Eine Joggerin, die am helllichten Tag im Park von Männern belästigt wurde, hat zum Schutz vor solchen Vorfällen eine Sporthose mit einer Sperre und einem Alarmsystem entwickelt. Schon länger gibt es Handalarmgeräte und Pfefferspray, mit denen Frauen sich wehren können. Doch sind sie wirklich eine Hilfe? Nicht immer und nicht für jeden, sagen Experten.

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Die Angst, auf dem Nachhauseweg überfallen zu werden, kennen wohl viele Frauen. Und jede hat bestimmt schon mal drüber nachgedacht, sich mit einem Alarmgerät, mit Pfefferspray oder einer Trillerpfeife auszustatten, um den Täter im Fall der Fälle zu erschrecken, zu vertreiben oder andere damit auf sich aufmerksam zu machen.

Neue Erfindung: Safe Shorts

Seit etwa einem Jahr gibt es für Sportlerinnen eine Erfindung: die sogenannten Safe Shorts. Sie haben einen Alarm, sind so geschnürt, dass man sie nicht herunterreißen kann und aus einem Stoff, den man nicht zerschneiden kann.

Die Erfinderin Sandra Seilz sagt, sie habe sich beim Joggen nicht mehr sicher gefühlt, und die Shorts hätten ihr das Gefühl der Sicherheit zurückgegeben.

Um dieses Gefühl der Sicherheit scheint es vor allem zu gehen. Denn obwohl jeder einzelne Fall schlimm ist und Vorkommnisse wie die massenhaften Übergriffe in Köln in der Silvesternacht 2015/2016 vielleicht ein anderes Bild vermitteln, ist die Zahl der Fälle eher gering.

"Gewaltsexualdelikte stellen statistisch gesehen ein Potenzial dar, das zur Vorsicht und Aufmerksamkeit mahnt, aber keine überhöhte Einschränkung der Bewegungsfreiheit rechtfertigt", sagte etwa der Leiter des Kommissariats für Gewaltsexualdelikte durch Fremdtäter beim Landeskriminalamt Berlin, Thomas Behle, im Gespräch mit unserer Redaktion.

Will heißen: Es gibt keinen Grund für Frauen, nicht mehr auszugehen oder sich nicht allein auf die Straße zu trauen.

Nachts Parks meiden

Mit Verhaltenstipps muss man also zurückhaltend sein - auch weil es natürlich nicht sein kann, dass der Eindruck entsteht, es läge an den Frauen und ihrem Verhalten, ob etwas Schlimmes passiert oder nicht.

Nichtsdestotrotz haben Kriminalisten wie Thomas Behle Erfahrungswerte: "Es ist zum Beispiel gut, nicht die Abkürzung durch die Grünanlage zu nehmen, sondern auf großen, beleuchteten Straßen zu bleiben. In einer Gruppe unterwegs zu sein, sich abholen zu lassen oder ein Taxi nach Hause zu nehmen empfiehlt sich ebenfalls."

Wenn es trotzdem zu einer bedrohlichen Situation kommt, haben sich in einer Vielzahl der Fälle drei Dinge bewährt: Stärke demonstrieren, sich wehren und um Hilfe rufen.

Sich zu wehren, kann eine Frau in einem Selbstbehauptungs- oder Selbstverteidigungskurs lernen. "Selbstbewusstes Auftreten und lautes Schreien hilft in solchen Momenten natürlich auch, aber nicht jeder kann das", gibt Katharina Göpner vom Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) zu bedenken.

Pfeffersprays und Handalarmgeräte können Sicherheit geben

Hilfsmittel wie Pfeffersprays und Handalarmgeräte können manchen Frauen etwas Sicherheit und damit vielleicht auch ein selbstbewussteres Auftreten verleihen.

"Ich würde aber keine allgemeine Empfehlung aussprechen, dass Frauen immer so etwas dabei haben sollten. Das würde eine Angst schüren, die so gar nicht berechtigt ist", so Göpner.

Denn tatsächlich findet Gewalt (auch sexuelle Gewalt) vor allem in einer Partnerschaft oder Ehe statt – oder zumindest im näheren Umfeld.

Auch Thomas Behle will keine generelle Empfehlung aussprechen, was eine Frau beim Ausgehen so in der Tasche haben sollte.

"Hilfsmittel wie Pfeffersprays können helfen, allerdings muss man sich in der Situation daran erinnern, dass man sie hat, und man muss sie zum Einsatz bringen wollen", sagt er. Das sei aber nicht immer gegeben.

Wer Stärke und Selbstbewusstsein aus einem Handalarmgerät oder Pfefferspray in der Tasche ziehe, solle es bei sich tragen. "Meiner Erfahrung nach ist aber ein Hilferuf genauso wirksam. Es ist auch in einer Großstadt wie Berlin nicht so, dass es niemanden kümmert, wenn jemand um Hilfe ruft."

"Sie da, in der roten Jacke, holen Sie sofort Hilfe!"

Sich bemerkbar zu machen, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, dazu rät auch der Weiße Ring, eine Organisation, die sich um Opfer von Verbrechen und deren Familien kümmert.

Am besten sei es, Passanten direkt anzusprechen und die eigene Notlage klar zu benennen, so Sprecher Tobias Langenbach zu unserer Redaktion. Zum Beispiel so: "Sie da, in der roten Jacke, ich werde angegriffen, holen Sie sofort Hilfe!"

Nach einem sexuellen Angriff können Frauen sich an eine der vielen Beratungsstellen wenden, die sich mit dem Thema befassen.

Oft sprechen Betroffene aber zuerst mit Freunden oder Familie, was für beide unter Umständen nicht einfach ist. Deswegen gibt es auch Beratungsangebote für das Umfeld betroffener Frauen.

"Für Freunde oder Familie, die mitbekommen, dass in ihrem persönlichen Umfeld eine Frau angegriffen und belästigt oder sogar vergewaltigt wurde, gilt: ihr glauben, ihr zuhören und sie in der Folge zu nichts drängen", sagt Katharina Göpner. Auch nicht zu einer Anzeige, falls die Frau das in dem Moment nicht will.

Allzu lange warten sollte sie allerdings auch nicht. Zumindest aus Sicht der Ermittler."Da es sich bei sexualisierten Gewaltdelikten in der Öffentlichkeit häufig um Serientäter handelt, ist es wichtig, so schnell wie möglich Anzeige zu erstatten", sagt Thomas Behle.

"Zum einen, damit etwaige Taten zusammengeführt werden können, zum anderen, um Beweise zu sichern. Videoaufzeichnungen aus U-Bahnhöfen, Bussen, S-Bahnen werden zum Beispiel nach 48 Stunden gelöscht."

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