Gerade in langjährigen Beziehungen tun sich Menschen mit einer Trennung besonders schwer. Einige suchen dann Rat bei Trennungscoaches wie Torsten Geiling.
Herr Geiling, zu Ihnen kommen Menschen, die unsicher sind, ob sie sich von ihrem Partner trennen sollen. Wenn man sich fragt, ob man sich trennen soll - ist die Entscheidung dann nicht schon längst gefallen?
Torsten Geiling: Bei vielen meiner Klienten ist das tatsächlich der Fall. Ich bezeichne mich zwar als Trennungscoach, aber die Menschen, die zu mir kommen, müssen sich nicht unbedingt trennen. Aber wenn ich auf die letzten Jahre zurückblicke, würde ich sagen, dass die Trennungsquote bei etwa 90 Prozent liegt.
Und die anderen zehn Prozent?
Manche bringen es nicht übers Herz, ihren Partner zu verletzen und versuchen es deshalb noch einmal mit einer Paartherapie. Und es gibt auch Menschen, die versuchen, ihren Partner dazu zu bringen, sich von ihnen zu trennen.
Wie funktioniert das?
Sie drängen beispielsweise den Partner zu einer Paartherapie und hoffen, dass der Therapeut zur Trennung rät. Dann gibt es auch Personen, die sich mies benehmen, um den Partner zur Trennung zu bewegen.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Ein Klient hat mir erzählt, dass er schon mehrmals absichtlich den Handy-Chat mit seiner neuen Freundin offen gelassen hat, in der Hoffnung, dass seine Frau dann die Beziehung beendet.
Sind diese Strategien erfolgreich?
Nicht unbedingt. Viele sitzen es auch aus und trennen sich nicht. Es gibt auch Menschen, die ihren Partner nicht verlieren wollen und ihm deshalb Angebote machen, mit denen sie sich selbst verleugnen. Zum Beispiel eine Ehefrau, die ihrem Mann vorschlägt, seine Freundin für einen Dreier mitzubringen.
Lesen Sie auch
Unterscheiden sich Männer und Frauen im Entscheidungsprozess bei einer Trennung? Gehen sie unterschiedlich damit um?
Ja, Frauen brauchen oft länger, um an den Punkt zu kommen, an dem sie sich entscheiden, der Beziehung keine Chance mehr zu geben und sich zu trennen. Wenn sie diesen Punkt erreicht haben, ziehen sie die Trennung aber zu 99 Prozent konsequent durch.
Und die Männer?
Bei den Männern ist es oft so, dass sie zu mir kommen, wenn sie unglücklich sind und noch nach Lösungen suchen wollen. Viele Männer haben zu diesem Zeitpunkt schon eine Affäre oder eine Freundin gehabt. Männer brauchen meiner Erfahrung nach jemanden, wo sie hinspringen können, um das Gefühl zu haben, dass sie nach der Trennung nicht allein sind und dass sie okay sind, wie sie sind. Mit einer neuen Freundin trauen sie sich eher zu gehen. Frauen brauchen tendenziell niemanden Neues, um sich zu trennen.
Und was raten Sie Menschen, die sich unsicher sind, ob sie sich trennen sollen?
Ich versuche meine Klienten dort abzuholen, wo sie stehen, und zu klären, ob der angegebene Grund wirklich der Kern des Problems ist. Und zweitens betone ich immer wieder, dass man seinen Partner nicht ändern kann. Wenn er oder sie es nicht will, wird er oder sie sich auch nicht ändern. Man muss also bei sich selbst anfangen.
Was bedeutet das konkret?
Man sollte sich die Fragen stellen: Möchte ich mich ändern? Möchte ich mich noch einmal auf meinen Partner einlassen? Möchte ich dieser Beziehung noch eine Chance geben? Dann liegt es erst mal an mir selbst, dass ich zum Beispiel eine Paartherapie initiiere. Oder dass man mit seinem Partner offen über seine Wünsche und Sehnsüchte spricht, um wieder eine ehrliche Beziehung aufzubauen.
Und dann?
Wenn man das nicht will oder keine Hoffnung mehr hat, dass sich etwas ändert, sollte man die Entscheidung treffen, die Beziehung zu beenden.
Über den Gesprächspartner
- Torsten Geiling ist Kommunikationswissenschaftler und systemischer Coach. Er berät und begleitet Menschen, die sich trennen wollen, vor, während und nach einer Trennung und gibt Seminare zum Thema. Sein Trennungsratgeber trägt den Titel "Ich will mich trennen".
Verwendete Quellen
- Telefoninterview mit Torsten Geiling
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.