Dass die Hufe von Pferden Bewegung brauchen – das ist bekannt. Denn nur durch Bewegung wird der Huf durchblutet und das Wachstum angeregt. Doch wie genau wirkt sich das moderne Stallleben auf die Hufe aus? Dieser Frage ging jetzt ein Forscherteam aus Brasilien nach.
Für ihre Studie, die sie in der Fachzeitschrift PLOS ONE veröffentlichten, wählten die Forschenden 20 Pferde aus. Dabei nahmen sie ausschließlich Pferde der Rassen Marajoara und Puruca. Sie stammen von Pferden ab, die vor 300 Jahren von Siedlern von der Iberischen Halbinsel auf die Insel Marajó im brasilianischen Bundesstaat Pará gebracht wurden.
Die Marajoara entstand dabei durch die Kreuzung dieser Pferde mit Arabern und anderen reinrassigen Pferden iberischer Herkunft. Die Puruca entstanden durch die Kreuzung von Marajoara-Pferden mit Shetlandponys. In Brasilien leben die Pferde in Freilandhaltung. – Und die ist karg: Die Böden sind karg, es gibt keine zusätzlichen Mineralstoffe. Auch ihre Hufe sehen nie einen Schmied.
Das "wilde" Leben tut dem Huf gut
Doch das "wilde" Leben scheint den Hufen gutzutun. Der Grund liegt in der Natur, so die Forscher. Es wird nämlich vermutet, dass während der Regenzeit überschwemmte Regionen entstehen. Dort stehen die Pferde mit ihren Hufen im Wasser und auf weichen Boden, sodass sie kaum abgenutzt werden. Mit steigenden Temperaturen im Sommer und dem Übergang in die Trockenzeit wird der Boden hart und die Hufe werden abgenutzt. Dieser Wechsel führt zu einem natürlichen Gleichgewicht.
Dagegen würde der Huf und das Hufgewebe bei einer modernen Stallhaltung leiden, so die Annahme des brasilianischen Forschers Bruno Dondoni Malacarne. Mit seinem Team verglich er deshalb die Huflamellen von Pferden, die unter modernen domestizierten Bedingungen aufgezogen wurden, mit Marajoara- und Puruca-Pferden, die in einem halbwilden Zustand aufgezogen wurden.
Stallpferde bekommen in Brasilien zu viel Futter
Für den Vergleich nutzten sie die Proben von sechs Marajoara-Pferden und sechs Puruca-Pferden von einer Ranch auf der Insel Marajó. Diese Pferde wurden zwar vor Jahren angeritten, hatten aber schon lange keinen Kontakt mehr zu Menschen und gelten als halbwild. Neben den Hufproben wurden die Pferde auch untersucht. Ergebnis: Sie hatten Körperkonditionswerte zwischen 5 und 6. Die acht vollständig domestizierten Pferde, die in der Studie verwendet wurden, gehörten der Rasse Mangalarga Marchador an. Sie hatten höhere Körperkonditionswerte von 8 und 9.
Die Forschenden verwendeten archivierte Lamellengewebeproben dieser Tiere, die in Ställen gehalten werden. Dazu hatten diese Pferde 150 Tage lang verdauliche Energie erhalten, die dem Doppelten ihres eigentlichen Erhaltungsbedarfs entsprach. Die Hälfte des täglichen Energiebedarfs wurde als Kraftfutter und die andere Hälfte als Raufutter (2 Prozent des Körpergewichts des Pferdes) bereitgestellt. Dabei erklärten die Forscher, dass es im modernen brasilianischen Pferdemanagementsystem üblich ist, dass Pferde in Stallhaltung übermäßiges Futter erhalten.
Huf zeigte Brüchigkeit im Lamellengewebe
Alle Lamellenproben der 20 Pferde wurden unter dem Mikroskop untersucht. Die ersten Ergebnisse waren deutlich. Danach wiesen die Pferde, die unter halbwilden Bedingungen aufgezogen wurden, gesündere lamellare Hufeigenschaften auf als die Mangalarga Marchador-Pferde. Die Puruca-Pferde hatten trotz ihrer kleineren Statur eine größere Länge und Breite ihrer primären und sekundären epidermalen Lamellen als andere Rassen. Und: Die Mangalarga Marchador Pferde waren die einzigen, die Anzeichen von Brüchigkeit im Lamellengewebe zeigten, so die Forscher.
Bei der Erörterung ihrer Ergebnisse sagten die Forscher: Ihre Studie zeige, dass halbwilde Pferde trotz mikroskopischer Unterschiede, die durch Umwelt, Ernährung und den natürlichen Hufselbsterhaltungsprozess entstehen, gesünderes Lamellengewebe aufweisen als Pferde, die in Intensivhaltung leben. Die Mangalarga Marchador Pferde, die hohe Konzentrationen an nicht-strukturellen Kohlenhydraten erhielten, wiesen Läsionen im Lamellengewebe auf. Das sei nicht überraschend, da in dieser Versuchsgruppe bereits zuvor hormonelle Ungleichgewichte festgestellt worden waren.
Stallpferde: Anfangsstadium einer Hufrehe
"Diese Ergebnisse stimmten mit dem Anfangsstadium der Hufrehe überein", so die Forschenden. Demnach befanden sich die Mangalarga Marchador Pferde im Frühstadium der Insulin-Dysregulation. Zwar sind die Forschenden mit ihren Interpretationen vorsichtig, da zum Beispiel nur wenige Pferde untersucht wurden. Aber: "Dies ist jedoch die erste Studie, die zeigt, dass semi-wilde Pferde lamelläre histologische Merkmale aufweisen, die sich stark von denen unterscheiden, die bei Pferden beobachtet werden, die im Stall und übermäßig gefüttert werden." Die Forschenden sind überzeugt: "Weitere Studien mit größeren Stichprobengrößen sind notwendig, um die histologischen Muster von semi-wilden Pferden zu beschreiben." © Pferde.de
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