Eine EU-Bürgerinitiative hat dafür gesorgt, dass in der EU Tierversuche für die Chemikalientestung, in der Forschung und Lehre schrittweise beendet werden sollen. Tierversuche für Kosmetika finden aber weiterhin durch die Hintertür statt. Warum das so ist, verraten wir Dir hier.

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Seit April 2012 können Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union mithilfe der "Europäischen Bürgerinitiativen" (EBI) die EU-Kommission dazu auffordern, Änderungen in den Bereichen vorschlagen, die die EU-Kommission verantwortet.

Damit eine solche EBI rechtsgültig ist, sind die Unterschriften von mindestens 1 Million Bürgerinnen und Bürger aus wenigstens sieben EU-Staaten erforderlich. Die EBI ist damit eines der wichtigsten Instrumente der Europäischen Union, um die Gesellschaft an der Demokratie teilhaben zu lassen (EU-Sprech: partizipative Demokratie auf EU-Ebene).

Am 30. Juni 2021 registrierte die EU-Kommission offiziell die europäische Bürgerinitiative "Save Cruelty Free Cosmetics (Rettet tierversuchsfreie Kosmetika) – Engagiert Euch für ein Europa ohne Tierversuche".

1,2 Millionen Stimmen gegen Tierversuche

Innerhalb von 365 Tagen konnten insgesamt 1.217.916 Unterstützungsbekunden aus 27 EU-Ländern gesammelt werden. Nachdem die Behörden die Unterschriften auf Rechtsgültigkeit überprüft hatten, legten die Organisatoren – unter anderem "PETA", "Cruelty Free Europe", "Europäische Koalition zur Beendigung von Tierversuchen", "Eurogroup for Animals", "Human Society International Europe" und auch namhafte Kosmetikhersteller wie "DOVE" und "The Body Shop" – die Initiative am 25. Januar 2023 der EU-Kommission zur Prüfung und Beantwortung vor.

Mit dieser Initiative sprachen sich schon zum zweiten Mal über eine Million Menschen in der EU gegen Tierversuche aus. Bereits 2015 haben bei der EBI "Stopp Vivisection" (Vivisection= Operation am lebenden Tier zu Versuchszwecken) knapp 1,2 Millionen Menschen unterschrieben.

Und erst am 20. April dieses Jahres hat "Europäische Koalition zur Beendigung von Tierversuchen (ECEAE)" 165.770 europaweit gesammelte Unterschriften für ein Verbot von Botox-Tierversuchen an die "Europäische Arzneimittelagentur (EMA)" in Amsterdam übergeben.

Es gibt 1,2 Millionen Stimmen gegen Tierversuche.
Es gibt 1,2 Millionen Stimmen gegen Tierversuche. © Foto: unsplash.com/Ricky Kharawala (Symbolfoto)

Die Antwort der EU-Kommission liegt vor

Seit dem 25. Juli 2023 liegt die endgültige und detaillierte Antwort der EU-Kommission zur EBI vor – leider mit nur gemischten Ergebnissen.

Der Forderung der Initiative, die Chemikalienregulierung in der EU auf tierversuchsfreie Testmethoden umzustellen, trifft auf die Zustimmung der Kommission. Sie will nun einen Strategieplan zur Abschaffung aller vorgeschriebenen Tierversuche für Industriechemikalien, Pestizide, Biozide sowie Human- und Tierarzneimittel erstellen.

Außerdem soll ein Expertenausschuss eingerichtet werden, der bei der Entwicklung und Einführung von tierversuchsfreien Ansätzen berät. Weltweit stellen solche Tests mit giftigen Substanzen eine besonders grausame Form der Tierversuche dar. Auch Kanada hat bereits ein baldiges Ende dieser sogenannten Toxizitätstest angekündigt.

Tierversuchsfreie Alternativen sollen gefördert werden

Auch gegenüber der Forderung der Initiative, über die schrittweise Abschaffung aller Tierversuche zur Modernisierung der Wissenschaft, äußerte sich die Kommission grundsätzlich positiv. Um Tierversuche in Ausbildung, Forschung und Lehre zu beenden, soll die Entwicklung tierversuchsfreier Verfahren verstärkt gefördert werden.

Außerdem will man die Aktivitäten der EU-Mitgliedsstaaten und der nationalen Behörden in diesem Bereich besser koordinieren. Des Weiteren sollen Workshops die Forschungsbereiche definieren, die den Übergang zu einer tierfreien Wissenschaft beschleunigen können.

Tierversuche für Kosmetika durch die Hintertür

Die EU-Kommission zeigte jedoch kein Entgegenkommen bezüglich der Forderung nach einer konsequenten Durchsetzung des Verbotes von Tierversuchen für Kosmetika.

Zwar gibt es seit 2013 in der EU ein Vermarktungsverbot für Kosmetika, die an Tieren getestet wurde. Allerdings gibt es einen Widerspruch. Denn gleichzeitig schreibt die EU Tests zur Sicherheitsbewertung von Chemikalien vor, die in Kosmetika verwendet werden.

So werden Chemikalien, die in die Umwelt gelangen können, weiterhin nach der europäischen Chemikalienverordnung "REACH" auch an Tieren getestet. Und Entwürfe zur Aktualisierung der "REACH"-Verordnung deuten darauf hin, dass die Zahl der Tierversuche für Chemikalien in den kommenden Jahren stark ansteigen wird.

Somit unterläuft die EU ihr eigenes Vermarktungsverbot für Tierversuchs-Kosmetika. Indem sie Sicherheitsbewertung von den Chemikalien auch anhand von Tierversuchen vorschreibt, die in Kosmetika Verwendung finden.

Die Vorsitzende des "Bundesverbandes Menschen für Tierrechte" Christina Ledermann begrüßt grundsätzlich die Pläne der EU-Kommission, Tierversuche für Chemikalientestung abzuschaffen. Auch die Verwendung von Tieren in der Forschung und Lehre zu reduzieren und perspektivisch ganz abzuschaffen, findet ihre Zustimmung.

Es gibt Kritik an der Entscheidung der EU.
Es gibt Kritik an der Entscheidung der EU. © Foto: unsplash.com/Oxana Golubets (Symbolfoto)

Das ist die Kritik an der Entscheidung

Jedoch kritisiert Ledermann die Entscheidung hinsichtlich der Kosmetika: "Allerdings stellen diese Maßnahmen nicht die grundlegende Reform dar, die die EU-Bürger:innen mittels der EBI fordern. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass die EU ihr eigenes Verbot von Kosmetik-Tierversuchen weiterhin untergräbt."

Auch Sabrina Engel, Vorsitzende des Organisationskomitees der EBI reagiert empört auf die Entscheidung: "…, aber wir verurteilen die Kommission aufs Schärfste, weil sie es versäumt hat, das Leiden Tausender Tiere in Kosmetiktests zu beenden."

Wie geht es jetzt weiter?

Die Ankündigungen der EU-Kommission sind teils positiv, teils ernüchternd. Die Organisatoren der EBI werden nun jeden Schritt, die politischen Prozesse verfolgen und beobachten. Sie wollen nicht aufgeben, bis die EU tatsächlich tierversuchsfrei ist. Das ist aber bitter nötig, denn nur aufgrund von weltweiten Tierversuchen sind einige Affen-Arten bereits vom Aussterben bedroht.

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