Daher sind auch die Grammzahlen so gering.

Die Menge des Pulvers sei ohnehin nicht essentiell, es komme auf den Nährstoffgehalt, der darin enthalten ist, an. Bei "Veluvia Green" sind zum Beispiel 20 Milligramm Vitamin C, 60 Milligramm Polyphenole und 20 Milligramm OPC (Proanthocyanidine) angegeben.

"Wären diese Nährstoffe nicht in unseren Produkten enthalten, dürften wir sie nach EU-Recht auch nicht auf der Verpackung abdrucken", so De Francesco. Dass diese Mengen auch tatsächlich in den Pulvern enthalten sind, überprüfe ein von "Veluvia" beauftragtes, akkreditiertes Laboratorium.

Ist der hohe Preis gerechtfertigt?

Mit diesem Argument hat die Verbraucherzentrale wohl gerechnet, denn sie schreibt auf ihrer Webseite: "Selbst wenn man davon ausgeht, dass das Pulver konzentrierter ist als frisches Obst, sind die Mengen in den Kapseln marginal - dafür sind sie mit 118,70 Euro pro 100 Gramm schön teuer."

Dass die Kapseln zu teuer sind, findet "Veluvia"-Geschäftsführerin De Francesco indes nicht. Sie begründet den Preis unter anderem mit dem aufwendigen Produktionsverfahren, der Verwendung hochwertiger Zutaten und mit den Kosten für die Entwicklung des Produktes, die Beratung durch Experten, die Vermarktung, den Vertrieb und das Personal.

Zu dem Vorwurf, "Veluvia"-Produkte seien nicht frei von Zusatzstoffen, obwohl damit geworben werde, erklärt sie, dass die Kapselhülle aus Hydroxypropylmethylcellulose, kurz HPMC, bestehe, was tatsächlich als Lebensmittelzusatzstoff gelte.

Allerdings sei er naturnah und vegan - und die Angabe "frei von Zusatzstoffen" beziehe sich ohnehin auf den Inhalt der Kapsel und nicht auf die Kapsel samt Hülle.

Nur geringe Schutzeffekte durch isolierte Nährstoffe

Bleibt letztlich noch die Frage nach dem "Wirknachweis". Bringen "Veluvia" und andere Nährstoff-Präparate überhaupt etwas - und wenn ja, was?

Sogar die "Veluvia"-Hersteller erklären, dass Nahrungsergänzungsmittel eine gesunde und ausgewogene Ernährung nicht ersetzen können. Das müssen sie allerdings auch, denn laut Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV) ist dieser Hinweis vorgeschrieben.

Ernährungswissenschaftler sind zudem der Meinung, dass Nahrungsergänzungsmittel in den meisten Fällen überflüssig sind.

"Studien haben belegt, dass isoliert aufgenommene Nährstoffe oder sekundäre Pflanzenstoffe keinen oder nur geringe Schutzeffekte aufweisen und sich manchmal sogar nachteilig auf die Gesundheit auswirken können", so die Ökotrophologin Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).

Die DGE hat vor einigen Jahren Studien zur Vitaminversorgung ausgewertet und herausgefunden, dass die meisten Menschen hierzulande genügend Vitamine bekommen.

Dem steht die Aussage von Beatrice De Francesco gegenüber, dass es in Deutschland noch nicht einmal zwei Drittel der Menschen schaffen, mindestens einmal am Tag eine Portion Gemüse zu sich zu nehmen und somit ausreichend Nährstoffe aufzunehmen.

Es gebe Fälle, in denen nichts gegen Nahrungsergänzungsmittel spreche, so Antje Gahl. Dabei geht es aber weniger um gesunde Menschen, die so eingespannt von Job, Familie und Freizeit sind, dass sie einfach nicht dazu kommen etwas Gesundes zu essen.

Sondern zum Beispiel um Menschen mit Lebensmittelunverträglichkeiten oder um Schwangere, denen die Einnahme von zusätzlicher Folsäure und unter Umständen auch Jod empfohlen wird.

Formulierungen zur Wirkung müssen abgesegnet werden

Die Werbesätze, mit denen Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln die Bestandteile ihrer Produkte anpreisen, müssen übrigens von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) abgesegnet werden, die die Aussagen wissenschaftlich prüft.

Erlaubt ist zum Beispiel der Satz "Vitamin C trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei". Nicht akzeptabel wäre wohl so etwas wie "Vitamin C macht zehn Jahre jünger".

Weitere Beispiele für erlaubte Werbesätze finden sich in der EFSA-Claims-Liste. Die Verbraucherzentrale NRW kritisiert in ihrem Dossier "Klartext Nahrungsergänzungsmittel" jedoch, dass viele von Herstellern eingereichte Aussagen noch nicht bewertet worden seien - und die Produkte bis zur Entscheidung weiterhin damit beworben werden dürfen.

Sie wünschen sich außerdem gesetzliche Höchstgrenzen für die Mengen der einzelnen Nährstoffe in den Pillen und Kapseln.

Bei einigen Vitaminen (A, D, E, K) und Spurenelementen (Selen, Fluor) könne eine zu hohe Dosierung schaden.

Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) hat zwar Empfehlungen für Höchstmengen herausgegeben, diese sind aber nicht rechtlich bindend.

Für Vitamin A wären das zum Beispiel 400 Mikrogramm und für Vitamin C 225. Bei zu viel Vitamin A können Kopfschmerzen, starke Müdigkeit oder Übelkeit auftreten, wie Antje Gahl erklärt.

Nahrungsergänzungsmittel gelten als Lebensmittel und müssen deswegen nicht zugelassen werden. Sie werden also - anders als Medikamente - nicht auf Sicherheit, Qualität und Wirksamkeit geprüft.

Angesichts von 6.000 neuen Nahrungsergänzungsmitteln pro Jahr sehen die Kritiker der Pillen, Kapseln und Pulver Nachholbedarf.

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