Vor einigen Wochen sorgte Gerhard Knauer für Schlagzeilen: Er stieg mit seinem Pferd in die Stadtbahn ein. Nicht der einzige Ausflug, den er mit seinem Tinker Sancho Pancho unternahm. pferde.de sprach mit dem 61-Jährigen über seine tierische Liebe, die ungewöhnlichen Ausflüge und wie es sich als "Star" in seiner Gegend lebt…
Es waren nur fünf Sekunden, aber die gingen viral: In dem Mini-Video steigt ein Cowboy mit seinem Pferd in die Straßenbahn. Fahrgast "gerome0711" und nahm die Szene mit seinem Handy auf und schickte den Clip an den Instagram-Account "stuttgarter.meme". Dort wurde das kurze Video mit dem "Fellbacher Cowboy" zum Hit. Der Cowboy heißt eigentlich Gerhard Knauer. Durch das virale Video wurde der 61-Jährige über Nacht über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. "Verrückt", sagt er dazu. – Damit meint nicht seinen Ausflug in die Straßenbahn…
Doch wie kam er auf die Idee? Und überhaupt: Wie und wann kam er aufs Pferd? "Erst spät, mit 45 Jahren", sagt er lachend. "Schuld" ist seine Tochter. "Sie war absolut pferdeverrückt. Und dann wollte ich es auch mal probieren", erzählt er. Doch das war gar nicht so leicht. "Ich hatte Probleme, Unterricht zu bekommen. Die Angebote passten zeitlich nicht mit meiner Arbeit zusammen." Die Lösung des Problems: ein eigenes Pferd!
Tinker Sancho genießt die Ausflüge
"Wir haben uns damals eine neunjährige Stute gekauft", sagt Knauer lachend. "Eigentlich Wahnsinn. Meine Tochter war acht Jahre alt, ich hatte keine Ahnung von Pferden. Und dann holten wir uns eine Stute, die völlig unausgebildet ist…" Doch es geht gut. "Meine Tochter hat sie ausgebildet und auch bis L-Kandare platziert." Doch für ihn ist die Dressur nichts. "Ich bin lieber ausgeritten und habe dafür immer den Westernsattel genommen", sagt Knauer.
Später kam dann auch Sancho Pancho zu ihnen. "Auch er ist bis L platziert", sagt Knauer. Doch für den heute 16-jährigen Tinker ist die Turnierkarriere schon länger vorbei. "Er bekam Arthrose, hatte dadurch Schmerzen", sagt der Fellbacher Cowboy. Mit einer Therapie und speziellen Eisen ging es ihm wieder besser. "Heute ist er schmerzfrei unterwegs. Und er genießt unsere Ausflüge."
Waldwege wurden irgendwann langweilig
Die Ausflüge haben es in sich, wie Knauer zugibt. "Wir waren schon öfter in der Stadt unterwegs, zum Beispiel an der Fellbacher Markthalle." Wie er auf die Idee kam? "Wenn man die bekannten Waldwege schon hunderte Mal geritten ist, wird es irgendwann langweilig. Zu lang sollen die Strecken aber auch nicht sein. Also dachte ich: Ich reite mal Richtung Stadt, mal gucken, was passiert."
Für Sancho Pancho sind diese Ausflüge mittlerweile fast Alltag. "Wir waren auch schon in Stuttgart beim Weinfest oder in Bad Cannstatt beim Riesenrad", so Knauer. Selbst zur Wahl sattelt er seinen Tinker: "Ich bin dann zum Wahllokal geritten, hab schnell mein Kreuz gemacht und dann ging es entspannt wieder zurück." Sogar beruflich hilft Sancho Pancho manchmal mit: Knauer hat einen Reitsportversand. Und wenn die Kunden in der Nähe wohnen, bringt er die Ware schon mal direkt ins Haus – natürlich stilecht im Sattel. "Die Päckchen kommen dann hinten ran…", sagt der reitendende Lieferant.
Straßenbahn: Es war eine spontane Idee…
Aber wie kam er mit seinem Pferd in die Straßenbahn? Knauer lacht: "Das war eine spontane Idee. Die Straßenbahn stand da, der Fahrer hat mir zugewunken. Da habe ich gefragt, ob wir mitfahren können. Und er hat ‚Ja‘ gesagt." Sancho Pancho fand die Idee offensichtlich auch gut, denn er stieg sofort in die Bahn ein. "Für ihn war das wie ein Hänger, in den steigt er ja auch direkt ein", sagt der Fellbacher Cowboy. Und er wäre auch wirklich mitgefahren, nur: "Es war zu eng, Sancho konnte sich nicht umdrehen. Deshalb sind wir direkt wieder ausgestiegen."
Dass dieser kurze Moment aufgenommen wird und viral geht – das hätteKnauer nicht geahnt. "Es war Sonntag, morgens um 9 Uhr. Da war nichts los." Und berühmt werden wollte er auch nicht. "Das ist nicht mein Ding", sagt Knauer. Doch bislang kann er damit umgehen. "Es hat sich noch niemand aufgeregt. Im Gegenteil: Ich werde von allen Leuten freundlich angelächelt. Eine Frau wollte sogar ein Foto von uns machen – für ihre Tochter, die gerade in China lebt."
Mit Tinker Sancho kommt er überall hin
Gibt es denn nichts, wovor Sancho Pancho Angst hat? "Naja, es gibt schon zwei Stellen, die er nicht mag", gibt Internetsensation Knauer zu. "Eine davon ist eine Kreuzung, die ist ihm nicht geheuer. Dort steige ich ab und führe ihn. Dann ist für ihn alles okay. Ansonsten kann ich mit ihm überall hin. Er zuckt zwar mal, aber er geht nicht durch oder springt zur Seite." Ob er noch andere Ziele hat? Knauer lacht: "Wir werden sehen, was noch kommt." Und vielleicht ist es dann wieder eine neue Geschichte… © Pferde.de
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