Vorschaubilder auf Videoplattformen wie YouTube wollen vor allem eins: die Aufmerksamkeit der Nutzerinnen und Nutzer erregen, damit diese auf die dahinterliegenden Videos klicken. Eine Studie legt nun nahe, dass schon diese Thumbnails für Kinder problematische Darstellungen oder Inhalte zeigen können. Wie können Eltern ihre Kinder vor solchen sogenannten Klickködern schützen?
Im Internet finden sich viele Videos, die nicht für Kinderaugen bestimmt sind. Das ist vielen Menschen bewusst. Doch selbst, wenn Kinder nicht aktiv danach suchen, werden sie mit problematischen Inhalten konfrontiert.
Und noch schlimmer: Sie müssen dafür nicht einmal die Videos schauen, oft reichen schon die Vorschaubilder auf den Plattformen, Thumbnails genannt. Diese werben laut einer US-Studie zum Teil auf drastische Weise - damit das Video geklickt wird.
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Wer Video-Plattformen wie YouTube nutzt, weiß: Zu jedem Video erhält man immer Vorschläge für weitere Videos, die zum Weiterschauen animieren sollen. Manche arbeiten dabei mit sogenannten Klickködern in Vorschaubildern und Überschriften, um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen.
Was Kinder dadurch teilweise zu sehen bekommen, ist Forschenden von der Universität von Michigan zufolge aber kaum untersucht. Wie kann man Kinder davor schützen?
"Gruselig, verstörend, bizarr": Kinder reizen die Inhalte für Erwachsene
Natürlich gibt es auch Video-Plattformen extra für Kinder, die eine altersgerechte Auswahl von Videos bieten. Doch diese seien meist nur für eine sehr junge Altersgruppe interessant, sagt der Jugendschutz-Experte Benjamin Thull von der Landesanstalt für Kommunikation (LFK) Baden-Württemberg.
Kinder ab einem bestimmten Alter merkten schnell, dass auf den offenen Plattformen für Erwachsene die viel spannenderen Inhalte zu finden seien. Das bestätigt auch der Medienwissenschaftler Christian Schicha von der Universität Erlangen. "Der Kinderkanal ist zwar interessant und lehrreich, aber eben nicht so reizvoll wie Inhalte, die gruselig, verstörend, bizarr sind."
Für die im Fachblatt "Jama" veröffentliche Studie simulierten die US-Fachleute deshalb Suchanfragen auf YouTube von Kindern im Alter von 6 bis 11 Jahre. In diesem Alter nutzten Kinder Medien selbstständiger und schauten dabei eher selten speziell für sie gemachte Inhalte, heißt es zur Begründung. Dabei nutzten die Forschenden in jenem Alter weit verbreitete Suchbegriffe, unter anderem beliebte Computerspiele, Influencer oder lustige Inhalte wie Memes.
Dann werteten sie aus, welche Videos dazu vorgeschlagen wurden, klickten eins davon zufällig an und schauten, welche Vorschläge am Ende des Videos wiederum erschienen. Fast 2.900 Thumbnails kamen auf diese Weise zusammen, deren Aufmachung die Forschenden analysierten.
Miniaturansichten auf YouTube wollen Neugier wecken
Das Ergebnis: Den Großteil dieser Miniaturansichten stuften die Forschenden als stark aufmerksamkeitsheischend oder problematisch ein. Sie nutzten etwa dramatische, verwirrende, gruselige oder schockierende Motive, um Neugier zu wecken. Viele setzten der Untersuchung zufolge auch auf Geschlechter-Stereotype, etwa übertrieben männliche oder weibliche Körper oder sexuelle Anspielungen.
Und: Je länger sich die Forschenden mit diesen von der Plattform empfohlenen Videos beschäftigten, desto mehr nahm deren Zahl zu. Andere problematische Videos wurden dagegen nicht öfter vorgeschlagen.
Was das mit Kindern macht und wie es sich auf ihren Medienkonsum auswirkt, haben die Autorinnen und Autoren der Studie nicht untersucht. Dazu brauche es weitere Forschung, schreiben sie.
Kinder sind Klickködern ausgesetzt
Aus Sicht des Erlanger Forschers Schicha zeigen die Ergebnisse, dass Kinder auf Video-Plattformen Klickködern ausgesetzt seien, die hochgradig problematisch seien und verstören könnten. "Ich finde das erschütternd, zumal es keine Schranken beim Zugang zu diesen Bildern gibt, auch wenn es nur diese Standbilder sind."
Die Bilder könnten schon allein wegen ihrer Masse beeinflussen, wie Kinder denken, sagt der Jugendschutz-Experte Thull. Etwa, dass das Aussehen entscheidend für die soziale Anerkennung sei. Oder dass es gesellschaftlich akzeptiert sei, Videos von Unfällen zu schauen, weil davon so viele auf den Plattformen zu finden seien. "Ich glaube aber, dass im Endeffekt das Video noch mal viel mehr Wirkmacht hat."
Was kann man dagegen unternehmen?
Das Problem an den Vorschaubildern allerdings ist: An ihnen kommt man nicht vorbei. Selbst, wenn man sich entscheidet, ein Video nicht anzuschauen. Den Inhalt des Thumbnails hat man da bereits wahrgenommen. Kinder davor zu schützen, ist deshalb schwierig.
"Die Thumbnails an sich sind in der Regel nicht justiziabel. Also das ist nicht etwas, was man qua Gesetz oder Regulierung untersagen könnte", erläutert Thull. Ausgenommen seien etwa pornografische oder extrem gewalttätige Inhalte, die gegen gesetzliche Vorgaben oder die Richtlinien der Plattformen verstießen und deshalb oft gar nicht hochgeladen werden könnten.
Gegen Aufmachungen vorzugehen, die für besonders viele Klicks sorgen sollen, hält er dennoch nicht für sinnvoll. "Das ist nichts, was man verbieten kann", betont er. Zudem könne man einer Plattform nicht vorschreiben, mehr dagegen zu unternehmen.
Wichtig finden er und Schicha deshalb, Kinder und Jugendliche darüber aufzuklären, wie Thumbnails wirken, und ihnen Medienkompetenz zu vermitteln. "In der Familie, in der Schule, also überall, wo Erziehung stattfindet, muss im Grunde darauf hingewiesen werden", meint Schicha. "Man sollte versuchen, ein vertrauensvolles Verhältnis zu seinen Kindern zu schaffen, mit ihnen über solche Bilder zu sprechen und ihnen klarzumachen, dass es für die psychische Gesundheit nicht gut ist, sich das anzugucken." (Irena Güttel, dpa/sbi)
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