München/Berlin - Manch einer mag die Börse als Kasino bezeichnen. Wäre es da nicht schön, wenn man genau wüsste, welche Merkmale eines Unternehmens oder einer Aktie Erfolg versprechen?

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"Wissenschaftler beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit der Frage, was wirklich systematisch einen Einfluss auf Risiko und Rendite bei Wertpapieren hat", sagt Gerd Kommer, Investmentbanker und Buchautor.

Und die Forschung hat tatsächlich einige Faktoren gefunden, die laut Statistik eine höhere Rendite versprechen. Anleger können sich das zunutze machen, wenn sie ihre Strategie darauf ausrichten.

Ein grundsätzlicher Rat bei der Geldanlage lautet häufig: breit streuen - zum Beispiel mit einem Indexfonds, der den MSCI World nachbildet. So investiert man mit nur einem Produkt in den weltweiten Aktienmarkt.

Wer einer Faktor-Strategie folgt, geht gezielter vor und konzentriert sich auf ausgewählte Unternehmen, die bestimmte Kriterien erfüllen. Die Hoffnung: Mit solchen Faktor-basierten Investitionen soll die Rendite höher ausfallen als im breiten Markt. Die wichtigsten Faktor-Strategien, auch bekannt unter dem Namen Smart-Beta-Strategien, sind folgende:

Value-Strategie: Anleger investieren gezielt in Unternehmen, die besonders günstig bewertet sind. Dafür setzen sie zum Beispiel den Aktienkurs in ein Verhältnis zum Gewinn des Unternehmens.

• Die Small Cap-Strategie setzt auf kleine börsennotierte Unternehmen, weil die in der Vergangenheit oft besser abschnitten als größere Firmen.

• Bei Momentum-Aktien hofft man darauf, dass sich ein positiver Trend der vergangenen Monate noch weiter fortsetzt.

• Viele Investoren folgen der Dividenden-Strategie. Dafür suchen sie gezielt Aktien aus, die eine hohe Ausschüttungsrendite versprechen.

• Bei der Quality-Strategie geht es darum, Unternehmen zu finden, die besondere Qualitätsmerkmale aufzeigen. Dazu zählen etwa die Rentabilität oder der Verschuldungsgrad.

• Wer auf die Low Volatility-Strategie setzt, erwartet, dass Aktien, die besonders wenig im Wert schwanken, mehr Sicherheit versprechen.

Ob Faktor-Strategien funktionieren, ist immer wieder wissenschaftlich untersucht worden. Zum Beispiel hat ein Forschungsteam der Erasmus Universität Rotterdam einige Strategien über einen Zeitraum von bis zu 200 Jahren zurückgerechnet. Dabei haben die Wissenschaftler festgestellt, dass verschiedenste Faktoren über einen langen Zeitraum im Durchschnitt eine Überrendite ermöglichen - also eine höhere Rendite als die des Vergleichsmarkts.

Strategien erfordern langen Anlagehorizont

"Die Rendite einer Faktor-Strategie ist aber nicht über jeden Zeitraum besser als der Markt", sagt Max Schmutzer, Anlageexperte der Stiftung Warentest. Wie lange Anleger durchhalten müssen, um mit ihrer Strategie erfolgreich zu sein, könne niemand vorhersagen.

Die Stiftung Warentest hat sich Faktorprämien in den vergangenen 20 Jahren angeschaut. Wer in diesem Zeitraum zum Beispiel auf Value-Aktien gesetzt hat, schaute in die Röhre. Die Strategie schnitt leicht schlechter ab als der Markt. Wer also schlicht in den MSCI World investiert hat, strich eine höhere Rendite ein. Über 200 Jahre schlug sich Value dagegen besser, zeigt die niederländische Studie. Da lag die Überrendite bei mehr als zwei Prozent. Am besten präsentierte sich in beiden Untersuchungen die Momentum-Strategie.

"Langfristig liegt man mit so einer Strategie vorne. Viele Menschen können aber mit dem Risiko nicht umgehen, dass der Faktor zeitweise schlechter rentiert als der Markt", sagt Gerd Kommer. "Das muss man verdauen können." Factor Investing eignet sich daher nur für Anleger, die langfristig ihr Geld investieren wollen und in schlechten Phasen nicht so schnell kalte Füße bekommen und alles umstellen. "Außerdem muss man sich mit den Faktoren auseinandersetzen. Nur wer die Theorie dahinter zumindest in Grundzügen versteht, sollte sein Geld so investieren", so der Investmentbanker.

Allerdings bedeutet das nicht, dass Kleinanleger jetzt anfangen sollen, einzelne Unternehmen herauszupicken. "Die Faktoren sind ein rein statistisches Phänomen, deshalb funktionieren sie nicht für Einzelaktien", warnt Kommer. Es gilt also, sein Geld in viele Unternehmen gleichzeitig zu stecken, die die Kriterien erfüllen. Privatanleger können zum Beispiel in Fonds, am besten ETF, investieren, die einer Faktor-Strategie folgen.

Faktor-ETF haben in der Regel höhere Gebühren

Das Angebot an sogenannten Faktor- oder Smart-Beta-ETF wird immer größer. "Die investieren in eine Auswahl der Titel, die in größeren Indizes stecken. Das Anlageuniversum wird automatisch eingeteilt nach festen Regeln", erklärt Schmutzer. So umfasst der Momentum Index des MSCI World zum Beispiel die 30 Prozent der Unternehmen des Vergleichsindizes, die zuletzt die beste Performance hingelegt haben.

Faktor-ETF haben etwas höhere Gebühren als solche ohne Strategie. Anleger müssen laut Schmutzer mit Verwaltungskosten zwischen 0,5 und 0,8 Prozent rechnen. Das sind Kosten, die sie mit einer höheren Rendite erstmal wieder reinholen müssen.

Die Stiftung Warentest empfiehlt Smart-Beta-Fonds nur als Beimischung zu einem breit streuenden Indexfonds. "Anleger können auch verschiedene Faktor-ETF miteinander kombinieren. Der Anteil eines einzelnen dieser ETF sollte bei höchstens zehn Prozent liegen", sagt Schmutzer.

Gerd Kommer plädiert dagegen dafür, sich zu entscheiden: Entweder folgen Anleger dem Markt neutral, ohne bestimmte Schwerpunkte. Oder sie setzen auf Faktor-ETF. Schließlich kaufe man beim Faktor-Investing immer nur eine Untermenge etwa vom MSCI World. "Wenn man beides mischt, hat man teilweise zweimal das gleiche. Das verwässert den Vorteil durch den Faktor", so Kommer. Er rät, mehrere Strategien zu kombinieren, um die Anlage zu diversifizieren.

Wer es bequem mag, kann auch einen Multi-Faktor-ETF kaufen, der auf verschiedene Strategien gleichzeitig setzt.

© dpa-infocom, dpa:221011-99-87087/4  © dpa

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