Hundetrainerin Pia Gröning wagt den Schritt: Sie ist dabei, zusammen mit ihren drei Hunden vom Ruhrgebiet in die Niederlande auszuwandern – und führt dort ihre Pfotenakademie fort. Sie bietet in Holland ihr Hundetraining auf Deutsch an. Für unsere Leserinnen und Leser berichtet sie von ihren Erfahrungen. Wie begegnen sich Hunde in den Niederlanden beim Freilauf und an der Leine?

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Bei Gesprächen höre ich öfter Folgendes, wenn es um Urlaub an der niederländischen Nordseeküste geht: "Ach ja, da ist es ja immer so entspannt. Irgendwie scheinen sich da alle Hunde miteinander zu verstehen." Dazu kann ich nur sagen: Nicht nur da! Seit einigen Jahren bin ich, bedingt durch meinen niederländischen Partner, noch öfter in den Niederlanden unterwegs gewesen – und zwar nicht nur an der Nordseeküste. Um meinen Blog-Artikel zu den schönsten niederländischen Hunde-Freilaufgebieten stets weiter zu ergänzen, habe ich mit meinen drei Hunden inzwischen im gesamten Land diverse Hundefreilaufgebiete aufgesucht.

Ein gemischtes Trüppchen

Meine Hundegruppe besteht aus einem intakten Deutsch Langhaar Rüden, einen kastrierten Field Spaniel Rüden aus dem Tierschutz, der keine intakten Rüden mag und Ressourcen verteidigt und einer Working Spaniel Hündin, ebenfalls aus dem Tierschutz, die nicht jeden mag und dies dann durch Anbellen auch mal kundtut.

Während der Deutsch Langhaar in den Niederlanden aufgewachsen ist und ich ihn als kontaktfreudig beschreiben würde – was nicht immer auf Gegenliebe stößt, sind die beiden Spaniel wenig an fremden Kontakten interessiert. Ab und zu finden sie einen anderen Hund positiv interessant. Meist sind sie neutral und ab und zu finden sie auch den einen oder anderen Artgenossen doof.

Ich schreibe das deswegen so ausführlich, um klar zu machen, dass ich da mit einem gemischten Trüppchen unterwegs bin, das nicht gerade dem Hundewiesen-Klischee "Ich will spielen" entspricht. Oder anders ausgedrückt, auch eine Plattform bieten könnte für Konflikte mit Artgenossen.

Hundebegegnungen sind immer unterschiedlich.
Hundebegegnungen sind immer unterschiedlich. © Foto: unsplash.com/Rui Alves (Symbolfoto)

Regelungen für freilaufende Hunde

Nun drängt sich vielleicht die Frage auf, warum man unbedingt solche Freilaufgebiete aufsuchen muss, wenn der eigene Hund kein Interesse an Artgenossen hat. In den meisten niederländischen Provinzen ist der Freilauf von Hunden verboten. So etwas wie Feldwege gibt es hier selten. Wenn dann sind es gleichzeitig auch Straßen, die mit 60 bis 80 km/h befahren werden dürfen. In den Wäldern und anderen Naherholungsgebieten gilt pauschal Leinenzwang.

Wenn ich also meinen Vierbeiner in den Niederlanden freilaufen lassen möchte, bin ich auf ein entsprechendes Freilaufgebiet angewiesen. Hier kann ich allerdings davon ausgehen, dass ich auch auf viele andere freilaufende Hunde treffen werde. Regelungen, die vorschreiben wie man seinen Hund anzuleinen hat, wenn ein angeleinter Hund entgegen kommt, sind nicht verbreitet. Es ist auch im Gegensatz zu Deutschland durchaus üblich, dass sich die Hunde an der Leine Hallo sagen dürfen. Meiner Meinung nach ist das übrigens eine präventive Maßnahme, die Leinenaggression vorbeugt.

So sieht der Freilaufspaziergang aus

Die Niederlande sind ein kleines Land. Viele Naherholungssuchende treffen auf verhältnismäßig wenig Fläche zusammen. Was die Niederländer den Deutschen sicherlich voraus haben, sind die Trennung von Rad-, Fuß- und Reitwegen in einer Art und Weise, die zu wenig Konflikten führt.

Nichtsdestotrotz treffe ich bei einer Sonntag-Morgen Runde durch den Wald nicht nur auf mindestens 20 freilaufende Hunde, sondern es liegen auch noch auf Fitnessmatten mitten auf der Kreuzung im Wald ein paar Sportler. Jogger und Reiter kreuzen den Weg und auch Radfahrer. Mittendrin auch mal Kinder mit ferngesteuerten Autos. Ja, und auch die Rehe und Hasen lassen sich blicken, von den Enten und Co. auf den umliegenden Gewässern ganz zu schweigen.

Nun denkt vielleicht der eine oder andere "Um Gottes willen, da kann ich doch nicht noch meinen Hund freilaufen lassen!?" Doch, das geht sogar ziemlich gut. Ehrlich gesagt, rufen wir maximal kurz den Deutsch Langhaar zu uns, um zu verhindern, dass erbgegen das Lastenrad des Fitness-Instrukteurs pinkelt. Ansonsten nehmen alle Rücksicht aufeinander – ohne die Erwartung zu haben, dass dies geschieht. Wenn ein Hund quer über die am Boden liegenden Sportler hüpft, dann ist das halt so. – Oder wenn ein Radfahrer langsamer fährt, jemandem auszuweichen. Böse Blicke oder Worte wird man nicht finden, hingegen aber Gelächter und Scherze über die Situation.

So laufen die Hundebegegnungen ab

Doodle, Pudel, Retriever, Vorstehhunde, Spaniel, Kooikers, Drenthes aber auch Deutsche Schäferhunde, Ridgebacks, Boxer und Co. sind typische "Kandidaten", die wir bei unseren Runden wirklich häufig treffen. Aber auch Herdenschutzhunde, Hunde aus dem Auslandstierschutz, Windhunde und nordische Rassen sind vertreten. Intakt, kastriert bis hinzu "gut riechend" – der Status ist egal. Denn wer seinem Hund Freilauf gönnen möchte, der hat nicht so viel Auswahl. Die Hunde sind alle frei oder mal punktuell angeleint, zum Beispiel, weil Wild in der Nähe ist.

Jede Begegnung verläuft anders. Mal begrüßen sich die Hunde, mal gehen sie kontaktlos aneinander vorbei. Manchmal wird imponiert, manchmal wird auch gebellt, geknurrt oder verscheucht, aber auch gespielt. Es gibt wie überall aufdringliche Rüden, distanzlose, sowie distanzfordernde Hunde, schüchterne Fellnasen und so weiter.

Der unbeliebte Spruch "Das regeln die von selbst" trifft hier oft zu. Nicht regeln im Sinne von sich im Kampf auseinander setzen, sondern die Kommunikation des anderen akzeptieren. Denn wenn der eine nicht will, wartet hundert Meter weiter die nächste Begegnung, die vielleicht mehr zu den eigenen Bedürfnissen passt. Also einfach weitergehen. Wer schon weiß, dass sein Hund den entgegenkommenden nicht mag, nimmt seinen Hund bei Bedarf kurz zu sich – ohne die Erwartung zu haben, dass das der andere auch tut. Da niemand auf Konflikte aus ist, klappt auch dies problemlos.

Und das andere Ende der Leine?

Die Hundebesitzer spielen natürlich auch eine Rolle. Tatsächlich grüßen sich alle Menschen, auch die Nicht-Hunde-Besitzer. Die Vierbeiner werden meist auch freundlich angesprochen von den Hundebesitzern. Wenn ein Hund angespannt wirkt, dann wird gelacht oder etwas freundliches zur Stimmungsaufhellung zum Hund gesagt. Ist ein Hund abgehauen zum Jagen, dann wird Unterstützung angeboten. Es gibt keine ungefragten Tipps.

Wenn jemand seinem Hund ein Stromreizgerät umgebunden hat (sie sind inzwischen in den Niederlanden verboten, man sieht sie aber noch an dem einen oder anderen Hund), dann wird das nicht kommentiert oder der Hundebesitzer in irgendeiner Form ausgeschlossen. – Genauso wenig wie derjenige, der seinem Hund einen Mantel anzieht, ein Brustgeschirr nutzt oder die Flexileine am Halsband, eine Retrieverleine ohne Stopp, ein breites Halsband oder eine Kette.

Es gibt keine Erwartungen an den anderen Hundebesitzer oder wie dessen Hund sich zu verhalten hat. Das bedeutet auch, dass niemand verlangt, dass der andere Hund rückrufbar ist oder sich so oder so verhält. Hunde sind nunmal Hunde. Da braucht man sich nicht für schämen, auch wenn der eigene Vierbeiner sich mal nicht so verhält, wie man das gerne hätte.

Generell gehen die meisten Begegnungen gut aus.
Generell gehen die meisten Begegnungen gut aus. © Foto: unsplash.com/Sebastian Coman Travel (Symbolfoto)

Fazit

Nobody’s perfect – und auch in den Niederlanden ist das Hundeleben kein Ponyhof. Natürlich gibt es auch hier mal ein böses Wort unter den Hundebesitzern oder Mensch-Hund-Kombis, denen man lieber aus dem Weg geht. Doch unter dem Strich betrachtet, gehen 99 Prozent der Hundebegegnungen gut aus.

Ich bin inzwischen in die Niederlande ausgewandert und muss immer wieder feststellen, dass mein deutsches Klientel sich bei den Spaziergängen immer schwerer tut mit dem Thema Hundebegegnungen. Auch vor meinem Weggang aus Nordrhein-Westfalen habe ich diese Tendenz besonders intensiv nach der Corona-Zeit beobachten können.

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Freilaufbegegnungen waren eher selten statt normal geworden. Das war besonders für unseren kontaktfreudigem Deutsch Langhaar ein Problem. Dem konnten wir ja schlecht erklären, dass wir gerade die deutsche Grenze überquert haben und er ab jetzt auf keinen Fall mehr zu einem anderen Hund hingehen darf, ohne das Einverständnis dessen Besitzers. Leinenaggression ist inzwischen das Top-Hundeerziehungs-Thema in Deutschland geworden. Vielleicht sollte man doch mal einen Blick über die Grenze werfen, wie es so die Nachbarländer halten, die mit Leinenaggression wenig Probleme haben.  © Deine Tierwelt

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