Wer glaubt, dass Menschen mit Behinderungen etwa in Werkstätten lediglich Beschäftigungstherapie leisteten, irrt gewaltig. Vielmehr sind gerade diese Menschen ein wichtiger Teil des Arbeitsmarktes und stellen einen nicht unerheblichen Wirtschaftsfaktor dar.

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Die vielfältigen Talente und Begabungen von Menschen mit Behinderung zeigen sich in dem Moment, in dem man ihnen den Raum dazu lässt, diese zu entfalten und sie in ihrer Entwicklung fördert. Davon profitieren nicht nur die Menschen selbst, in weiterer Folge stellt eine solche Förderung auch eine große Bereicherung für die Gesellschaft dar. Darüber hinaus ist gerade in den letzten Jahren die Arbeitsleistung von behinderten Menschen zum nicht unerheblichen Wirtschaftsfaktor geworden.

Die Stiftung Pfennigparade

Diese Entwicklung erfolgt innerhalb unterschiedlicher Modelle und Konstellationen. Die Münchner Stiftung Pfennigparade - eines der größten Rehabilitationszentren in Deutschland - verfügt etwa über verschiedenste Förderstätten und Betreuungseinrichtungen und bildet parallel dazu behinderte Menschen beruflich aus. In Kooperation mit ihren 14 Tochtergesellschaften werden Arbeitsplätze in den unterschiedlichsten Branchen angeboten. Diese reichen von IT und Technik, Projektmanagement und Dienstleistungen im kaufmännisch-betriebswirtschaftlichen Bereich über Massendatenverwaltung und Dokumentmanagement bis hin zu künstlerischen Tätigkeiten oder handwerklichen Arbeiten.

Der Sektor "Pfennigparade Vor Ort" ist auf die Bereitstellung von qualifiziertem Fachpersonal spezialisiert. Allein in diesem Bereich sind derzeit über 300 behinderte und nicht behinderte Menschen im Rahmen von Werk- und Dienstverträgen beschäftigt. Auch das Thema "Outsourcing" wird stark beworben - mit Erfolg. So übernahm die Pfennigparade 2010 etwa Teile der Rechnungsprüfung für die BMW-Group.

Sowohl gemeinnützige Einrichtungen wie auch an die 400 mittelständische Unternehmen und international wirkende Großkonzerne zählen zu den Kunden der Stiftung, die insgesamt über rund 2.000 Mitarbeiter (Stand: Juni 2011) verfügt. 99,68 Millionen Euro Gesamterlös gibt das Unternehmen bis 2010 an.

Gleiches Recht auf Arbeit

Arbeit schafft Unabhängigkeit, wirkt sinn- und identitätsstiftend und stärkt das Selbstbewusstsein. Wie wichtig allerdings wirklich gute Arbeitsverhältnisse sind, betont die Interessengemeinschaft Lebenshilfe, die in über 140 Werkstätten mehr als 5.000 Menschen in ganz Österreich beschäftigt. Insgesamt schätzt man, dass bundesweit an die 20.000 Menschen mit geistiger Beeinträchtigung in Tages- und Beschäftigungsstrukturen arbeiten. 1.500 Menschen mit Behinderung sind in sogenannten inklusiven Betrieben beschäftigt.

Dass Tätigkeiten in Tagesstrukturen nicht als Erwerbsarbeit gelten, ist ein vehement vorgebrachter Kritikpunkt der Lebenshilfe. Denn damit geht unter anderem einher, dass die betreffenden Personen nicht arbeitslosenversichert sind und kein Entgelt, sondern lediglich ein monatliches Taschengeld in Höhe von gerade einmal 54 bis 65 Euro erhalten - ein Umstand, der nicht zuletzt der UN-Behindertenrechtskonvention widerspricht, die das gleiche Recht auf Arbeit festschreibt.

Die Lebenshilfe betreibt unter vielen anderen ein von der Wirtschaftskammer mit dem Lehrlings-Güteprädikat ausgezeichnetes Ausbildungszentrum in Metallbearbeitung und Lagerlogistik in Rankweil (Vorarlberg). Aber auch der Biobauernhof "Sunnahof Tufers", der in den unterschiedlichsten Betriebsbereichen Arbeits- und Ausbildungsplätze für Menschen mit Behinderung bietet und als Modell für nachhaltige und zukunftsweisende Behindertenarbeit gilt, gehört der österreichischen Interessengemeinschaft an.

Zusammen leben, zusammen arbeiten

Einen eigenen Weg geht die Initiative mit dem programmatischen Namen Conviva - und das äußerst erfolgreich. Conviva ist ein integratives Gastronomieprojekt der Cooparativen Beschützenden Arbeitsstätten e.V. (cba). Dieser Verein ist 1985 aus einer Eltern- und Pädagogikinitiative der Montessori-Schulen entstanden und hat sich zum Ziel gesetzt, Menschen mit Behinderung beruflich zu qualifizieren und zu integrieren.

Die konkrete Idee war es, geistig-, lern- und psychisch behinderten Menschen für reale Löhne sinnvolle Arbeit an einem Dauerarbeitsplatz zu ermöglichen. Zum 25. Jubiläum im Jahr 2010 beschäftigte die cba 176 Mitarbeiter, darunter 100 Menschen mit Behinderung im Alter zwischen 20 und 55 Jahren.

Das funktioniert über drei Integrationsfirmen auf der Basis des gemeinsamen Arbeitens von behinderten und nicht behinderten Menschen. Zu diesen Betrieben zählen das Umweltteam, das Reinigungsarbeiten von Recyclingcontainerplätzen und Wohnanlagen übernimmt, sowie die Reinigungsfirma "Putzblitz", die im Gegensatz zu vielen anderen in der Branche betont, sich keine Dumpinglöhne leisten zu können und zu wollen und mit Stundensätzen von 6 bis 8,50 Euro etwas besser liegt als vergleichbare Unternehmen. Das dritte Standbein ist das bereits erwähnte Projekt Conviva, das unter anderem Restaurant wie Kantine im "Blauen Haus" der Münchner Kammerspiele betreibt. Dazu kommen vier weitere Gastro-Betriebe inklusive eines Cateringunternehmens.

Mit dem "Blauen Haus" hat man sicherlich einen sehr prestigeträchtigen Standort ergattern können, bietet doch einerseits das Theaterrestaurant gehobene Küche, die regionale und internationale Kreationen vereinigt. Andererseits hält man die Kantine am Laufen, die täglich über 300 Mitarbeiter verköstigt. Im "Blauen Haus" arbeiten derzeit 33 Personen, 17 davon mit Behinderung, in der Küche und im Service. Das Feedback ist zahlreich und äußerst positiv.

Bleibt also die Feststellung: Behinderte Menschen zu fairen Arbeitsbedingungen ins Berufsleben zu integrieren, ist für alle Beteiligten ein Gewinn.

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