Die Schwierigkeiten in der Beziehung nagen an einem, doch einen Schlussstrich zu ziehen, kommt nicht infrage. Manche Paare machen dann eine Beziehungspause. Die kann der Entwicklung der Partnerschaft auch nutzen – vorausgesetzt, ein Paar hält sich an einige Regeln, sagt Beziehungspsychologe Wieland Stolzenburg im Interview.

Ein Interview

Herr Stolzenburg, wo liegt der Unterschied zwischen einer Beziehungspause und Schlussmachen und wieder zusammenkommen?

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Wieland Stolzenburg: Wenn man Schluss macht, ist beiden klar: Sie sind getrennt, jeder ist frei. Für den einen ist diese Trennung meist ungewollt. Doch in diesem Fall ist ganz klar ein Schlussstrich unter die Beziehung gezogen worden. Bei der Beziehungspause sprechen beide einvernehmlich darüber, dass sie eine Pause machen und im besten Fall danach zusammen weitermachen. Da steht ein Ziel im Fokus: einen Weg finden, um wieder eine glückliche, harmonische Beziehung zu führen.

Weshalb entscheiden sich Paare überhaupt für eine Beziehungspause?

Wie ich es erlebt habe, passiert das oft aus der Not heraus, weil man merkt, dass alles andere das Paar nicht weitergebracht hat und es immer wieder mit den gleichen Themen zu kämpfen hat. Eine Beziehungspause ist für viele die bessere Alternative zur Trennung, weil sie dann noch das Gefühl haben, noch mal etwas zu probieren und der Beziehung noch eine Chance zu geben.

Ist eine Beziehungspause dann nicht eher ein langsames Schlussmachen?

Das kann sein. Es gibt aber Paare, bei denen eine Beziehungspause wunderbar funktioniert, weil sie sich in der Zeit mit sich selbst befassen, reflektieren und merken, dass der andere ihnen vielleicht fehlt. Da spielen viele Faktoren eine Rolle. Aber bei einer Beziehungspause müssen beide erst einmal verhandeln, was das eigentlich bedeutet, welche Regeln gelten sollen.

So wie Sie das beschreiben, können Beziehungspausen also durchaus sinnvoll sein…

Da muss man unterscheiden. Eine Beziehungspause ergibt nicht für alle Paare Sinn, sondern für einige. Nicht sinnvoll ist sie, wenn das Paar vorher nicht andere Möglichkeiten und Strategien ausprobiert hat. Zum Beispiel mit einer Paartherapie oder dass man mal gemeinsam einen Beziehungsratgeber gelesen hat oder die sogenannten Zwiegespräche führt. Dass die Partner eben wirklich versucht haben, den anderen zu verstehen und Lösungen zu finden. Wenn das alles nicht vorher passiert ist, wäre eine Beziehungspause in meinen Augen zu verfrüht, weil man sinnvollere Möglichkeiten, die Beziehung zu verbessern, nicht genutzt hat. Und auch die Rahmenbedingungen spielen eine Rolle: Wer in zwei Haushalten lebt, hat es leichter als ein Paar mit Haus und drei Kindern.

Gehen wir davon aus, ein Paar entscheidet sich für eine Beziehungspause. Sollte es dann Regeln festlegen?

Ja, definitiv. Diese Beziehungspause sorgt ja erst einmal bei beiden für eine große Unsicherheit. Sie wissen nicht: Wie entwickeln sich meine Gefühle dem Partner gegenüber? Und zum anderen wissen sie nicht: Möchte sich mein Partner am Ende der Beziehungspause vielleicht trennen? Das ist in gewisser Weise auch eine emotionale Ohnmacht, weil etwas passiert, das sie nicht kontrollieren können. Und deswegen braucht dieses ganze Experiment, wie man es auch nennen kann, unbedingt Regeln. Es gibt eine Beziehungspause für Paare, die weiterhin in einem Haushalt leben, aber sich auf keinen Sex, kein Kuscheln und kein Küssen einigen. Es gibt auch Beziehungspausen, bei denen einer auszieht.

Welche Fragen müssen Paare vor der Beziehungspause klären?

Zuallererst: Was vermeiden wir, wenn wir jetzt eine Pause einlegen? Wollen wir vielleicht bloß nicht über eine Trennung sprechen? Eine Beziehungspause sollte ganz klar keine Vermeidungsstrategie sein. Denn Angst ist ein schlechter Ratgeber.

Und wenn klar ist, dass eine Beziehungspause keine Vermeidungsstrategie ist und man sich dafür entscheidet?

Wenn man räumlich auseinandergeht, sind diese Fragen wichtig: Wie lange möchten wir die Pause? Wie viel Kontakt haben wir? Wann sehen wir uns wieder? Möchten wir eine offene Beziehung, sodass jeder auch mit anderen Menschen intim werden darf, oder nicht? Sex mit anderen in der Pause ist nur dann sinnvoll, wenn beide 100-prozentig dahinterstehen. Eine Beziehungspause sollte kein Freifahrtschein zum Betrügen sein. Und ganz wichtig ist auch der Austausch darüber, was nach der Beziehungspause passieren soll.

Inwiefern?

Paare sollten sich damit befassen, was die möglichen Konsequenzen sind. Was könnte passieren? Dann bekommen beide eine bessere Vorstellung und können miteinander besprechen, was sie bei welchem Ergebnis machen möchten. Besonders Paare mit Kindern, einer gemeinsamen Wohnung oder einer gemeinsamen Firma sollten sich vorher schon überlegen, was passiert, wenn einer zum Schluss kommt, dass es für ihn nicht weitergeht. Man weiß nicht, welche der Optionen Realität wird, aber man sollte alle schon mal auf den Tisch legen und offen und ehrlich darüber sprechen.

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Wie lange sollte eine Beziehungspause denn dauern?

Es gibt Paare, die machen das über sechs Monate, haben aber alle zwei Wochen Kontakt für ein Gespräch. Aber in dem Fall, dass das Paar keinen Kontakt hat, sollten es eher ein paar Wochen sein, vielleicht bis zu zwei Monate.

Wie sollten Paare wieder aufeinander zugehen, wenn die Pause vorbei ist?

Wichtig ist, dass man sich trifft und jeder erzählt, wie es ihm geht, was passiert ist, wo er steht und ob es jetzt mehr Klarheit gibt. Denn genau darum geht es: Mehr Klarheit darüber zu gewinnen, wie sich die Beziehung weiterentwickeln kann und unter welchen Voraussetzungen.

Wir haben jetzt besprochen, was Paare vor der Pause abklären und welche Fragen sie danach besprechen sollten. Was sollte in der Beziehungspause selbst passieren?

Man sollte sich nicht nur ablenken, indem man viel unterwegs ist und andere Leute trifft. Stattdessen sollte man eine gute Balance finden zwischen Unternehmungen, die man vielleicht mit dem Partner zusammen nicht machen konnte und die sich jetzt in die Tat umsetzen lassen, und Zeit, um sich mit sich und der Beziehung zu beschäftigen. In den ersten Tagen ist es empfehlenswert, wirklich keinen Kontakt zu haben. Denn dadurch bekommt man einen neuen Blick auf die Beziehung. Man sollte sich grundlegende Fragen stellen: Was wünsche ich mir von meinem Partner und was ist meine eigene Verantwortung? Was fehlt mir in der Beziehung? Was fehlt meinem Partner? Wir haben in Beziehungen immer die Tendenz, dass wir die Ursachen und Fehler bei unserem Partner sehen und auf dem eigenen Auge etwas blind sind, welche Themen und Herausforderungen wir in die Beziehung bringen. Und daher sollte man sich fragen, welchen Anteil man an den Schwierigkeiten in der Beziehung hat und ob man bereit dazu ist, an diesem Anteil zu arbeiten.

Würden Sie empfehlen, die Beziehungspause auch nach außen zu kommunizieren?

Es ist immer gut, den engen Freunden zu erzählen, was gerade im eigenen Leben passiert. Vor allem, wenn Paare einen großen gemeinsamen Freundeskreis haben, sollte man das offen ansprechen. Ich würde den Freunden erklären, warum man das macht und was man sich davon erwartet und auch, was man von den gemeinsamen Freunden erwartet. Dadurch nimmt man den Druck heraus.

Können Sie denn eine Einschätzung geben: Klappt eine Beziehungspause, oder ist das eher der Anfang vom Ende?

Der Anfang vom Ende ist es nicht. Die Verschlechterung der Beziehung passiert ja schon vorher – oft über Monate oder Jahre. Man macht eine Beziehungspause nur, wenn beide denken: Es ist fast nicht mehr aushaltbar für uns beide. Die Ursache des Konflikts fängt schon viel früher an. Und genau das ist der Knackpunkt: Ist die Pause nur dazu da, den Kontakt abzubrechen und dem Konflikt aus dem Weg zu gehen? Oder nutzen beide die Pause, um sich selbst und die eigenen Bedürfnisse besser kennenzulernen? Entscheidend ist, die Konflikte anzupacken und sie zu verstehen – denn nur dann lassen sie sich auch lösen.

Angenommen, ein Paar hat all Ihre Tipps befolgt und will es weiter probieren. Wie geht es dann weiter?

Paare sollten ihre Erkenntnisse austauschen und darüber sprechen, was man sich wünscht. Wichtig sind die Fragen: Was muss auf meiner Seite passieren, damit unsere Beziehung wieder leichter und schöner wird? Und was muss auf deiner Seite passieren und wie kommen wir dahin? Es geht darum, Strategien zu finden, um die Beziehung nachhaltig zu verändern. Dabei können sich Paare auch externe Unterstützung, etwa durch eine Paartherapie, holen.

Und was, wenn es nach einem Jahr wieder nicht gut läuft? Wie oft kann man Pausen einlegen?

Wenn ein Paar das Gefühl hat, alles probiert zu haben und jede Möglichkeit genutzt zu haben und es dennoch wieder zu den gleichen Konflikten und Disharmonie kommt, dann ist natürlich die Frage: Was erwarten wir uns von der zweiten Beziehungspause, wenn es beim ersten Mal schon nicht funktioniert hat? Wie realistisch ist es, dass es beim zweiten oder dritten Mal anders wird? Wenn nach einer Pause andere Themen aufkommen, weil die Lebenssituation eine neue ist, könnte die Beziehungspause als Strategie vielleicht wieder helfen.

Gibt es dazu Alternativen?

Wenn ein Paar der Meinung ist, der Abstand in der Beziehungspause hat der Beziehung gutgetan, gibt es auch andere Möglichkeiten etwas zu verändern, ohne gleich eine weitere Pause zu starten. Vielleicht hat einer der Partner zu wenig Freiräume, zu wenig Zeit für sich oder seine Hobbys. Die kann man sich nehmen, ohne Beziehungspause. Anstatt alle sechs Wochen des Jahres den Urlaub mit dem Partner gemeinsam zu verbringen, kann man auch einige Zeit davon mit Freunden verreisen. Man kann kleine Schritte für Freiräume und Autonomie in die Beziehung einbauen, ohne gleich eine Pause machen zu müssen.

Über den Experten: Wieland Stolzenburg ist Beziehungspsychologe und begleitet Menschen in seiner Münchner Praxis zu allen Beziehungsthemen, beispielsweise bei Krisen, Trennungen, Verlust- oder Bindungsängsten. Er hat mehrere Bücher geschrieben und bietet Onlinekurse zu verschiedenen psychologischen Themen an.
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