- Motiviert im Job zu bleiben, fällt vielen in der langen Coronakrise immer schwerer.
- Eine Karriereberaterin beruhigt: Dass es beruflich stetig bergauf gehen muss, sei ein Mythos.
- Im Interview gibt sie Tipps, wie man diese Zeit jetzt nutzen kann.
Allgemeine Erschöpfung, Frust, oft auch ein Gefühl der Gleichgültigkeit: Bei allen Meinungsverschiedenheiten sind das Stimmungen, die alle verbinden in der anhaltenden Coronakrise. Dieses Gefühl der Mattheit beschrieb die "New York Times" kürzlich mit dem Ausdruck "Languishing" (englisch für ermattet sein oder dahindümpeln). Man ist sogar gleichgültig gegenüber der eigenen Gleichgültigkeit. Alles läuft irgendwie auf Sparflamme.
Da jetzt beruflichen Ehrgeiz aufzubringen, fällt vielen schwer. Müsste man nicht aber gerade jetzt an seiner Karriere arbeiten, vorankommen, aufblühen - gerade, wenn man am Anfang oder in der Mitte seines Berufslebens steht? Die Psychologin und Karriereberaterin Madeleine Leitner rät im Interview zu einem realistischeren Ansatz.
"Wer jetzt noch jubiliert, muss schon eine Frohnatur sein"
Frage: Frau Leitner, warum fällt es uns in der Pandemie so schwer, motiviert zu bleiben?
Madeleine Leitner: Die Corona-Pandemie zieht sich ja nun schon wirklich lange hin. Psychologisch gesehen wäre es einfacher, wenn das Ende einer Krise abzusehen wäre. Dann könnte man sagen, bis zu diesem Zeitpunkt hält man die Sache noch aus.
Aber dass es in den vergangenen Monaten so wenig Planbarkeit gegeben hat und auch immer noch nicht wirklich absehbar ist, wie es weitergeht, macht die Leute wirklich mürbe. Jegliche Planung ist obsolet. Wer da jetzt noch aufsteht und jubiliert, der muss schon eine Frohnatur sein.
Aber was ist mit dem Gedanken: Eigentlich müsste ich in meiner Karriere jetzt doch vorankommen?
Ganz generell steckt hinter solchen Ansprüchen ein traditionelles Modell von Karrieren, ja nahezu ein Weltbild, bei dem es immer bergauf gehen muss. Das war vor allem bis vor 20 oder 30 Jahren sehr verbreitet. Den Gedanken, man könne Karriere auf diese Art und Weise planen, den kann man sich allerdings an die Backe schmieren. Für mich ist das ein Mythos.
Wenn ich zurückschaue auf meine Beratertätigkeit, gab es da immer wieder Ereignisse und Krisen, die jegliche Planung durchkreuzt haben. Das war um die Jahrtausendwende die Start-up- und New Economy-Bubble, die geplatzt ist. Dann kam die Finanzkrise nach der Lehman-Pleite, später die Euro-Krise. Das heißt, wir haben in den letzten 20 Jahren immer wieder Ereignisse gehabt, die verschiedenen Berufsgruppen das Weiterkommen für eine Zeit lang verbaut haben.
Ziele nicht überbewerten - Corona für Sortierung nutzen
Also müssen sich junge Menschen einfach erstmal daran gewöhnen, dass sie ihre beruflichen Ziele nicht immer sofort erreichen.
Allein dieses Thema Ziele! Das war eine Zeit lang in der Psychologie sehr en vogue. Das ist aber nur eine Ideologie, eine Denkrichtung. Sich Ziele zu setzen, kann nur ein Baustein von vielen sein. Ich glaube, das macht ganz viele einfach verrückt, dieses Durchplanen bis zum Lebensende.
Man kann ruhig versuchen, eine Richtung reinzubringen, aber es ist ein großer Luxus, wenn das wirklich klappt. Gleichzeitig sollte ich aber mindestens einen Plan B in der Tasche haben, und eine Variante vordenken, die mir auch in Krisenzeiten beruflich weiterhelfen kann.
Was hilft gegen dieses Mattheitsgefühl?
Was ganz gut ist für die Phasen, in denen nichts geht, etwa weil man gerade keinen Job hat, nicht an ein Praktikum kommt oder anderweitig feststeckt: Eine Weiterbildung machen, eine Promotion dranhängen, ich kenne auch Frauen, die haben erstmal ein Kind bekommen. Man kann sich auch sagen: Es geht jetzt nicht weiter, dann parke ich hier, und mache mir erstmal grundsätzlich Gedanken über meine Lebensplanung.
Natürlich kommt es auch sehr auf die Branche an, in der man tätig ist. Es gibt immer noch bestimmte Branchen, die haben ein sehr traditionelles Karrierebild. Wenn Sie da auch nur kurz arbeitslos sind, müssen Sie sich schon rechtfertigen. Ich kenne etwa Ingenieure, für die war das, was sie in einer Krisenphase aus Verlegenheit gemacht haben, aus Karrieresicht fast nicht mehr rückgängig zu machen.
In konservativen Branchen sollte man also aufpassen, dass man nicht zu flexibel ist mit dem Zwischenprogramm. Aber eigentlich habe ich gemerkt, selbst die Ingenieure sind flexibler geworden. Statt Aufstieg geht es verstärkt um Projekte, und auch Pausen sind mal drin. Das ist ja schon alles sehr viel besser geworden.
Was ich an der Wechselfront über die Jahre beobachtet habe: Wenn Krise ist, bleiben alle Mäuschen unter Deck. Sobald die Wirtschaft anzieht, kommen die alle aus ihren Löchern, und wollen unbedingt einen besseren Job. Wenn es tatsächlich so ist, dass die Wirtschaft bald wieder brummt, dann wird sich da viel bewegen.
Energien gut einteilen, nicht zu weit im Voraus denken
Und wie komme ich bis dahin aus meinem Dümpel-Modus?
Es gibt Situationen, in denen kann man einfach nichts ändern, außer die eigene Einstellung. Und man kann sein Energielevel etwas im Blick behalten: Ich sollte mich nicht fürchterlich über Dinge aufregen, die ich ohnehin nicht ändern kann. Am besten denkt man nicht zu weit im Voraus, sondern eher in Wochen und Tagen.
Wenn man gerade nur lethargisch rumliegt, muss man sich erst wieder etwas berappeln. Anstatt große Baustellen aufzureißen, sollte man lieber an der Vorstellung feilen, was man sich eigentlich beruflich erwartet.
Der Vorteil an der Pandemie ist, dass man dafür viel Zeit hat. Wenn man dann weiß, was man will und die Augen offenhält, ist man auch sprungbereit. Und wenn dann der Zeitpunkt kommt und wieder mehr möglich ist, kann man seine Vorstellungen aus der Tasche ziehen. (Amelie Breitenhuber, dpa/af)
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