Bestatterin Franziska Waak will vor allem eins: die Hinterbliebenen durch die schwere Zeit begleiten. Dabei bekommt sie Hilfe – von Trauerbegleitern auf vier Hufen. Auf ihrem Pferdehof lernen Betroffene mit ihrer Trauer umzugehen. pferde.de sprach mit ihr über die tierische Hilfe bei der Trauer und warum der Tod noch immer ein Tabu ist…
Welche Gefühle Pferde bei Menschen wecken können – das wusste Franziska Waak schon als Kind. Damals verliebte sie sich in die Tiere. "Meine Oma ist mit mir immer zum Pferdehof gefahren", erinnert sie sich lachend. Seitdem kann sie sich ein Leben ohne Pferde nicht vorstellen. Zumindest privat. Beruflich ging sie erst einmal andere Wege: Die heute 37-Jährige wurde Pädagogin, arbeitete als Erzieherin, übernahm dann die Leitung einer Kita. Dass Pferde doch noch einmal in ihrem Berufsleben eine Rolle spielen würden, das ahnte sie damals nicht.
Die erste große Wende kam vor sechs Jahren: Da packte die gebürtige Berlinerin ihre Tochter und ihr Pferd ein und zog der Liebe wegen nach Rügen – direkt auf einen Hof. "Mein Mann hat ihn von seinen Großeltern übernommen", erklärt sie. Auch auf der Insel arbeitete sie zuerst als Kita-Leiterin. Und sie musste immer wieder schmerzhaft lernen, was Trauer heißt: Ihre Oma und ihre Tante starben, dann Vater und Mutter kurz hintereinander. "Normalerweise nehmen Bestatter den Trauernden alles ab. Aber das wollte ich nicht. Ich wollte selbst etwas tun. Das half mir beim Abschiednehmen."
Waak ließ sich zur Trauerbegleiterin ausbilden
Bei dem Tod ihrer Mutter war es eine Freundin, die auch Bestatterin ist, die ihr half. "Sie sagte: ‚Komm, wir waschen sie und machen sie zusammen für die Beerdigung fertig‘." Waak überlegt kurz. "Im ersten Moment war es ein komischer Gedanke. Aber als ich sie dann gewaschen habe, fühlte ich mich besser." Etwas tun können, noch einmal Nähe spüren, Abschied nehmen – das ist ganz wichtig, merkte sie. Bei ihrer Oma und ihrem Vater schrieb sie die Trauerrede und hielt sie auch selbst. "Das war meine Form der Trauerverarbeitung."
2023 starb dann auch noch eine Bekannte von ihr. Damals wurde Waak klar: Sie will etwas am Umgang mit dem Tod ändern. Sie machte eine Ausbildung zur Trauerbegleiterin, gründet Anfang 2024 mit zwei anderen Frauen das Bestattungsinstitut "Oase der Ruhe". Das Besondere: Sie bieten keine klassischen Beerdigungs-Pakete an. "Wir wollen für jede Familie so individuell sein, wie sie es brauchen."
Pferde helfen bei der Trauer nach einem Tod
Das zeigt sich schon an ihrem Wagen – ein typischer Leichenwagen, aber nicht in schwarz, sondern cremefarben mit Gold. Auch ihre "Arbeitskleidung" ist nicht schwarz. "Trauer ist schwarz genug", so Waack. Und noch etwas hebt sie ab: Sie bieten eine ganz besondere Trauerbegleitung an – mit Pferden. "Das ist eher durch Zufall entstanden", so Waak. Denn sie hat auf ihrem Hof einen Raum, in dem Trauernde Abschied von den Verstorbenen nehmen können. "Da haben mich Familien gefragt, ob sie auch zu den Pferden gehen können. Als sie dann bei den Pferden waren, habe ich gemerkt: Dass ist der Schlüssel, mit dem ich Trauernden helfen kann."
Seitdem sind ihre Pferde auch Trauerbegleiter auf vier Hufen – und machen einen tierisch guten Job. "Pferde sind hochsensibel, sie spüren einfach, was wir brauchen. Und sie spiegeln uns ganz deutlich." Im ersten Schritt geht Waak mit den Trauernden zur Koppel. Dort können sie sich "ihr" Pferd aussuchen. "Aber oft sind es auch die Pferde, die sich den Menschen aussuchen", sagt Waak.
Pferde holen Trauernde zurück ins Leben
Im zweiten Schritt geht es darum, ob Berührungen zugelassen werden können. "Einige brauchen dafür Zeit, bei anderen geht es relativ schnell", so Waak. Für sie ganz wichtig: "Jeder bekommt die Zeit, die er oder sie braucht." Kann Nähe zugelassen werden, holt sie gemeinsam mit dem Trauernden das Pferd von der Koppel. "Sie können es dann berühren, putzen, streicheln." Später folgen Übungen im Round Pen, zum Schluss können selbst Nicht-Reiter einen geführten Ausritt machen.
Dabei erlebt sie immer wieder, welche Wirkung die Pferde haben. "Sie geben Selbstvertrauen. Und sie schaffen es, dass Trauernde sich wieder selbst spüren können. So holen Pferde sie aus der Schockstarre." Dabei gibt es immer wieder Momente, die Waak zeigen, dass sie den richtigen Weg geht. "Ich hatte eine Frau, die ihren Papa verloren hatte. Sie war sehr schüchtern und zurückhaltend. Dann sollte sie ihr Pferd im Round Pen in Bewegung bekommen – nur mit Hilfe ihrer eigenen Energie. Sie ist dann einfach losgelaufen – und das Pferd ging mit ihr mit." Waak lächelt leicht. "Sie hatte Tränen in den Augen, weil sie es sofort geschafft hat. Für sie war das ein ganz wichtiger Schritt."
Waak: Pferde drehen sich nicht um, wenn wir weinen
Und noch etwas erleben Trauernde bei Pferden: Sie können ihre Trauer offen ausleben. "Pferde drehen sich nicht um, wenn wir weinen", so Waak. Im Alltag müssen die Betroffenen oft schon sehr früh Sätze wie "Du musst nach vorne sehen" oder "jetzt ist gut, es muss weitergehen" hören. "Tod ist bei uns ein Tabuthema geworden. Wir wollen alle nur leben. Dass der Tod dazu gehört, das wird mittlerweile lieber weggeblendet."
Dabei hilft es, wenn Familien so Abschied nehmen können, wie sie es möchten. "Dazu gehört auch, dass sie noch einmal etwas machen möchten für den Verstorbenen. Sei es ein bemalter Stein, ein bemalter Sarg oder auch eine selbstgemachte Urne. Wir besprechen mit den Familien alle Möglichkeiten, die sie haben." Früher, sagt Waak, war es üblich, dass die Dorfgemeinschaft vor der Beerdigung Im Haus der Familie noch einmal Abschied von den Verstorbenen nehmen konnten. "Auch solche Traditionen können helfen."
Und natürlich können Verstorbene auch die letzte Reise in einer Kutsche antreten. "Pferde sind auch in dem Moment treue Begleiter und können Berührungsängste nehmen", so Waak. Für sie sind ihre Pferde daher tierische Kollegen. "Wenn wir es zulassen, geben sie uns einen Teil ihrer Stärke. Das ist ein riesiges Geschenk, denn diese Stärke begleitet und dann den Rest unseres Lebens…" © Pferde.de
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