Bürger dürfen gegen Unrecht und Missstände vorgehen. Wer seine Mitbürger meldet, muss aber auch deren Datenschutz wahren.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Rolf Schwartmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Meldestellen gegen gesellschaftliche Missstände

Hass und Hetze gegen Minderheiten ist ein ernsthaftes Problem. Um dem Herr zu werden, gibt es staatlich finanzierte private Meldeportale, bei denen etwa queer-feindliche, antisemitische und antifeministische Vorfälle gemeldet werden können. Ein Beispiel ist die Meldestelle Antifeminismus. Dort kann man "antifeministische" Äußerungen melden. Gemeint sind Vorfälle wie das Verbreiten von Stickern oder Flyern mit antifeministischen Inhalten, etwa mit der Aufruf zur Mobilisierung gegen die "Gender-Ideologie".

"Antifeminismus": Unerwünscht, aber oft nicht rechtswidrig

Juristisch betrachtet, sind solche Äußerungen in aller Regel unerwünscht, aber nicht verboten. Vor diesem Hintergrund verfolgen Meldestellen den rechtsstaatlich nicht zu beanstandenden Zweck, anonym Trends von Entwicklungen zu ermitteln und offenzulegen, die gesellschaftlich für viele zumindest fragwürdig sind. Rechtliche Vorgaben sind etwa im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) niedergelegt. Es geht aber nicht darum, konkrete Personen anzuzeigen.

Rechtsverstöße meldet man der Polizei

Meldungen, die konkrete Personen betreffen, nehmen im Rechtsstaat nicht private Meldestellen, sondern Polizei und Ordnungsbehörden entgegen. Rechtlich problematisch ist es deshalb, wenn über ein Portal Details eines Vorfalles oder konkrete Orte der Äußerung erfragt werden. Diese führen nämlich dazu, dass die Meldung im Rechtssinne nicht mehr anonym ist. Dieser Begriff wird sehr eng ausgelegt. Sobald für eine beliebige dritte Person, auch außerhalb der Meldestelle, ein Rückschluss auf die gemeldete Person möglich ist, ist die Meldung personenbeziehbar und gerade nicht mehr anonym.

Keine Meldung konkreter Personen

Meldeportale können leicht über ihren erlaubten Zweck hinausgehen, indem sie in Eingabefenstern die Möglichkeit bieten, Daten einzugeben, die auf Personen schließen lassen. Das wäre der Fall bei einem Eintrag, mit dem eine Person etwa anhand ihrer Kleidung und des konkreten Ortes ihrer Meinungsäußerung – Fußballplatz - beschrieben wird, die sich in der Weise kritisch über einen Fußballspieler geäußert hat, dass dessen Spielweise typisch weiblich sei und deshalb im Fußball nichts zu suchen habe. Die Statistik fragt nicht nach einer konkreten Person. Zulässig ist es, Aussagen anonym zur Ermittlung antifeministischer Trends im Fußball zu erheben. Nach den gesetzlich vorgegebenen und erwünschten Zwecken der Meldeportale sind aber bereits die Meldungen selbst nur anonymisiert zulässig. Wertet das Meldeportal sie vor der Anonymisierung aus, verstößt sie gegen die DSGVO, wenn sie keine Erlaubnis für die Auswertung hat.

DSGVO enthält Rechte von Gemeldeten

Wenn Meldeportale Rückschlüsse auf konkrete Personen möglich machen, kann sich deren Zweck in Richtung private Meinungsüberwachungsstellen kehren. Die Rechte des betroffenen Gemeldeten aus der DSGVO treffen hiergegen Vorkehrungen. Sie bestimmen, dass die von einer Datenverarbeitung in Form einer Meldung betroffenen Mitbürger grundsätzlich umfangreich über die Datenweitergabe zu informieren sind. Der, dessen Daten verarbeitet werden, muss vom Verantwortlichen proaktiv insbesondere über den Gegenstand und die Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung in Form der Meldung, deren Zwecke und Speicherdauer sowie über seine Beschwerde- und Auskunftsrechte in Kenntnis gesetzt werden.

Informationspflicht und Auskunftsrecht

An die Verletzung der Transparenzpflicht knüpft das Recht behördliche Bußgelder und Schmerzensgeldansprüche. Wichtig ist es deshalb, dass Meldeportalbetreiber Meldende bei der Meldung im Portal darauf hinweisen, dass sie keine personenbezogenen Daten übermitteln dürfen. Um zu prüfen, ob das doch geschehen ist, hat eine gemeldete Person nach der DSGVO einen Anspruch darauf, zu erfahren, wer bei wem was über sie zu welchem Zweck gemeldet hat. Dieses Auskunftsrecht ist fair, denn schließlich kann der Gemeldete so prüfen, ob er sich wehren möchte. Meldet man einen unbeherrschten Menschen, der sich bei sich kein Fehlverhalten erkennen kann, muss man hoffen, dass er sich nicht rächt.

Portale müssen personenbezogene Einträge vermeiden

Damit man gar nicht in die Versuchung kommt, Personen persönlich anzuzeigen, haben Freitextfelder oder Upload-Funktionen in Eingabefenstern der Meldeportale nichts zu suchen. Sie konterkarieren das erwünschte, zivilgesellschaftliche Engagement und verleiten zum Rechtsverstoß. Die Datenschutzbeauftragte und Richterin am Verwaltungsgericht Kristin Benedikt weist darauf hin, dass dieses Dilemma erst gar nicht entsteht, wenn im Meldeportal keine personenbezogenen Daten von Dritten eingegeben werden können. Um dem Meldenden Beratung und Hilfe anzubieten, sind dessen Daten ausreichend. Für die Statistik und ein Monitoring genügen Dropdown-Listen und grobe Angaben zu Zeit und Ort.

Meldung von Falschparkern

Es gibt aber auch Fälle, in denen es nicht um "Antifeminismus", sondern um Umweltsünder oder Falschparker geht. In Bayern ist kürzlich eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach rechtskräftig geworden, wonach Passanten Aufnahmen von im Weg stehenden, falsch parkenden Fahrzeugen machen und an die Polizei weiterleiten dürfen. Dass ein Foto eines Falschparkers ausreicht, um eine Ordnungswidrigkeit zu verfolgen, kann man mit guten Gründen bezweifeln. War es der Halter des Fahrzeugs oder ein anderer Fahrer? Belegt das Foto beweissicher Datum, Uhrzeit und Ort der Tat? Im Gegensatz zur Datenschutzbehörde sah das Verwaltungsgericht Ansbach in der Weitergabe an die Polizei keinen Verstoß gegen das Datenschutzrecht.

Verwaltungsgericht: Meldung zulässig

Das Gericht in Bayern hat sich nicht dazu geäußert, ob der Fotograf die Halter der fotografierten Fahrzeuge darüber informieren muss, dass Fotos an die Polizei weitergeleitet wurden. Die Information ist aber nach der DSGVO auch hier notwendig. Anders als bei Straftaten entfällt die Informationspflicht bei Ordnungswidrigkeiten nicht. Das Transparenzgebot ist eine wichtige Pflicht des datenverarbeitenden Fotografen, der nach den Kategorien der DSGVO Verantwortlicher mit zahlreichen Obliegenheiten ist, weil die Weitergabe des Fotos weder persönlichen noch familiären Zecken dient. Den Fotografen ist es weder unmöglich noch unzumutbar fotografierte Falschparker zu informieren. Eine solche Information wäre leicht möglich, wenn auch unangenehm.

Information des Falschparkers als Rechtspflicht

Wer hinterlässt schon als Fotograf gerne einen Zettel unter den Scheibenwischern mit seinem Namen, seiner Anschrift und dem Hinweis, dass die Fotos an die Polizei weitergeleitet wurden und auf welche Weise sie weitergeleitet wurden? Der Fotograf muss den Halter übrigens auch noch darauf hinweisen, dass dieser Auskunftsrechte gegenüber dem Fotografen hat, und dass der Halter sich bei der Datenschutzbehörde über die Datenübermittlung an die Polizei beschweren kann. Nicht Wegducken, sondern Transparenz über Weitergabe personenbeziehbarer Daten schaffen, lautet die Devise im Datenschutzrecht.

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