Kleidung aus Kaschmir ist beliebt und die weltweite Nachfrage nach Kaschmirwolle ist hoch. Doch wie kann es sein, dass die edle Kaschmirwolle mittlerweile zu Discountpreisen angeboten wird?
Kleidungsstücke aus Kaschmirwolle sind besonders flauschig und weich. Die Luxuswolle wird weltweit immer beliebter und günstiger, sodass du Kaschmirpullover mittlerweile sogar beim Discounter zu Preisen von weit unter 100 Euro kaufen kannst.
Das Wichtigste in Kürze:
- Günstigere Kaschmirprodukte bestehen oft aus kürzeren Fasern, die die Feinheit des Kleidungsstückes beeinträchtigen und beim Waschen zu einer unerwünschten Knötchenbildung an der Oberfläche des Stoffes, dem so genannten Pilling-Effekt, führen können.
- Zudem wird oft an der Tierhaltung gespart, was Qualen für die Kaschmirziegen zur Folge hat.
- Nach Angaben der Tierschutzorganisation Vier Pfoten kann die Kaschmirproduktion zur Verwüstung von Weideland durch Überweidung führen.
Was führt zum hohen Preis der Kaschmirwolle?
Echte Kaschmirwolle ist teuer, weil sie ausschließlich aus dem ultrafeinen, weichen Unterfell von Kaschmirziegen gewonnen wird. Die meisten Kaschmirziegen werden laut Vier Pfoten in China, der Mongolei und Tibet gehalten, kleinere Mengen auch im Iran und in Australien. Den Herbst und Winter über setzen die Kaschmirziegen ihr wertvolles Fell an, um den kalten Winter zu überleben. Im Frühjahr wird das feine Unterfell dann ausgekämmt.
Das erfordert sowohl eine Menge Ziegen als auch eine Menge Arbeiter:innen. Je nach Größe und Qualität des Kleidungsstücks benötigt man das Unterfell von sechs Ziegen, um einen einzigen Pullover damit herzustellen.
Warum gibt es auch so günstige Kaschmirwolle?
Hersteller greifen zu verschiedenen Tricks, um Kaschmirwolle günstiger zu vermarkten. Dazu gehören:
- Materialien mischen: Reinen Kaschmirprodukten wird immer häufiger Schafswolle beigemischt.
- Minderwertiges Material: Auch bei reinem Kaschmir erhalten Käufer:innen nicht automatisch hochwertige Qualität. Kürzere Fasern des Fells neigen zum sogenannten Pilling – dabei entstehen kleine Knötchen im Gewebe, die den Pullover oder Schal fusselig aussehen lassen. Pilling ist jedoch kein Grund, das Kleidungsstück wegzuwerfen. Du kannst die Fussel einfach entfernen.
- Schlechtere Tierhaltung: Niedrigere Preise können auch dadurch erreicht werden, dass an der Tierhaltung und dem Arbeitsaufwand gespart wird. Dies führt zu schlechteren Bedingungen für Mensch und Tier in der Kaschmirproduktion, da alles sehr schnell gehen muss.
Warum wird Kaschmir kritisiert?
Mit der Frage, warum Kaschmirprodukte mittlerweile teils so billig zum Verkauf angeboten werden können, hat sich die Tierschutzorganisation PETA intensiv beschäftigt. PETA prangert an, dass an der Haltung der Tiere gespart wird, um den Verkaufspreis immer weiter zu drücken.
Lies auch: Warum du bei Ziegenkäse genauer hinschauen solltest
Die Kaschmirziegen werden ausschließlich ihrer Wolle wegen gezüchtet. Tiere, die nicht mehr als profitabel gelten, werden geschlachtet, da sich ihre Haltung finanziell nicht lohnt. In vielen Produktionsländern existieren keine ausreichenden Tierschutzgesetze, sodass es beispielsweise in China legal ist, die Ziegen ohne Betäubung verbluten zu lassen.
Zudem sind Kaschmirziegen im Winter auf ihre wärmende Unterwolle angewiesen, um sich vor dem rauen Klima in China und der Mongolei zu schützen, da sie nur wenig Körperfett ansetzen. Ohne dieses Fell sind die Tiere dem Wetter schutzlos ausgeliefert. Viele empfindliche Ziegen erfrieren nach der Schur aufgrund von Kälte, Wind oder Feuchtigkeit.
Auch beim Scheren gehen die meisten Mitarbeiter:innen nicht gerade sorgsam mit den Ziegen um. Da sie unter enormen Zeitdruck und Stress stehen, werden die Kaschmirziegen oftmals gewaltsam fixiert und erleiden tiefe Schnittverletzungen, wie die Beobachtungen von PETA zeigen.
Das solltest du beim Kauf von Wolle beachten
Doch nicht nur die Kaschmirziegen leiden laut PETA unter dem Kaschmirboom, sondern auch die Umwelt. Die Ziegen fressen täglich bis zu zehn Prozent ihres Gewichts an Gräsern und Kräutern. Dabei ziehen sie die Wurzeln mit aus der Erde und verhindern so, dass die Pflanzen erneut nachwachsen. Insbesondere die Mongolei hat mit einer starken Verwüstung von ehemaligem Weideland zu kämpfen.
Dem Tierwohl und der Umwelt zuliebe solltest du deshalb auf billig produziertes Kaschmir verzichten. Wenn du dennoch einen Kaschmirpullover kaufen möchtest, rät Utopia zu Secondhand-Produkten oder Kleidung aus recyceltem Material (Reißwolle). Einige Empfehlungen für solche Pullover findest du im folgenden Abschnitt.
Bei Neuware garantieren Siegel wie kontrolliert biologischer Tierhaltung (kbT), GOTS oder IVN, dass die Wollprodukte zumindest großteils von Tieren stammen, die gemäß den Richtlinien für ökologischen Landbau gehalten wurden und unter anderem Zugang zu Weideflächen hatten.
Eine lokale Alternative zu Kaschmirwolle ist Schafswolle. Auch hier solltest du dich unbedingt immer über die Haltungsbedingungen informieren. In unserem Artikel zu nachhaltiger Wolle zeigen wir dir, was du beim Kauf von Schafswolle beachten solltest.
Kaschmirpullover Secondhand kaufen
Nachhaltiger Konsum heißt: Nutze möglichst lange, was du hast, versuche dir etwas zu leihen oder kaufe gebraucht. Mit einem Gebrauchtkauf kannst du außerdem sichergehen, dass dein Kaschmirpullover kein neues Tierleid verursacht hat.
Natürlich kannst du bei gängigen Online-Portalen wie Vinted oder Kleinanzeigen nach passenden Pullovern suchen. Besonders bei einem etwas höherpreisigen Produkt wie einem Kaschmirpullover kann ein Kauf im geprüften Secondhand-Handel jedoch sicherer sein. Denn etablierte Secondhand Onlineshops versichern, ihre Ware auf Echtheit zu prüfen und bieten dir im Zweifel auch ein Rückgaberecht.
Diese Secondhand Onlineshops bieten beispielsweise gebrauchte Kaschmir-Pullover an:
- Momox Fashion: für Damen und Herren
- Sellpy: für Damen und Herren
Folgende Shops sind spezialisiert auf Secondhand-Designermode und bieten gebrauchte Kaschmirpullover besonders luxuriöser Marken an:
- Vestiaire Collective
- Revive Personality
Anmerkung der Redaktion: Wir schreiben in diesem Artikel von Damen und Herren, da die jeweiligen Produkte in den verlinkten Shops über diese Kategorien auffindbar sind. Natürlich kann aber jede:r – unabhängig vom biologischen Geschlecht und der Geschlechtsidentität – die Kleidung tragen, die einem am besten gefällt.
Pullover aus Recycling-Kaschmir
Sollte ein Gebrauchtkauf für dich nicht infrage kommen, kann ein Pullover aus recyceltem Kaschmirgarn eine gute Alternative sein.
Das italienische Modelabel Rifò hat sich zum Beispiel auf die Herstellung von Kleidungsstücken und Accessoires aus recycelten Textilien spezialisiert. Neben Baumwolle, Denim und Wolle kommt dabei auch erneuerte Kaschmirwolle zum Einsatz. Das dafür nötige Garn wird laut Hersteller mittels eines mechanischen und handwerklichen Prozesses aus Textilresten gewonnen. Produziert wird in Italien.
Kaufen: bei Avocadostore
Nachhaltige und vegane Alternativen zur Kaschmirwolle
Nicht nur Wolle aus Tierfell ist warm und kuschelig. In unserem Artikel über Wolle zum Stricken stellen wir dir mehrere vegane Alternativen zu Tierwolle vor. In unserem Artikel über vegane Kleidung findest du eine Vielzahl an Materialien, die für Sommer sowie Winter geeignet sind. Denn auch Kleidung aus Baumwolle, Bambus, Lyocell und Tencel, Modal, oder Viskose kann dich im Winter richtig warmhalten. Dabei musst du dich also nicht unbedingt nur zwischen synthetischen und pflanzlichen Fasern wählen: Viele Materialien sind natürlich und vegan.
Lies auch: Was ist nachhaltiger: Kleidung aus Wolle, Baumwolle oder Synthetik?
Weiterlesen auf Utopia.de:
- Schurwolle: Das ist der Unterschied zu "normaler" Wolle
- Angora-Wolle: Wieso du sie nicht kaufen solltest
- Mulesing – wie Merinoschafe für kuschelige Wollpullover leiden müssen
English version available: What Is Cashmere Wool, and Is It Sustainable and Ethical?
Überarbeitet von Melanie Grünauer © UTOPIA
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.