32 statt 40 Stunden pro Woche arbeiten: Utopia-Redakteur Benjamin probiert es seit drei Monaten aus. Sein erstes Zwischenfazit ist nicht nur positiv.
Fünf Jahre lang habe ich in Vollzeit gearbeitet. Jede Woche 40 Stunden. Doch so ganz glücklich war ich nie. Ob trockene Augen, Rückenverspannungen oder mentale Erschöpfung: 40 Stunden pro Woche am Schreibtisch zu sitzen und auf einen Bildschirm zu starren, fühlte sich nie so ganz zufriedenstellend an.
32 Stunden, aber keine Vier-Tage-Woche
Ende 2023 fasste ich deshalb den Entschluss, meine Arbeitszeit zu reduzieren. Seit Januar 2024 arbeite ich nur noch 32 Stunden pro Woche, allerdings nicht innerhalb einer Vier-Tage-Woche, sondern verteilt auf fünf Tage. Ich habe nämlich nichts dagegen, fünf Tage pro Woche zu arbeiten. Ich mag es sogar, einen Teil meines Tages produktiv zu sein, damit sich der Feierabend umso mehr genießen lässt. Was mich jedoch stört, sind Acht-Stunden-Tage. Denn die sorgen dafür, dass meine Motivation gegen Ende des Arbeitstages oft stark abfällt und ich in meiner Freizeit so erschöpft bin, dass ich sie komplett der Regeneration opfern muss.
Jetzt arbeite ich relativ flexibel, mal vier, mal sechs, mal acht Stunden am Tag. Je nachdem, was die Situation gerade erfordert und wie fit ich mich fühle. Mein Gehalt wurde entsprechend gekürzt, ich bekomme also keinen Lohnausgleich.
Dennoch bin ich mir bewusst, dass die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit ein Privileg ist, das andere nicht haben. Viele müssen Vollzeit arbeiten, um überhaupt über die Runden zu kommen. Andere sind zur Teilzeit gezwungen, etwa Elternteile oder pflegende Angehörige aufgrund mangelnder Betreuungsmöglichkeiten. Dieser Artikel kann nicht all diese Perspektiven berücksichtigen, sondern gibt nur meine eigenen Erfahrungen wieder, um anderen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden wie ich, eine Entscheidungshilfe zu geben.
Die 32-Stunden-Woche: Pro und Contra
Mein Versuch hat sich jedenfalls ausgezahlt. Nicht weil seitdem alles perfekt läuft, sondern weil ich innerhalb der ersten drei Monate bereits einige wichtige Erkenntnisse sammeln konnte. Diese habe ich im Folgenden als Pro- und Kontra-Argumente für bzw. gegen mein 32-Stunden-Modell aufgelistet.
Pro: Ich bin viel entspannter
Seit ich in Teilzeit arbeite, geht es mir insgesamt besser. Ich bin nur noch selten erschöpft oder gestresst und wenn doch, dann habe ich genügend Zeit, mich davon zu erholen. Als ich noch 40 Stunden gearbeitet habe, fiel es mir oft schwer, in meiner Freizeit aktiv irgendwelchen fordernden Aktivitäten nachzugehen. Der Feierabend diente neben dem Sport, dem Haushalt und bürokratischen Erledigungen vor allem der Erholung. Ich musste den Akku vollständig aufladen. Tat ich das nicht, wurde der nachfolgende Arbeitstag hart.
Mit 32 Stunden ist die Lage viel entspannter. Mir bleibt selbst nach ausreichender Erholung immer noch Freizeit übrig, die ich in meine Hobbys oder andere sinnvolle Aktivitäten stecken kann. Zum Beispiel nehme ich nun gelegentlich an Webinaren zur Demokratieförderung teil und habe einen Online-Kurs zu Künstlicher Intelligenz absolviert. Dafür hätte ich früher keine Energie gehabt.
Kontra: Ich nutze meine Freizeit nicht so produktiv wie gedacht
Ich muss jedoch auch gestehen: Meine Erwartungen an die 32-Stunden-Woche waren etwas zu optimistisch. Ich dachte vorher wirklich, ich würde die neu gewonnen acht Stunden größtenteils produktiv einsetzen. Zum Beispiel hatte ich mir vorgenommen, Nachhilfe zu geben, gelegentlich freiberuflich Artikel für ein anderes Medium zu schreiben und endlich eine vernünftige Social-Media-Präsenz aufzubauen. Mit Ausnahme eines neuen Instagram-Profilbilds ist nichts davon passiert.
Ich weiß aus meinem früheren Arbeitsleben, dass ich 40 Stunden produktiv sein kann. Deswegen ist es etwas frustrierend, dass ich nun weniger schaffe, als ich mir vorgenommen habe. Ich habe mich eben schnell an die zusätzliche Zeit gewöhnt, bin etwas träge geworden und verbringe den größten Teil meiner Freizeit dann eben doch mit reiner Entspannung.
Pro: Ich bin produktiver bei der Arbeit
In meiner Freizeit bin ich zwar nicht so aktiv wie erhofft. Dafür arbeite ich jetzt in meinem Job deutlich motivierter, konzentrierter und somit auch produktiver, zumindest pro Arbeitsstunde. Auch meine Stimmung ist besser: Denn das Gefühl, während der gesamten Arbeitszeit ein hohes Maß an Motivation aufrechtzuerhalten, sorgt automatisch für bessere Laune.
Als ich noch 40 Stunden gearbeitet habe, kam oft folgender Gedanke hoch: Ich habe zu wenig Freizeit, um all das zu tun, was ich gerne möchte, und zu viel Arbeitszeit, in der das Hirn schon qualmt und eh nur noch auf Sparflamme läuft. Jetzt gehe ich ausgeruht in den Feierabend und freue mich, am nächsten Tag weiterzumachen. Tatsächlich überlege ich bereits, ob mir 32 Stunden nicht zu wenig sind und ich es vielleicht mal mit 36 Stunden ausprobieren sollte. Das hängt aber nicht nur mit meiner Motivation, sondern auch mit meiner nächsten Erkenntnis zusammen.
Kontra: Oft habe ich zu wenig Zeit für meine Arbeit
Bei der Umstellung von Vollzeit auf Teilzeit habe ich einen verbreiteten Fehler gemacht. Ich habe zwar meine Arbeitszeit reduziert, aber nicht meine Arbeit. Zwar gibt es durchaus Aufgaben, in denen ich meinen Output seitdem einfach verringern konnte, doch das ist nicht bei allem möglich.
Früher hatte ich Zeit, aber mir fehlte die Motivation. Jetzt ist es umgekehrt. Ständig muss ich meine Kolleg:innen vertrösten: "Gute Idee, aber ich habe keine Zeit." Das ist ärgerlich und gibt mir ständig das Gefühl, dass ich noch mehr leisten sollte. Andererseits lerne ich so auch, noch effizienter zu werden und klare Prioritäten zu setzen, um mich auf die wirklich wichtigen Aufgaben zu fokussieren.
Wer seine Arbeitszeit reduzieren möchte, sollte diesen Fehler dennoch vermeiden und sich vorher Gedanken machen, welche Aufgaben man möglicherweise abgeben kann.
Pro: Ich musste mich seit Jahresbeginn nicht krankmelden
Nach drei Monaten ist es noch zu früh, um zu sagen, dass die Teilzeitarbeit meine Gesundheit fördert. Fakt ist aber, dass ich seit Beginn des Experiments noch keinen einzigen Tag krankgeschrieben war. Das heißt nicht, dass ich überhaupt nicht krank war. Doch wenn ich mit einer leichten Erkältung aufwache und weiß, dass ich an dem Tag nur vier Stunden arbeiten muss, dann habe ich kein Problem damit – zumal ich fast ausschließlich im Home Office arbeite, wo ich niemanden anstecken kann.
Bei einem Acht-Stunden-Tag würde ich mich eher krankmelden, weil ich die Sorge hätte, ich könnte mich sonst nicht ausreichend auskurieren und würde die Krankheit nur verschleppen.
Kontra: Ich muss mit weniger Geld klarkommen
Die verringerte Arbeitszeit führt dazu, dass ich einige Hundert Euro weniger im Monat zur Verfügung habe. Ich kann mir das glücklicherweise zwar leisten, trotzdem merke ich, dass ich nun etwas stärker darauf achte, wofür ich mein Geld ausgebe. Natürlich wäre es schön, wenn ich mir solche Gedanken nicht machen müsste, aber die gewonnene Zeit finde ich trotzdem wertvoller. Zumal die Einkommenseinbußen bei Teilzeit aufgrund der progressiven Besteuerung geringer sind, als man im ersten Moment denkt: Denn obwohl sich mein Bruttolohn proportional zur Arbeitszeit um 20 Prozent reduziert hat, hat sich mein Nettolohn nur um etwa 16 Prozent verringert.
Nicht schön ist allerdings, dass weniger Geld auch weniger Rentenpunkte bedeutet. Das sollte einem auch bewusst sein, wenn man mit dem Gedanken spielt, die eigene Arbeitszeit mitsamt des Gehalts zu reduzieren.
Wie sinnvoll Teilzeit ist, hängt von der Job- und Lebenssituation ab
Mein Erfahrungsbericht kann keinesfalls stellvertretend für alle Branchen und Jobs darüber Auskunft geben, ob sich eine Reduzierung der Arbeitszeit lohnt. Auch die eigene Persönlichkeit spielt bei der Entscheidung eine Rolle.
Ich selbst habe in meinem Leben mehrfach Jobs und Abteilungen gewechselt und kam unterschiedlich gut mit meiner Arbeitszeit klar. Mal langweilte ich mich, mal kam ich selbst in Vollzeit kaum hinterher, weil zu viel von mir verlangt wurde. Bei einem anderen Job wiederum schaffte ich es tatsächlich, die 40 Stunden relativ zuverlässig mit konzentrierter Arbeit zu füllen. Das hängt sehr stark von der Tätigkeit ab und ob sich diese wirklich für acht Stunden am Stück oder 40 Stunden pro Woche gleichermaßen konzentriert ausfüllen lässt.
Ich kann nur empfehlen, es mal auszuprobieren – sofern der Arbeitgeber diese Option ermöglicht und man sich damit nicht in finanzielle Schwierigkeiten begibt. Nur so findet man heraus, welches Arbeitszeitmodell am besten zu einem passt.
Fazit: Noch habe ich die optimale Arbeitszeit nicht gefunden
Mein Experiment hat mir gezeigt, dass ich in meinem aktuellen Job mit 32 Stunden glücklicher bin als mit 40. Die Vorteile überwiegen, allerdings denke ich nun öfter darüber nach, ob ich möglicherweise übers Ziel hinausgeschossen bin. Denn 32 Stunden fühlt sich tatsächlich schon sehr wenig an.
Eventuell werde ich in Zukunft einen Mittelweg ausprobieren und um ein paar Wochenstunden erhöhen. Erstmal bleibe ich aber bei den 32. Vielleicht schaffe ich es ja doch noch, meine Trägheit zu überwinden und einige der Projekte anzugehen, die ich mir für meine neu gewonnene Freizeit vorgenommen hatte, umzusetzen. © UTOPIA
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.