Das Internet ist schon lange kein rechtsfreier Raum mehr. Wer online beleidigt oder betrogen wird, kann sich häufig gerichtlich wehren – oder rechtswidrige Inhalte direkt beim Online-Anbieter entfernen lassen. Das kostet jedoch Geld, Zeit und Nerven. Cyberversicherungen versprechen, Internetschäden für Privatleute abzusichern – ob Phishing-Schaden, eine Beleidigungsklage oder Löschanforderung. Ist so eine Police sinnvoll?

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Ulrike Sosalla dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Manchmal wird es mir selbst unheimlich, wie viel von meinem Leben sich inzwischen auf elektronischen Geräten abspielt. Überweisungen und Kontostand, Wohnungsanzeigen und Jobsuche, Arzttermine und Steuererklärung, Freundschaften und neue Kochrezepte, Hörbücher und Lieblingsmusik – würde das Internet ausfallen, wäre ich ziemlich aufgeschmissen.

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Oder noch schlimmer: Jemand stiehlt meine Zugangsdaten und zieht Tausende Euro von meinem Konto ab. Oder ein Internet-Troll macht mir das Leben mit Cybermobbing zur Hölle. Das eine kann richtig teuer werden, das andere würde mich vermutlich nervlich fertigmachen.

Werbeversprechen von Versicherungen

Deshalb bin ich, das muss ich zugeben, sehr empfänglich für die Werbeversprechen von Cyberversicherungen. Folgt man den Anbietern, sind sie quasi das Schweizer Taschenmesser der Absicherung gegen Internetschäden. Wenn ich online beleidigt werde, meine Kontodaten per Datendiebstahl abgegriffen werden oder ich beim Online-Einkauf an betrügerische Verkäufer gerate: Angeblich bieten diese Policen finanzielle Absicherung und praktische Hilfe.

Doch beim ersten Blick auf die Versicherungen überkommt mich große Ratlosigkeit. Offenbar versteht jeder Anbieter unter einer Cyberversicherung etwas anderes. Manche bieten Rechtsschutz, andere nicht, einige enthalten hauptsächlich Beratung und kaum finanziellen Schutz, wieder andere bieten ein Anti-Hacker-Paket – und alles zu Preisen, die von 7 bis 212 Euro pro Jahr reichen, wie der Finanztest-Vergleich ergeben hat. Die für mich wichtigste Frage beantworten die Versicherer natürlich auch nicht: Ist eine solche Versicherung überhaupt sinnvoll?

Von den Finanztest-Experten bekomme ich einen wichtigen Tipp: Erst mal checken, welche Versicherungen ich ohnehin schon habe und was sie abdecken. Faustregel: Wer eine gute Rechtsschutzversicherung hat (und sicher im Umgang mit dem Internet ist; siehe die allgemeinen Sicherheits-Tipps unten), braucht keine Cyberversicherung mehr.

Andere Policen helfen ebenfalls bei Online-Ärger. Einige Hausratpolicen übernehmen Schäden durch Phishing. Viele Privathaftpflichtpolicen springen ein, wenn jemand etwa unbeabsichtigt Computerviren verbreitet.

Wer keine Rechtsschutzversicherung hat, sollte in Ruhe prüfen, wie hoch sein Sicherheitsbedürfnis ist und wie wichtig ein Schutz in den folgenden Bereichen ist:

  • Anwaltskosten bei Cybermobbing: Cyberversicherungen mit Schadenersatz-Rechtsschutz übernehmen Anwaltskosten, um gegen Täter vorzugehen, die Cybermobbing betreiben.
  • Webscreening: Einige Cyberversicherungen bieten Webscreening an, um im Internet nach Missbrauch persönlicher Daten zu suchen.
  • Datenlöschung bei rufschädigenden Inhalten: Die meisten Cyberpolicen versuchen, rufschädigende Daten löschen zu lassen, wenn diese im Netz entdeckt werden.
  • Schutz vor Identitätsmissbrauch: Viele Cyberpolicen schützen vor finanziellen Verlusten durch Identitätsmissbrauch im Internet.
  • Schadensübernahme bei Phishing: 13 der 20 untersuchten Cyberversicherungen übernehmen Schäden durch Phishing, je nach Angebot zwischen 3.000 Euro und 20.000 Euro pro Fall.

Wichtig ist, dass die meisten Cyberversicherungen nur einige dieser Bereiche abdecken. Welche Police was leistet, zeigt der Finanztest-Vergleich.

Nötige Vorsichtsmaßnahmen

Ob mit oder ohne Cyberversicherung – sensible Daten sollte man immer so gut es geht schützen. Also: Die Betriebssysteme von Computer und Handy stets auf dem neuesten Stand halten, Virenscanner benutzen und laufend aktualisieren und vor allem keine Links zu Banken oder Zahlungsanbietern in E-Mails, SMS oder WhatsApp-Nachrichten anklicken, ganz egal, wie vertrauenswürdig die Nachricht scheinen mag.

Oder positiv ausgedrückt: Am Computer sollte man die Website von Bank, Paypal oder Kreditkartenanbieter immer händisch in die Adressleiste des Browsers eingeben oder über die Favoritenleiste aufrufen, am Handy immer die App des Anbieters nutzen.

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Mein Fazit: Ich werde heute noch meinen Virenscanner aktualisieren – und überlege mir, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen. Die hat den Vorteil, dass auch mein analoges Leben mitversichert ist.

Denn auch dort lauern Gefahren: Gerade vor zwei Wochen wurde meinem Mann die Bankkarte aus der Post gestohlen und die zugehörige Pin gleich mit. Kein Phishing, kein Internetbetrug, sondern ganz altmodischer Postraub. Die Täter erbeuteten per Bargeldabhebung in mehreren Supermärkten einen vierstelligen Betrag, bevor die Karte gesperrt wurde. Die Rechtslage ist in diesem Fall klar: Die Bank muss ihm das Geld erstatten. Ob sie das auch so sieht? Das ist ein Thema für eine eigene Kolumne.

Über die Autorin

  • Ulrike Sosalla ist stellvertretende Chefredakteurin von "Finanztest" und damit ausgewiesene Fachfrau für Finanzfragen.
  • Das Verbrauchermagazin "Finanztest" gehört zur Stiftung Warentest, die seit 30 Jahren Finanzdienstleistungen testet. Test.de und "Finanztest" sind komplett anzeigenfrei und gewährleisten damit absolute Unabhängigkeit gegenüber Banken, Versicherungen und der Industrie. Die Newsletter der Stiftung Warentest können Sie hier abonnieren.

Verwendete Quellen

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