Bad Nenndorf - Im Grunde ist es einfach: Weniger Schwimmbäder bedeuten weniger Schwimmunterricht - und weniger sichere Schwimmer. In der Corona-Pandemie gab es zeitweise überhaupt keinen Schwimmunterricht.
Die Folge: Der Anteil der Nichtschwimmer unter den Grundschülerinnen und Grundschülern in Deutschland hat sich einer neuen Forsa-Umfrage zufolge binnen fünf Jahren verdoppelt.
Dabei ist es wichtig, dass sich Kinder schon früh mit Wasser vertraut machen. Denn dann stehen die Chancen laut der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) gut, dass sie später sichere Schwimmer werden.
Die Grundfertigkeiten, die es für ein Wasserratten-Dasein braucht, können Eltern spielerisch mit ihren Kindern üben. Die DLRG hat dafür Tipps, die übrigens auch in der Badewanne funktionieren:
Die Augen ans Wasser gewöhnen
Beim Duschen oder Baden etwa sollten Eltern darauf achten, dass schon den Kleinen immer mal wieder Wasser oben über den Kopf und das Gesicht läuft. Kleine Gießkannen oder Eimer machen das spaßiger.
Auf Dauer lernen die Kinder dadurch, Wasserspritzer in den Augen zuzulassen. Das wirkt sich auch auf den Lidschlussreflex aus. Die Kinder können ihn mit der Zeit immer besser kontrollieren - und später beim Tauchen die Augen offen halten. Das ist laut DLRG gerade in Gefahrensituationen wichtig. Denn so können sich die Kinder unter Wasser orientieren.
Ausatmen im Wasser lernen
Wer gelernt hat, im Wasser auszuatmen, verschluckt sich nicht so schnell. Dabei hilft den Kleinen ein Strohhalm, mit dem sie Luftblasen ins Wasser blubbern können. Eltern können die Länge der Strohhalme variieren, die sie ihren Kindern dafür geben, rät die DLRG. Erst ein langer, dann ein kurzer. So kann sich der Nachwuchs immer mehr ans Wasser herantasten.
Spaßiger wird es, wenn die Kinder mit dem Strohhalm einen Tischtennisball vor sich herpusten. Das Ziel soll sein, dass die Kleinen am Ende ihr Gesicht ins Wasser legen und dort ausatmen können, so die DLRG.
Tauchen üben
Erste Tauchversuche des Kindes können Eltern spielerisch begleiten - auch in der Badewanne. Der Klassiker sind Tauch-Ringe oder Tauchtiere, die die Kleinen wieder an die Wasseroberfläche befördern.
Eltern können aber auch ein Ratespiel draus machen, indem sie unter Wasser eine bestimmte Anzahl an Fingern zeigen, die das Kind dann nach dem Auftauchen nennt.
Repräsentative Umfrage im Auftrag der DLRG
Im vergangenen Jahr hätten 20 Prozent der Kinder zwischen sechs und zehn Jahren nicht schwimmen können - fünf Jahre zuvor seien es 10 Prozent gewesen. Die DLRG, nach eigenen Angaben Deutschlands größter privater Anbieter in der Schwimmausbildung, hatte die repräsentative Umfrage in Auftrag gegeben. Die bislang letzte vergleichbare Studie gab es 2017. Im August 2022 wurden bundesweit 2000 Menschen ab 14 Jahren befragt. Dabei ging es unter anderem darum, ob sie sich als Nichtschwimmer, unsichere Schwimmer oder sichere Schwimmer einschätzen.
Mit 57 Prozent ist der Anteil der Kinder, die von ihren Eltern als sichere Schwimmer eingestuft werden, im vergangenen Jahr beinahe gleichgeblieben - 2017 waren es 59 Prozent, 2010 sogar 64 Prozent. Dabei steigt der Anteil der angeblich sicheren Schwimmer mit dem Alter: 26 Prozent der Eltern von Sechsjährigen gaben an, ihr Kind schwimme schon sicher. Bei den Zehnjährigen waren es 83 Prozent. Nur: Aus DLRG-Sicht fällt vielen Eltern diese Einschätzung schwer. "Mütter und Väter sind noch allzu oft der Meinung, ihr Kind kann schwimmen, wenn es das Seepferdchen hat", sagte Christian Landsberg, Leiter Ausbildung im DLRG-Präsidium. "Da sind sie jedoch auf dem Holzweg."
Viele Kinder ohne Schwimmabzeichen
Denn das Seepferdchen bescheinige das Beherrschen wichtiger Grundlagen, sicher schwimmen könne erst, wer den Freischwimmer, also das Bronze-Abzeichen, abgelegt habe, erklärte Landsberg. Allerdings hätten 21 Prozent der Kinder, die nach Einschätzung der Eltern sicher oder zumindest unsicher schwimmen können, kein einziges Abzeichen absolviert. Die DLRG geht davon aus, dass sechs von zehn Kindern oder 58 Prozent am Ende der Grundschulzeit keine sicheren Schwimmer sind.
Die Umfrage ergab: Mehr als jedes zweite Kind (54 Prozent) zwischen sechs und zehn Jahren hat das Seepferdchen, 2017 waren es 69 Prozent. Den Freischwimmer haben 24 Prozent der Kinder absolviert, 13 Prozent können Silber und drei Prozent Gold nachweisen. Unter den Kindern ab zehn Jahren haben 42 Prozent den Freischwimmer absolviert, 24 Prozent haben Silber und acht Prozent Gold. Über sich selbst sagte die Hälfte der Befragten, gut oder sehr gut schwimmen zu können. Von den Menschen mit Hauptschulabschluss beurteilten sich nur 35 Prozent als gute Schwimmer, von den Menschen mit Migrationshintergrund 38 Prozent - und von den Älteren über 60 nur 37 Prozent.
Deutliche Unterschiede nach Einkommen
"Was uns in der Deutlichkeit überraschte, sind die Unterschiede nach Einkommen", meinte Vogt. Denn fast die Hälfte (49 Prozent) der Kinder aus Haushalten mit einem monatlichen Nettoeinkommen unter 2500 Euro kann der Umfrage zufolge nicht schwimmen - bei einem Haushaltsnettoeinkommen über 4000 Euro sind es zwölf Prozent. Vogt betonte: "Schwimmen zu können darf keine Frage des Geldes sein. Umso wichtiger ist es, dass jede Schule in die Lage versetzt wird, das Schwimmen angemessen zu unterrichten."
Dafür sind allerdings Bäder nötig. Doch in der Energiekrise will nach einer unlängst veröffentlichten Umfrage der Beratungsgesellschaft Ernst & Young knapp jede dritte Kommune in Deutschland Hallen- und Freibäder schließen oder den Betrieb einschränken, viele haben dies schon umgesetzt. Das merken auch die Ausbilder: Die abgesenkte Wassertemperatur erschwere die Ausbildung der Jüngsten, sagte Arne Grosser, DLRG-Schwimmausbilder aus Hannover. "Wir haben donnerstags für die Seepferdchen-Gruppe eine Stunde angesetzt, können die Zeit aber meist gar nicht voll ausnutzen. Die Kinder sind irgendwann durchgefroren und müssen früher raus. Da dauert es dann länger als üblich, das Kursziel zu erreichen." Außerdem seien wegen der hohen Nachfrage 30 Kindern im Kurs – "deutlich mehr als wünschenswert".
Nach den Forsa-Zahlen haben 87 Prozent der Befragten ein erreichbares Schwimmbad in der näheren Umgebung. 2017 waren es 92 Prozent. Bei Menschen aus Orten mit weniger als 5000 Einwohnern waren es 78 Prozent - nach 90 Prozent vor fünf Jahren. "Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Trend bei der Bäderversorgung weiter in die falsche Richtung läuft", kritisierte Vogt. © dpa
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