Zugegeben: Ein Buch können Pferde nicht lesen. Aber sie können Buchstaben unterscheiden – das zeigte jetzt eine internationale Studie aus Paris. Wie die intelligenten Wesen auf vier Hufen das genau machen, liest Du hier.…
Er galt als cleverstes Pferd der Welt: Hans, besser bekannt als "Kluger Hans". Der Orlow-Traber konnte angeblich rechnen und zählen. Doch in Wirklichkeit achtete Hans nur auf die Menschen. Und die gaben ihm ganz unbewusst Signale. Unwillkürlich nahmen die Fragesteller vor dem entscheidenden "korrekten" Hufklopfen des Pferdes eine gespannte Haltung ein.
Nach der "richtigen Antwort" zeigten sie, ohne es zu wollen, Signale der Erleichterung. Diese kleinsten Änderungen in der Körpersprache nahm Hans in 90 Prozent der Fälle wahr. Damit stand fest: Hans kann nicht rechnen. Dafür war die Wissenschaft um das "Cleverer-Hans-Phänomen" reicher… Also sind Pferde gar nicht so klug? Oder vielleicht doch? Das wollten Forscher genauer wissen. Sie fragten sich: Können Pferde zum Beispiel lesen? Oder besser: Können sie Buchstaben erkennen?
Fünf Pferde als tierische Testpartner
Um diese Frage wirklich sicher zu beantworten, erdachten die Forscher um Clara-Lynn Schubert von der Pierre & Marie Curie Universität in Paris ein System, damit es nicht zu einem "Cleverer-Hans-Phänomen" kommen kann. Als tierische Testpartner wählten sie fünf Garrano-Pferde, einer vom Aussterben bedrohten iberischen Ponyrasse.
Die fünf Pferde waren 13, acht, fünf, vier und zwei Jahre alt und lebten in einem halbfreien Gehege in der Nähe ihres natürlichen Lebensraums in der Serra d’Arga im Norden Portugals. Die Gruppe bestand aus einem Hengst, zwei erwachsenen Stuten und zwei Nachkommen. Die Älteste, eine Stute, konnte nur auf einem Auge sehen.
Buchstaben: Eine Karotte als Belohnung
Die Pferde wurden darauf trainiert, schwarze Kreise, die auf dem Bildschirm erschienen, mit der Nase zu berühren. Dann wurden sie auf ihre Fähigkeit getestet, zwischen einem O, B, V, Z und X zu unterscheiden, das in der Schriftart Arial angezeigt wird. Bei einer Unterscheidungsaufgabe hatten die Pferde zwei Auswahlmöglichkeiten.
Gaben sie die richtige Antwort, fiel ein Stück Karotte in eine Schüssel unter dem Touchscreen. Zuerst wurden die Pferde darauf trainiert, das X als negativen Reiz zu erkennen. Dafür hatte der große einzelne Bildschirm in der Mitte eine Holzstange. So konnten die Pferde nur die eine oder andere Seite berühren und nicht mit der Nase "rüberwischen".
Nur der Hengst kann nicht lesen
Für den Test gab es drei unterschiedliche Töne. Ein "Biep"-Ton wurde abgespielt, als die Buchstaben auf dem Bildschirm erschienen. Ein "Glockenspiel" ertönte, wenn das Pferd die richtige Antwort gegeben hatte. Ein "Summer"-Ton wurde abgespielt, wenn es die falsche Antwort war.
Das Erstaunliche: Alle Pferde lernten, mit ihrer Nase den Touchscreen zu berühren. Nur der Hengst konnte die Buchstaben nicht unterscheiden. "Die Fehlermuster und die Analyse der Formmerkmale zeigten, dass die gebogenen Buchstaben O und B den Pferden ähnlich sehen, ebenso wie die geraden Buchstaben Z, V und X", so das Studienteam.
Buchstaben: Mehr als 80 Prozent richtig erkannt
Die anderen vier Pferde hatten bei den Buchstaben eine Trefferquote von 80,4 Prozent. Das Ergebnis der Studie, so die Forschenden, steht im Einklang mit früheren Studien zur Formwahrnehmung bei anderen Tieren. Dazu betonten sie, dass das computergesteuerte Touchscreen-System gut funktioniert und eine präzise Steuerung erlaubt. Es erwies sich als objektiver und innovativer Weg, Kognition in einer sozial organisierten Gruppe von Pferden zu studieren. "Zusätzlich zu seinem Wert für psychophysische Tests ermöglichte das System, Pferde in ihrem sozialen Umfeld zu testen", so die Wissenschaftler. "Es stand ihnen frei, sich an der Aufgabe zu beteiligen oder, was möglicherweise noch wichtiger ist, jederzeit die Sitzung zu beenden und zur Gruppe zurückzukehren." © Pferde.de
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