(cfl) - Prozessauftakt im Hamburger Landgericht: Im Fall "Sexy Cora" hat die behandelnde Narkoseärztin ihre Schuld eingestanden. Sie habe zu spät den Herzstillstand der 23-jährigen Carolin Wosnitza festgestellt. Die Pornodarstellerin war im Januar 2011 nach lebensbedrohlichen Problemen bei einer Brust-OP gestorben.
Über die Risiken der Betäubung bei Schönheits-OPs und über den Fall "Sexy Cora" sprachen wir mit dem plastischen Chirurgen Dr. Bernd Loos, der die Karlsruher Klinik am Stadtgarten leitet.
Herr Dr. Loos, wie sehen Sie den Fall "Sexy Cora"?
Dr. Bernd Loos: Die Patienten müssen bei einer Vollnarkose künstlich beatmet werden. Zur Kontrolle braucht man ein Narkosegerät, das dem Stand der Technik entspricht und das meldet, wenn die Beatmung nicht funktioniert. Damit wird die CO2-Ausatmung gemessen. Wenn kein CO2 zurückkommt, dann bedeutet das, dass die Beatmung nicht richtig funktioniert. Außerdem müssen die Vitalwerte wie Sauerstoffsättigung, Blutdruck oder Herzfrequenz überwacht werden. Im konkreten Fall soll der Alarm der Überwachungsgeräte still geschaltet gewesen sein.
Ich war nicht dabei, aber so wie ich das nachvollziehen kann, hatte die Patientin einen Sauerstoffmangel, der erst aufgefallen ist, als das Herz stehen geblieben ist. Das Gehirn kann nur drei, maximal vier Minuten ohne Sauerstoff auskommen. Durch eine Reanimation haben sie die Herzfunktion wieder aktivieren können, aber da war das Gehirn schon tot.
Was meinen Sie, warum ist die Überwachung der Vitalwerte stumm geschaltet worden?
Dr. Bernd Loos: Das müssen Sie die behandelnden Ärzte fragen. Denkbar wäre, dass das Gerät immer wieder einen Fehlalarm ausgelöst hat und dann die Alarme auf stumm geschaltet wurden. Wenn man ein modernes Überwachungsgerät hat, dann geht das technisch jedoch gar nicht.
"Jeder Arzt steht mit einem Fuß im Gefängnis"
War das eine Reaktion darauf, weil es bei einer Operation sowieso stressig zu geht?
Dr. Bernd Loos: Nein, bei einer Operation geht es nicht stressig zu. Normalerweise ist alles ziemlich entspannt. Wenn Stress im OP ist, dann funktioniert irgendetwas nicht.
Für fahrlässige Tötung droht der betroffenen Narkoseärztin eine langjährige Haftstrafe. Stehen Anästhesisten immer mit einem Fuß im Gefängnis?
Dr. Bernd Loos: Jeder Arzt steht mit einem Fuß im Gefängnis, weil wir ja Körperverletzung begehen. Wir haben zwar die Einwilligung der Patienten, aber wenn man etwas grob fahrlässig macht, dann muss man auch dafür gerade stehen. Das ist meines Erachtens auch richtig so.
Um keinen Fehler zu begehen, muss der Arzt also standardmäßig vor dem Eingriff bestimmte Risiken abklären, oder?
Dr. Bernd Loos: Genau, man muss Voruntersuchungen machen und in meinem Metier ist es wichtig, bei Zweifeln nicht zu operieren. Es muss nach Vorerkrankungen wie etwa Thrombose gefragt und es müssen bestimmte Standards wie eine EKG-Untersuchung eingehalten werden. Der Verzicht auf die Operation kann den Ärzten schwerfallen, weil dann Umsatz verloren geht. Wenn aber die medizinische Notwendigkeit nach dem Geldbeutel gestellt wird, dann wird es schwierig.
"Richtige Wachzustände habe ich noch nicht erlebt."
Kommt es oft vor, dass Patienten trotz Narkose während des medizinischen Eingriffs aufwachen?
Dr. Bernd Loos: Richtige Wachzustände habe ich noch nicht erlebt. Auch in der Universitätsklinik in Erlangen, für die ich vor meiner Selbstständigkeit gearbeitet habe, habe ich das noch nicht mitbekommen. Wenn ein Schlafmittel niedrig dosiert ist, ist es denkbar, dass der Patient aufwacht und sich nicht verständlich machen kann. Um ehrlich zu sein: Dass er sich bewegt, das passiert manchmal. Aber da haben die Patienten so viel Schmerzmittel und so viel Schlafmittel, dass sie das nicht merken.
Auf welche Standards und Qualitätsmerkmale sollte ich als Patient vor einer Schönheitsoperation achten?
Dr. Bernd Loos: Der Operateur sollte natürlich ein Spezialist sein. Es sollte ein plastischer Chirurg sein oder ein HNO-Arzt mit der Zusatzbezeichnung "plastische Operationen". Es sollte außerdem eine Spezialklinik sein, die geführt wird wie ein normales Krankenhaus. Es sollte zudem ein Narkosearzt bei jedem Eingriff dabei sein mit der entsprechenden Ausrüstung.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.