Krebstherapien werden immer erfolgreicher. Doch ist die Erkrankung überstanden, leiden viele Menschen unter den Spätfolgen der Behandlung mit Chemiecocktails oder Bestrahlung. Kinder trifft es dabei besonders hart.
In Deutschland leben nach Angaben des Zentrums für Krebsregisterdaten mehr als eine Million Menschen, die ihre Krebsdiagnose um mindestens zehn Jahre überlebt haben.
Gesund fühlten sich ehemalige Krebspatienten nach ihrer Erkrankung aber nicht, sagt Caroline Mohr, Sprecherin der Organisation Frauenselbsthilfe nach Krebs, die sich vor 40 Jahren gegründet hat.
Bei der Organisation kommen Krebspatientinnen und seit einigen Jahren auch männliche Patienten bundesweit in Gruppen zusammen, um sich über ihre Erkrankung auszutauschen.
Auch wenn ein Viertel der Mitglieder als krebsfrei gelte, berichteten viele über Spätfolgen: Sie seien weniger leistungsfähig, klagten über Schwindel, Erschöpfung und Empfindungsstörungen in Armen und Beinen, schildert Mohr.
"Wir erkaufen Erfolg mit Nebenwirkungen"
Die Onkologin Georgia Schilling kennt diese Symptome bei Krebspatienten zur Genüge. Die Oberärztin, die an der Asklepios Klinik Altona in Hamburg auch am Tumorzentrum arbeitet, stimmen die Fortschritte in der Krebstherapie erst einmal optimistisch. Trotzdem seien die Behandlungen ein zweischneidiges Schwert.
"Wir erkaufen uns den Erfolg mit Nebenwirkungen", sagt Schilling. Wenn Chemo-, Immuntherapie und Bestrahlung kombiniert würden, komme am Ende ein Cocktail aus Nebenwirkungen zusammen, die die Patienten auch nach der Krebserkrankung nicht loswürden und nachhaltig einschränkten.
Zum Beispiel im Arbeitsalltag: Zwar stünden 60 Prozent der an Krebs erkrankten Menschen nach durchschnittlich 150 Tagen Therapiepause wieder im Berufsleben. "Man weiß aber, dass sehr viele Patienten ihren Job wieder aufgeben, weil sie es eben nicht schaffen", sagt Schilling.
Kinder trifft es besonders hart
Besonders stark treten die Nebenwirkungen bei Kindern auf. "Je jünger der Mensch, desto sensibler ist er zum Beispiel gegenüber Bestrahlung", sagt Peter Kaatsch, Leiter des Deutschen Kinderkrebsregisters an der Universitätsmedizin Mainz.
Die Zahlen des Registers stimmen auf den ersten Blick positiv: Ein Großteil der an Krebs erkrankten Kinder wird demnach mittlerweile geheilt - zehn Jahre nach der Therapie leben noch 83 Prozent der Kinder.
Das Register erfasst Fälle seit 1980 in Westdeutschland und seit 1991 auch für die östlichen Bundesländer.
"Am Deutschen Kinderkrebsregister sind etwa 30.000 dieser Kinder bekannt", sagt Kaatsch. Viele der erfassten Patienten hätten Spätfolgen durch die Therapie.
Kaatsch berichtet von herzschädigenden Medikamenten gegen Leukämie, die bei geheilten Patienten im jungen Erwachsenenalter mitunter sogar eine Herztransplantation nötig machten.
Ein weiteres Beispiel: Ärzte behandelten an Lymphdrüsenkrebs erkrankte Mädchen früher häufig mit Bestrahlungen im Brustbereich - diese würden als erwachsene Frauen dann häufig zur Brustkrebspatientin, erklärt Kaatsch.
Bei Kinderkrebs verzichte man darum mittlerweile wenn möglich auf Bestrahlungen. Ein Bewusstsein für die Spätfolgen gebe es aber erst seit den 2000er-Jahren.
Für die betroffenen Menschen gebe es immer noch zu wenig Beratungsangebote, findet Kaatsch. "Es müsste Nachsprechstunden für erwachsene ehemalige Kinderkrebspatienten geben."
Die Angebote, die es gibt, würden größtenteils von Eltern finanziert - "da sollten die Krankenkassen mit ins Boot geholt werden".
Auch Georgia Schilling sieht "viel zur wenig Aufmerksamkeit" für das Thema und ist überzeugt, dass das richtige Unterstützungsangebot vielen Betroffenen den Weg in ihren neuen Alltag erleichtern könnte. (jwo/dpa)
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