Vergisst der Partner den Valentinstag, gibt’s richtig Stress. Vergisst ein Freund den Geburtstag? Halb so wild. Während wir in Liebesdingen empfindlich reagieren, verhalten wir uns Freunden gegenüber oft erstaunlich tolerant. Und verdrängen derweil, dass manche Freundschaften gar keine sind.
Beziehungen kommen und gehen, Freundschaften hat man fürs Leben. Diesen Satz hat jeder von uns entweder schon mal gesagt oder gehört. Gewiss, nicht jeder Mensch braucht einen Partner, um glücklich zu sein. Dennoch ist dieser Spruch irgendwie merkwürdig, denn er suggeriert: Partnerschaften sind flüchtiger und weniger wert als Freundschaften.
Keine Angst, verlassen zu werden
Dabei sind viele Freundschaften (oder das, was viele Menschen als solche bezeichnen) mindestens genauso unstet; lose Bindungen, die zu nichts verpflichten: keine Ausschließlichkeit, keine Valentinsgeschenke, keine Familienfeste. Und obgleich wir alle so tun, als seien uns Freundschaften heilig, legen wir uns dafür oft nicht so ins Zeug, wie wir es für den Partner tun. Echte Freunde nehmen uns so wie wir sind – bedingungslos und ohne dass wir uns anstrengen müssen, dem anderen zu gefallen.
Freunden gegenüber dürfen wir uns gehen lassen und erwarten vorbehaltlose Akzeptanz ganz gleich, ob wir schlecht gelaunt, frisiert, gekleidet sind. Ohne Scham, ohne Konsequenzen, ohne Druck, ohne Selbstzweifel. Und ohne Angst, verlassen zu werden.
Indes können Freundschaften ebenso zerbrechen wie Partnerschaften, wenn man sie schleifen lässt oder sie für selbstverständlich ansieht. Während Beziehungen aber oft dramatisch und mit Herzschmerz zu Ende gehen, schwinden Freundschaften eher schleichend dahin, kühlen ab, werden aufgewärmt, kommen und gehen – je nach Lebensphase und Umstand.
Quantität statt Qualität
Sandkastenfreundschaften, die ein Leben überdauern, sind zunehmend selten geworden – genau wie Langzeitbeziehungen. Für immer? Nicht wirklich. Wir sind viel zu beschäftigt, den Schmetterlingen im Bauch hinterherzujagen. Aber das ist eine andere Geschichte. Oder vielleicht nicht? Denn wenn wir aufhören, dem nicht enden-wollenden Verliebtsein nachzurennen, stellen wir vielleicht fest, dass Freundschaft auch in einer Partnerschaft das Wichtigste ist.
Stattdessen pflegen die meisten Menschen lieber viele Freundschaften gleichzeitig. Es scheint beinahe, als wäre Quantität wichtiger als Qualität. Doch eigentlich sollte genau das Gegenteil der Fall sein. Viele Psychologen sind überzeugt, dass Menschen zu maximal drei tiefen Freundschaften fähig sind. Demnach sollte man seine Freunde eigentlich mit derselben Sorgfalt wählen wie seine Lebenspartner. Denn eine echte Freundschaft ist heute eine mindestens genauso elementare Beziehung im Leben wie die Partnerschaft.
Insbesondere, da zunehmend mehr Menschen Singles sind. Laut Statistischem Bundesamt leben rund 41 Prozent der Deutschen allein, Tendenz steigend. In Großstädten ist der Anteil jetzt schon viel höher – und Freunde gewähren die emotionale Unterstützung, die man anderenfalls vom Partner bekäme. Das steigert jedoch auch die Verletzungsgefahr und mindert unsere Fähigkeit, Freundschaften richtig einzuschätzen.
Einseitige Gefühle
Aus Selbstschutz oder Eitelkeit verdrängen wir, was ist, aber nicht sein darf: Etwa die Hälfte unserer Freundschaften beruhen nicht auf Gegenseitigkeit – das fanden Forscher des Massachusetts Institute of Technology und der Universität Tel Aviv heraus. In anderen Worten: Jeder zweite unserer vermeintlichen Freunde will vermutlich gar nicht mit uns befreundet sein.
Nur wer gesteht sich selbst schon freiwillig ein, dass jemand, den man gerne mag, nicht mit einem befreundet sein will?! Dabei sollten wir in Freundschaften ähnlich strenge Maßstäbe ansetzen wie in Partnerschaften. Denn wie man einander behandelt, ist auch in Freundschaften wichtiger, als wie sehr man einander mag.
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