Haare zwirbeln, am Kopf kratzen, Fingernägel kauen: Nahezu jeder hat irgendwelche Spleens oder Marotten. Viele kann man mit einfachen Tricks wieder loswerden – doch manchmal lohnt es sich, genauer hinzuschauen.

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Geteilte Beklopptheit ist halbe Beklopptheit. So das Motto der Internetseite Spleen24 (spleen24.tumblr.com). Jeder kann dort seine ganz persönlich Marotten und Angewohnheiten posten und sehen, ob es tatsächlich Menschen gibt, die einen ähnlichen Spleen haben – alles anonym versteht sich. "Wenn ich allein bin und mir langweilig ist bzw. ich in Gedanken schwelge, muss ich ständig Teile meiner Körperbehaarung verzwirbeln", schreibt zum Beispiel ein User. Und der Zähler zeigt: Sieben anderen geht es genauso.

Nahezu jeder Mensch hat solche Angewohnheiten. Viele davon sind weit verbreitet, beispielsweise Nägelkauen oder Nasebohren. Andere Verhaltensweisen sind individuell antrainiert. Sie alle haben eine bestimmte Funktion für unsere Psyche: Spleens können zum Beispiel eine Methode zur Stressbewältigung sein, Ausdruck von Nervosität oder schlichtweg die Überbrückung von Langeweile. In solchen Fällen gibt es eine Reihe von Tricks, wie man die eigene Psyche überlisten und die lästigen Marotten wieder loswerden kann. Manchmal können solche "Tics" aber auch zu einer handfesten Zwangsstörung werden – dann ist professionelle Hilfe gefragt. Wer ein Verhalten ändern will, sollte sich daher zunächst einmal selbstreflexiv auf Ursachenforschung begeben. "Zum Beispiel sollte man sich fragen: Wie ist das Verhalten entstanden – und zu welchem Zweck?", schlägt Verhaltenspsychologe Dr. Nicolas Hoffmann vor.

Suchen, nachschauen, prüfen: Unsicherheit führt zu Spleens

Es gibt Frauen, die wühlen ständig nervös in ihrer Handtasche – weil sie denken, sie hätten den Schlüssel vergessen. Oder Menschen, die am Abend dreimal kontrollieren, ob der Wecker für den nächsten Morgen tatsächlich korrekt gestellt ist. Und es gibt Leute, die alle paar Minuten auf ihr Smartphone schauen, ob eine neue Nachricht eingegangen ist.

Kontrollieren, nachschauen, prüfen: Wer dies häufiger als nötig tut, hat einen Spleen, dessen Ursache womöglich in einer persönlichen Unsicherheit liegt. Deswegen tun sie häufig Dinge, bei denen sie das Gefühl haben, die Kontrolle zu übernehmen – wie zum Beispiel den Wecker stellen. Experten raten hier, sich mit den unterbewussten Unsicherheiten auseinanderzusetzen und sich selbst zur Entspannung zu ermahnen.

Räuspern, Blinzeln, Zucken: "Tics" im Kindesalter verschwinden meist wieder

Oft bezeichnen wir Marotten oder Spleens als "Tics", tatsächlich beschreiben Tics aber ein medizinisches Krankheitsbild. Das können Äußerungen motorischer Art sein, wie beispielsweise Stirnrunzeln oder Zucken mit den Augenlidern, aber auch vokale Tics wie Hüsteln, Räuspern oder Grunzen. Bleiben die Tics über einen längeren Zeitraum, spricht man von einer Tic-Störung. Tatsächlich haben viele Menschen vor allem im Kindesalter zeitweise eine Tic-Störung – doch die verschwindet meist von selbst wieder.

Werden diese Tics als belastend empfunden, gibt es verschiedene Möglichkeiten, um sie wieder loszuwerden – von Entspannungstechniken bis hin zum gezielten Training. Tritt ein Tic jedoch plötzlich oder über einen langen Zeitraum auf, sollte man zur Sicherheit einen Arzt aufsuchen, da auch eine tieferliegende Erkrankung nicht ausgeschlossen werden kann.

Kratzen, Kauen, Zupfen: Übersprungshandlung bei Stress

Ist ein Tier zwischen zwei möglichen Handlungen gefangen, beispielsweise Kampf oder Flucht, dann greift es oft unbewusst zu einer sogenannten Übersprungshandlung: Es putzt sich oder fängt an zu fressen. Der Sinn dahinter: Das überforderte Gehirn begibt sich durch das gewohnte und intuitiv ausgeführte Verhalten zunächst auf sicheres Terrain und gewinnt Zeit. Ein ähnliches Muster legen auch viele Menschen an den Tag, wenn sie sich in einem Spannungszustand befinden. Wer gestresst ist, kratzt sich am Kopf, kaut an den Fingernägeln oder zupft an den Haaren herum – die Palette der Übersprungshandlungen ist breit gefächert.

Zunächst können simple Methoden dazu führen, die Marotten zu unterbinden: (Farbloser) Nagellack mit bitterem Geschmack gebietet dem Nägelkauen Einhalt, eine neue Frisur kann das Spielen mit den Haaren verhindern. Um den Spleen längerfristig loszuwerden, sollten aber auch gezielte Techniken zur Stressbewältigung erlernt werden, beispielsweise Autogenes Training.

Wenn Marotten zum Zwang werden

Vorsicht ist jedoch geboten, wenn kleine Marotten zum Zwang werden. Nasebohren beispielsweise ist in Deutschland weit verbreitet, die Gründe dafür reichen schlichtweg von der Beseitigung eines störenden Popels bis hin zur Langeweile. Wenn jedoch durch ständiges Bohren und Zupfen in der Nase zu Verletzungen und Blutungen führt, sollte man professionelle Hilfe eines Psychologen in Anspruch nehmen.

Gleiches gilt beispielsweise für das Kauen der Fingernägel: Wird es zum zwanghaften Verhalten, sprechen Experten von Onychophagie. Ständiges Kratzen oder Quetschen der Haut wird als "Skin Picking Disorder" bezeichnet, exzessives Ausreißen der Körperbehaarung nennt man Trichotillomanie. Diese Selbstverletzungen haben oft einen tiefer liegenden Grund und sollten in einer Therapie näher beleuchtet werden.

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