Wenn Tiere leiden, muss Petra Teegen handeln. So gründete sie vor zehn Jahren die erste Pferdeklappe. pferde.de sprach mit ihr über Schicksale, die sie nie vergessen wird – und wie aus geretteten Pferden plötzlich selbst Retter auf vier Hufen werden.
Pferde? Die gehörten für Petra Teegen schon immer dazu. "Wo ein Pferd war, war ich", erzählt die heute 69-Jährige lachend. Dabei sei es nicht das Reiten gewesen, das sie fasziniert habe. Sie hatte sich einfach in die faszinierenden Tiere verliebt. "Wir wohnten früher neben einer Räucherei, zu der das Räucherholz mit einem Pferdewagen geliefert wurde", erinnert sie sich. Die Tiere standen in einem dunklen Stall. "Ich habe dort die Fenster geputzt, damit mehr Licht reinkam." Die Momente mit den Pferden habe sie nie vergessen. "Oft lag ich einfach so auf ihren Rücken und habe zugehört, wie sie ihr Futter gekaut haben. Das war so beruhigend für mich – und roch auch so gut."
Mit elf Jahren hatte sie dann ihr erstes Pony eingeritten. Da ahnte sie nicht, dass sich einmal ihr ganzes Leben um Pferde drehen würde. Denn nach der Schule wurde sie Krankenschwester, bekam drei Söhne. Bis ihr Leben von einem Tag auf den anderen auf den Kopf gestellt wurde: Ihr Mann verließ sie und sie stand mit den Kindern alleine da. "Vorher ging es uns finanziell gut, plötzlich hatten wir nichts mehr", erinnert sie sich. Ein Pferd und ein Pony hatten die Familie damals. Und Teegen tat alles, damit die Kinder diese nicht auch noch verlieren würden.
Erste Pferderettung vor 36 Jahren
Sie arbeitete als Nachtschwester im Krankenhaus, baute tagsüber einen Reitbetrieb in Norderbrarup auf. Und auch wenn das Geld knapp war: Wenn Tiere litten, mussten sie helfen. Und so handelte sie sofort, als sie von einem Pony namens Pirat hörte, das gerade erst zwei Jahre alt war und seit Monaten angebunden an einer Box in einem dunklen Stall stand. Sie kaufte ihn frei. "Ich mag es nicht, wenn Tiere leiden", erklärt sie.
Biene – das Shetty aus dem Hühnerstall
Das war vor 36 Jahren und seitdem kamen immer wieder Pferde und Ponys zu Teegen, die sie aufgepeppelt hat. Wie Biene, eine Shettystute, gerade mal 82 Zentimeter groß. "Eine Freundin hat sie aus einem Hühnerstall geholt, in dem sie 20 Jahre lang stand. Sie hatte damals kein Fell mehr und sah wie ein Häufchen Elend aus." Ihr großes Herz für Tiere sprach sich rum. Immer häufiger kamen Besitzer, die sich ihre Pferde nicht mehr leisten konnten. Teegen nahm sie alle auf – und suchte ein neues, liebevolles Zuhause für sie.
Vor zehn Jahren gründete sie dann die erste Pferdeklappe. Die Idee dahinter: Pferdebesitzer in Not können ihr Pferd bei ihr anonym abgeben. Das heißt: Sie können ihr Pferd einfach auf eine Weide stellen. In eine Box müssen sie dann nur den Equidenpass legen und eine Abtretungserklärung unterschreiben. "Keine Fragen, keine Erklärungen, keine Vorwürfe", sagt Teegen. Das mache es für die Besitzer leichter, sich zu trennen. "Und zwar bevor die Tiere leiden…"
Sterbebegleiterin auf vier Hufen für die Pferdeklappe
Für ihren Verein fand sie zuerst vier Mitstreiter. Heute, zehn Jahre später, hat die Pferdeklappe 1.270 Mitglieder. In dieser Zeit hat Teegen mehr als 2.100 Pferde gerettet. Für ihre Arbeit hat sie im letzten Jahr das Bundesverdienstkreuz bekommen. Eine Auszeichnung, über die sie sich freue. "Aber im Alltag hilft es nicht. Da sind es die Menschen, die mich unterstützen und unser Projekt tragen." An ihrer Seite ist dabei ihr Sohn Aik, viele ehrenamtliche Helfer – und auch auf tierische Unterstützung kann sie setzen. Wie Biene, die Shettystute. "Sie bringt die Fohlen ins Leben und begleitete die sterbenden Pferde", so Teegen. Als Sterbebegleiterin auf vier Hufen bleibt sie bei ihnen auf ihrem letzten Weg.
Auch für die Fohlen ist Biene da. Wie für Jette. "Sie kam mit sieben Monaten zu uns und war total verwahrlost. Sie war nur noch Haut und Knochen. Als sie bei uns ankam, war sie verängstigt. Biene kam dann zu ihr auf die Stallgasse, hat einmal gebrummelt und mit dem Huf aufgestampft. Dann hat sie sich umgedreht und Jette lief sofort hinter ihr her."
Jette – tierischer Überraschungs-Gast beim Jubiläum
In den nächsten Wochen sorgte Biene dafür, dass Jette in der Pferdeklappe wieder aufblühte. "Als ich sie dann abgeben musste, habe ich geweint. Jette hat bei uns so um ihr Leben gekämpft, nun war sie gesund und bereit für ihr neues Leben." Damals dachte Teegen, dass sie Jette nie wieder sehen würde. "Bei unserer Zehn-Jahres-Feier stand sie dann plötzlich auf dem Hof und hatte einen Geburtstagshut auf dem Schopf. Das war ein ganz besonderer Moment."
Und wie Biene gibt auch Jette jetzt zurück, was sie selbst erfahren hat. "Sie hat im neuen Stall eine Freundin, die jetzt mit einer Verstopfungskolik in die Klinik musste. Jette kam mit, ist nun immer an ihrer Seite und kämpft mit ihr um ihr Leben." Für Teegen sind das ganz besondere Erlebnisse. "Als ob unsere Pferde das, was sie bei uns an Liebe erfahren haben, zurückgeben wollen."
Shay kam mit eingewachsenen Hufschuhen
Ein Pferdeschicksal, dass Teegen auch besonders berührte, ist Clamsi. Der Wallach kam als Scheidungskind zur Pferdeklappe, wurde schnell vermittelt. Doch das Paar, das Clamsi aufnahm, trennte sich. Und plötzlich sollte Clamsi weg. "Angeblich zum Händler. Aber es war klar, dass er zum Schlachter kommen sollte." Als Teegen davon hörte, versuchte sie alles, um Clamsi zu retten. Dabei erlebte sie ein kleines Wunder: 36 Stunden später fuhr dann der riesige LKW einer Schlachterei auf den Klappenhof. "Ich bekam eine Gänsehaut, denn damit hatte ich nicht gerechnet", erinnert sich Teegen. "Der Schlachter hatte unseren Stempel im Pass gesehen und hatte Mitleid mit Clamsi. Deshalb hat er ihn tatsächlich direkt zu uns gebracht."
So viel Glück hatte auch Shay, eine Kaltblutstute. "Sie kam mit eingewachsenen Hufschuhen zu uns. Die Riemchen waren vier Zentimeter tief eingewachsen, sie konnte kaum noch laufen", so Teegen. "Dreimal musste sie operiert werden." Geduldig ließ Shay auch jede Hufbehandlung über sich ergehen. "Unsere Schmiedin sagte: ‚Die lasse ich nicht mehr aus meinen Fingern‘. Und dann hat ihr Praktikant sie genommen. Heute geht es Shay wieder richtig gut."
Chaccarus – Vom Asthmatiker zum Turnierpferd
Diese Pferde sind keine Ausnahmen. "Eigentlich hat fast jedes Pferd, das zu uns kommt, eine schlimme Geschichte im Gepäck", sagt Teegen. Da sind die Besitzer gestorben und sie mussten plötzlich aus ihrem Zuhause weg. Oder die Familien haben kein Geld mehr. "Manchmal werden die Pferde aber auch vom Ordnungsamt aus einer schlechten Haltung geholt und zu uns gebracht." Was ihr auffällt: "Wir haben immer mehr Asthma-Pferde. Früher waren es so zwei oder drei im Jahr. Im letzten Jahr hatten wir 70 Asthmatiker bei uns."
Viele dieser Pferde mit Asthma kommen aus Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen – "aus Gebieten, die bei dem Hochwasser überflutet wurden", so Teegen. Woran das liegt, weiß niemand mit Sicherheit. "Aber damals wurden ja auch viele Tankstellen überflutet, da werden jede Menge Schadstoffe in den Boden gelaufen sein", vermutet Teegen. "In ihrer Heimat haben sie lange gelitten, bei uns geht es ihnen oft schnell wieder besser." Wie Chaccarus. "Er hat ein Jahr lang Medikamente bekommen und inhaliert. Jetzt ist er gesund – und geht auf Turniere. Gerade hatte er sein erstes L-Springen und hat gewonnen!"
Pferdeklappe hilft, wenn niemand mehr helfen will!
Denn, das betont Teegen: "Nicht jedes Pferd, das zu uns kommt, ist krank oder alt." Überhaupt: Klappenpferde dürfen maximal 20 Jahre alt sein. "Wir sind ein anerkanntes Tierheim für Pferde – und kein Gnadenhof. Das heißt: Wir wollen die Pferde vermitteln." Und das geht manchmal ganz schnell: Ein Pferd hatte bereits nach drei Stunden neue Besitzer. Bei den meisten dauert es ein paar Tage. "Wer zu uns kommt, wird erst einmal tierärztlich untersucht. Erst wenn der Tierarzt sein Okay, gibt, gehen die Pferde in die Vermittlung."
Worauf sie stolz ist? "In den zehn Jahren Pferdeklappe waren wir wirklich immer für die Pferde da und das rund um die Uhr." Nur einmal musste sie für zehn Tage einen Aufnahmestopp verhängen – weil sie zu der Zeit mit 55 Pferden nur zu Zweit waren und sie selbst wegen einer Knie-Op nicht ordentlich laufen konnte. Selbst jetzt, in diesen Zeiten, bleibt die Klappe offen. "Wir helfen, wenn niemand mehr hilft", sagt Teegen. Das war immer ihr Motto und das gilt auch jetzt. "Obwohl es noch nie so schlimm war. Die Menschen wissen finanziell oft einfach nicht mehr weiter."
So kommen viele Pferde mit "Baustellen" zu ihr. Die Kosten trägt der Verein. Und die sind immens. Da können schon mal 10.000 Euro nur für den Tierarzt fällig werden – in einem Monat. Wie sie das finanziert? "Wir leben ausschließlich von Spenden", so Teegen. Und davon, dass sie immer neue Wege findet, Geld für die Klappe zu verdienen. Sie hat Bücher geschrieben, in diesem Jahr wird es das erste Pferdeklappen-Journal geben. "Für uns zählt jeder Euro. Denn er bedeutet, dass wir wieder einem Pferd eine Chance geben können." © Pferde.de
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