Es war ein Rückschlag für die Arterhaltung: Das weltweit letzte Nördliche Breitmaul-Nashorn-Männchen "Sudan" musste 2018 eingeschläfert werden. Seine Geschichte widmet sich jetzt der Film "Remembering Sudan."

Mehr zum Thema Haustiere

In ihrem neuen Film "Remembering Sudan" dokumentiert die US-amerikanische Dokumentar- und Tierfilmerin Ami Vitale die bedingungslos Hingebung der Wildhüter im kenianischen Tierschutzgebiet "Ol Pejeta", um das faszinierende Nashorn vor Bedrohungen zu schützen und vor dem Aussterben zu bewahren. Besonders beeindruckend und herzzerreißend ist die Beziehung zwischen dem Wildhüter Zacharia Mutai und dem Nashorn-Bullen "Sudan". Der Film ist im Rahmen der ÉCU 2023 – des Europäischen Independent Film Festival – für die Kategorie "dramatischer Kurzfilm" ausgewählt.

"Sudan" war das letzte, in der Wildnis geborene männliche Nördliche Breitmaulnashorn-Männchen der Welt. Nördliche Breitmaulnashörner unterscheiden sich von der südlichen Art hauptsächlich durch breitere Füße, die es ihnen ermöglichen, sich auch im sumpfigen Gelände fortzubewegen. Südliche Breitmaulnashörner haben einen etwas längeren Körper, kürzere Beine und eine längere Zahnreihe, mit der sie besser die Büsche anknabbern kann.

Der Nashorn-Bulle "Sudan" schaffte es, der Wilderei zu entkommen und wurde 1975 mit weiteren Nashörnern in einen tschechischen Zoo gebracht. Die erwünschte Fortpflanzung blieb allerdings erfolglos. 2009 kehrten die Nashörner wieder nach "Ol Pejeta" zurück, aber auch hier scheiterte die natürliche Fortpflanzung.

Im Laufe der Jahre litt "Sudan" immer mehr an altersbedingten Krankheiten, er hatte Infektionen und konnte zum Schluss nicht mehr stehen. Im März 2018 wurde er schließlich im Alter von 45 Jahren – das entspricht einem Menschenalter von 90 Jahren – eingeschläfert. Der Bulle hinterließ Tochter "Najin" und Enkelin "Fatu". Die beiden Nashorn-Weibchen sind jetzt die letzten ihrer Art.

Ein Kilo Nashorn-Horn kann bis zu 60.000 US-Dollar kosten

Nach seiner Rückkehr in das Tierschutzgebiet "Ol Pejeta" hatten bewaffnete Wildhüter "Sudan" 24 Stunden am Tag bewacht, damit er nicht wegen seines kostbaren Horns erschossen werden konnte. Die immer noch stattfindende Jagd auf die Tiere ist ein ausschlaggebender Grund für das drohende Aussterben der Art. Denn der Preis für das Horn ist oft doppelt so hoch wie der für Gold: zwischen 20.000 und 60.000 US-Dollar pro Kilo Horn. Der WWF schätzt, dass der Handel mit dem Horn jedes Jahr mehrere Millionen US-Dollar umsetzt. Im ersten Halbjahr 2021 fielen 249 Nashörner der Wilderei zum Opfer.

Vor allem in Asien besteht ein Markt für pulverisiertes Nashorn-Horn. Das Pulver wird als Statussymbol angesehen, da es sich nur sehr wohlhabende Menschen leisten können. Zum anderen glauben viele asiatische Kulturen an die heilende Wirkung des Horns. Ähnlich wie menschliche Fingernägel besteht auch das Horn hauptsächlich aus Keratin. Der Aberglaube um die medizinische Wunderwirkung – etwa im Kampf gegen den Krebs – ist medizinisch allerdings nicht bewiesen.

Neben der Wilderei gibt es aber auch behördlich genehmigten Jagd-Tourismus. Bis zu 50.000 US-Dollar zahlen Trophäenjäger für den Abschuss eines Nashorns!

Künstliche Befruchtung ist die letzte Möglichkeit, die Art zu erhalten

Während "Sudans" Tochter und Enkelin die zwei letzten Nördlichen Breitmaulnashörner sind, gelang es, die Population der Südlichen Breitmaulnashörner in Afrika zu sichern. Heute leben circa 20.000 Nashörner im südlichen Afrika, sie sind laut der IUCN als "gering gefährdet" eingestuft.

Das internationale "BioRescue"-Konsortium – bestehend aus einem Team von Wissenschaftlern und Naturschützern – will unter anderem durch künstliche Befruchtung erreichen, dass baldmöglichst eine kleines, Nördliches Breitmaulnashorn-Baby wieder das Licht der Welt erblickt. Und auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt das Forschungsprojekt "BioRescue" mit vier Millionen EURO.

Bei diesem Vorgang werden bereits seit 2019 den beiden Nashorn-Kühen "Najin" und "Fatu" Eizellen entnommen, um diese außerhalb ihres Körpers mit Spermien zu vereinen. Diese Spermien stammen von vier bereits verstorbenen, Nördlichen Breitmaulnashörnern und lagern bei Minus 196 Grad Celsius in flüssigem Stickstoff am IZW (Leibniz-Institut für Zoo und Wildtierforschung). Unter dem Mikroskop werden die Spermien direkt in die Eizelle gespritzt. Nach dieser künstlichen Befruchtung soll der Embryo in die Gebärmutter eines Südlichen Nashornweibchens eingepflanzt werden. Diese Weibchen fungiert dann als Leihmutter, da weder "Najin" noch "Fatu" aus gesundheitlichen Gründen Nachwuchs austragen können.

Insgesamt gibt es bereits mehr als 14 lebensfähige Embryonen des Nördlichen Breitmaulnashorns (Stand 07.09.2022). Noch sind die Embryonen in flüssigem Stickstoff konserviert, um einen günstigen Zeitpunkt zu finden, diese dann Südlichen Breitmaul-Nashorn-Leihmüttern einzusetzen. Die Wissenschaftler hoffen sehr, dass die Methode funktionieren wird.

Kurzfilm "Remembering Sudan" spendet Einnahmen

Die Einnahmen aus dem Kurzfilm "Remembering Sudan" sowie die Spenden, die die Homepage Remembering Sudan – Vital Impacts generiert, kommen dem kenianischen Tierschutzgebiet "Ol Pejeta" und seinen engagierten Tierschützern zur Erhaltung der vom Aussterben bedrohten Nördlichen Breitmaulnashörnern zugute.

Fakten über Fakten: Mehr Wissen aus der Tierwelt
Du liebst exklusive Geschichten und spannende Ratgeber aus der Welt der Tiere? Stöbere jetzt im DeineTierwelt Magazin!

"Remembering Sudan" ist ein Weckruf dafür, dass wir alles tun müssen, um die Artenvielfalt zu erhalten, denn jedes einzelne unserer tierischen Mitbewohner erinnert uns daran, wie faszinierend und vielfältig unsere gemeinsame Welt ist.  © Deine Tierwelt

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.