Für die meisten Pferdemädchen- und Jungs fängt die Liebe zum Hobby bereits in ganz jungen Jahren an. Einer der gängigsten Wege, das Reiten zu erlernen, sollte man kein eigenes Pferd besitzen, ist eine Reitschule. Doch wie intensiv und individuell ist das Lernen in der Reitschule?
Oft kommt in der Reitschule ein Reitlehrer oder eine Reitlehrerin auf circa fünf bis zehn Kinder. Unter diesen Bedingungen ist es eher schwierig, ganz genau auf jedes einzelne Kind einzugehen. Um eine Ordnung zu halten, reiten die Kinder in den meisten Stunden in einer Abteilung. Das bedeutet, alle reiten hintereinander her. Hierbei ist die Tücke, dass nur der Erste, die sogenannte "Tête" (französisch: Kopf) richtig reiten können muss. Denn er reitet die Bahnfiguren vor und schüchterne, zurückhaltende Kinder reiten einfach nur hinterher.
Die Pferde sind es so gewohnt und laufen einfach nur hinterher. Demnach haben die Kinder wenig Feedback, auf ihre Hilfen und nur wenig Einfluss, auf die Geschwindigkeit. Ebenfalls erlernt man dadurch kein eigenes Gefühl für Zügel- und Gewichtshilfen zu entwickeln, denn die sogenannten Schulpferde wissen genau, was zu tun ist. Auch ohne Kommandos. Sie laufen teilweise fünfmal täglich und funktionieren nur.
Vom Reitlehrer kommt zwar immer die Ermahnung "die Ecken auszureiten", doch das ist eher schwer machbar, da die Schulpferde oft am Po des vorderen Pferdes kleben. Jedoch gibt es in Reitschulen auch "schwerere" und "leichtere" Pferde. Demnach können die Reiter, einem jeweiligen Pferd, je nach reiterlichen Können und Vorlieben zugeteilt werden.
Abwechslung für die Pferde
Abwechslung ist ein A und O für ein gesundes, glückliches und ausgeglichenes Pferd. Leider gibt es in einer Reitschule meist keine bis kaum Abwechslung für die Tiere. Nur stupides Reiten in der Abteilung. Oft hat man das Gefühl von Resignation bei den Pferden. Was auch vollkommen verständlich ist, denn es ist wahnsinnig wichtig, Pferde auch geistig auszulasten, mit ganz viel Abwechslung in der Arbeit. Der Wechsel zwischen Longieren, Reiten, Bodenarbeit, Spazieren, Freiarbeit, Stangenarbeit und Ausreiten ist beispielsweise ein sehr gesunder für Pferde und deren Zufriedenheit. Hierbei hat das Pferd nicht nur Abwechslung, sondern auch keine einseitige körperliche Belastung.
Was vermittelt eine Reitschule?
Sicher hast auch Du bei dem Gedanken an Deine ersten Reitstunden in der Reitschule folgende Sätze im Kopf: "Hacken runter, gerade sitzen, Fußspitzen zum Pferdemaul drehen, Hände zusammen und tief." Das sind die kurzen und präzisen Anweisungen, die einem der Reitlehrer früher zugerufen hat. Doch welchen Sinn haben diese einzelnen Dinge und wofür sind sie wichtig? Sind sie dafür da, dass es dem Pferd besser geht beim Reiten oder dass es besser versteht, was wir von ihm wollen?
Ein Pferd "gesund reiten"
Selten haben Reitschulen für kleine Kinder einen Schwerpunkt darauf gelegt, dass die Pferde gesund geritten werden. Wobei das dringend notwendig ist, da die Pferde oft mehrere Stunden pro Tag laufen müssen. "Anlehnung", "mit der Hinterhand unter den Schwerpunkt treten", "Takt und Losgelassenheit" sind Begriffe, die unendlich wichtig, doch in vielen Reitschulen nicht verbreitet und gelehrt werden.
Doch ist es gerade die Anlehnung, welche eine so wichtige Rolle bei der Gesunderhaltung unserer Pferde spielt. Das Pferd darf sich tatsächlich anlehnen. Nach den Richtlinien der "FN" ist die Anlehnung "die stete, weich federnde Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul." Kein Ziehen am Zügel. Man hilft dem Pferd damit, sich auszubalancieren und unterstützt somit, das gemeinsame Gleichgewicht von Pferd und Reiter.
Die Realität sieht leider oft anders aus!
In der Reitschule sieht man leider oft, unpassende Sättel, in den Pferderücken plumpsende Kinder, die das Gleichgewicht und den Takt des Pferdes nicht finden und dazu auch keine Tipps bekommen. – Außer "Knie ran, sonst fällst Du runter." Die einzige Übung, um das Gleichgewicht zu fördern, ist das allseits beliebte "Bügel überschlagen". Doch auch hier bekommt man als Kind nicht die Erklärung, wofür das gut ist.
Vorteil der Reitschule
Positiv ist, dass Du Dich nicht auf ein Pferd beschränken musst, denn in einer Reitschule profitierst Du vom Wechsel der vielen verschiedenen Schulpferde. Der Wechsel zwischen Pony, Großpferd, störrischen, oder lammfrommen Tieren schult den Sitz, den Umgang und lässt Dich wachsam bleiben und nicht in Routinen versacken. Durch den regelmäßigen Wechsel zwischen den verschiedensten Pferden und Charakteren bekommst Du mehr Erfahrungen und wächst daran.
Dennoch hattest sicher auch Du Dein Lieblingspferd in der Reitschule. Hier ist es hart, wenn das Lieblingspferd, auf das Du sich fixiert hast, jemand anderes reitet. Denn man hat in der Reitschule keinerlei Besitzansprüche. Es wird das Pferd geritten, welches einem der Reitlehrer, oder die Reitlehrerin zuteilt. Wenn das Lieblingspferd verkauft, oder nicht mehr eingesetzt wird, hat man leider auch das Nachsehen. Man ist als Schüler von fremden Entscheidungen abhängig.
Nach der Reitschule: Bereit für ein eigenes Pferd?
Bist Du nach der Reitschule tatsächlich ohne Weiteres bereit für ein eigenes Pferd? Ganz klar, nein. Es ist so ähnlich, wie nach der Schule. Du kannst zwar rechnen, lesen und schreiben. Doch erklärt Dir niemand, wie Du eine Steuererklärung machst, wie man kocht, welche Versicherungen Du brauchst oder was zum Mieten einer Wohnung vonnöten ist.
Du wirst unerfahren in den wichtigsten Lebensbereichen ins Leben entlassen und genau so ist es auch, wenn Du Dir direkt nach der Reitschule ein eigenes Pferd kaufst. Gesagt wird immer, die Pferde fertig machen vor dem Reiten gehört dazu, denn man soll ja alles lernen, was mit einem eigenen Pferd wichtig ist. Doch das ist nur ein hundertstel Buchstück. Am Ende kommt die breite Masse der Aufgaben erst mit einem eigenen Pferd.
Traum erfüllt, jetzt wird’s wild!
Die Reitschule hat hingegen absolut verwöhnt, mit permanentem Reitunterricht vor Ort. Denn nun bist Du mit einem eigenen Pferd auf Dich selbst gestellt. Du musst Dich selbst um Reitstunden kümmern. Diese sind oft weitaus teurer, als das Reiten in einer Kinder-Reitschule. Außerdem muss der Trainer organisiert, seine Anfahrt gezahlt werden.
Oft gibt es Trainer, die nirgendwo hinfahren. Das heißt dann: Pferd aufladen und zum Training fahren. Das ist ein enormer Zeitfaktor. Auch der Transport will gelernt sein. Wenn Du dann Dein eigenes Pferd hast, geht der Ernst des Lebens los. Es passieren Dinge und Du musst Entscheidungen treffen, auf die Du in der Reitschule nicht vorbereitet wurdest.
Nur Putzen und Reiten ist nicht genug.
Wenn Du Dir ein eigenes Pferd anschaffst, gibt es eine Reihe von Dingen, die Du Dir aneignen oder suchen musst. Dazu gehören Kenntnisse und Fähigkeiten wie Longieren und Bodenarbeit, um Dein Pferd auch vom Boden gut arbeiten zu können. Das stärkt eine gute Kommunikation und Beziehung zu Deinem Pferd und schafft Abwechslung. Beritt, um Deinen Freund auf vier Hufen professionell aus- oder weiterbilden zu lassen.
Darüber hinaus musst Du Dich um Ausrüstung kümmern, wie zum Beispiel Decken, die Dein Pferd vor Kälte oder Nässe schützen, einen passenden Sattel, der dem Pferd und Dir als Reiter oder Reiterin Komfort bietet und gut passt. Hierbei benötigst Du einen erfahrenen Sattler, der den Sattel an Dein Pferd anpasst. Eine geeignete Trense wird benötigt, wobei die anatomischen Besonderheiten des individuellen Pferdekopfes zu beachten sind. Regelmäßiger Reitunterricht ist ebenfalls ratsam, um die eigenen Fähigkeiten zu verbessern, Neues zu lernen und um einen geschulten Blick auf das Pferd-Reiter Paar zu bekommen.
Das ist noch lange nicht alles!
Die richtige Futterzusammensetzung und -menge, sowie die Auswahl der passenden Haltungsform sind von großer Bedeutung, für das Wohlergehen Deines Pferdes. Wenn Dein Pferd im Sommer auf der Weide steht, ist zum Beispiel wichtig, das Pferd richtig anzugrasen. Damit es langsam an das frische Gras gewöhnt wird, um Verdauungsprobleme und Koliken zu vermeiden. Der Hufschmied muss regelmäßig die Hufe Deines Pferdes pflegen, ausschneiden, oder beschlagen, um die Hufgesundheit, sowie die optimale Orthopädische Form zu gewährleisten.
Zusätzlich können physiotherapeutische, oder osteopathische Behandlungen erforderlich sein, um das Wohlbefinden, die Gesunderhaltung, sowie die Beweglichkeit Deines Pferdes zu unterstützen. Regelmäßige zahnärztliche Untersuchungen sind ein absolutes Muss, um Zahnprobleme rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln. Denn sollten die Zähne zu lang, oder zu scharfkantig werden, beißen die Tiere sich die Wangen auf, oder können gar nicht mehr fressen, was schwerwiegende Folgen haben kann. Impfungen, Wurmkuren, oder Wurmtests sind Teil der routinemäßigen Gesundheitsversorgung des Pferdes.
Es ist ratsam, eine Tierklinik in der Nähe zu kennen, falls eine Notfallsituation eintritt oder eine spezialisierte Behandlung erforderlich ist. Die Auseinandersetzung mit möglichen Krankheiten und die Wahl geeigneter Versicherungen sind ebenfalls wichtige Aspekte, um die Gesundheit und Sicherheit des Pferdes abzusichern. Tierarztkosten müssen auch in Betracht gezogen werden, da regelmäßige Untersuchungen und Behandlungen Teil der verantwortungsvollen Pferdehaltung sind.
All das sind Dinge, die Du Dir selbst aneignen oder suchen musst und das ist ein ganz schönes Stück Arbeit und kostet zudem eine Menge Geld. – Vor allem Lehrgeld. Denn dass alles auf Anhieb klappt, ist eher unwahrscheinlich. In der Reitschule hingegen hattest Du den Luxus, dass all diese Dinge für die Pferde geregelt waren und Du sie "nur" reiten und putzen musstest.
Fazit Reitschule
Dennoch können wir alle dankbar sein, dass es Reitschulen gibt, damit das Reiten und die Pferde für jedermann zugänglich werden. – Auch ohne eine monatliche finanzielle Belastung. Denn nicht ohne Grund beginnen die meisten Liebesgeschichten zwischen Pferden und ihren Menschen in der Reitschule. © Pferde.de
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