Wandern wird immer beliebter. Mit mehr Menschen am Berg häufen sich aber auch Notfälle. Wie beugt man Unfällen vor? Ein Experte der Bergwacht gibt Tipps.

Mehr zum Thema Reise

Die Entwicklung der deutschen TV-Landschaft ist sinnbildlich dafür, wie sehr die Berge im Trend liegen. Waren "Der Bergdoktor" oder "Die Bergretter" früher eher Nischenformate und der älteren Zielgruppe vorbehalten, sind sie mittlerweile Quotenrenner und auch bei vielen jüngeren Menschen beliebt.

Das zeigt sich auch im Tourismus: Mit mehr als 100 Millionen touristischen Übernachtungen im Jahr 2023 ist Bayern das meistbesuchte Bundesland Deutschlands. Die größte Zunahme verbuchte Oberbayern - neben der Landeshauptstadt München zieht es viele Besucher in die Alpen.

Der anhaltende Run auf die Berge stellt von lokalem "Overtourism" betroffene Regionen wie das Tegernseer Tal oder die Gegend rund um die Zugspitze vor Herausforderungen wie etwa die Steuerung des hohen Verkehrsaufkommens durch Tagesausflügler. Auch die Mitarbeiter und vielen ehrenamtlichen Retter der Bergwacht sind geforderter denn je.

"Mehr Menschen am Berg bedeutet letztendlich auch mehr Unfälle oder Notfälle."

Roland Ampenberger, Pressesprecher der Bergwacht Bayern

Roland Ampenberger, Pressesprecher der Bergwacht Bayern und selbst passionierter Bergsportler, sagt: "Dass die Berge immer beliebter werden, beobachten wir seit etwa 15 Jahren. Bergsport ist nicht mehr Nischensport, sondern Breitensport. Das ganze Jahr über, Tag und Nacht, bewegen sich immer mehr Menschen im Gebirge – durch die gute Erreichbarkeit gerade im bayerischen Alpenraum. Mehr Menschen am Berg bedeutet letztendlich auch mehr Unfälle oder Notfälle."

Die Berge und der Einfluss von sozialen Medien

Unlängst ging ein Video durch die Medien, das einen Besucher der Zugspitze in Sandalen am Klettersteig zum Gipfel zeigt: Ein Bergführer hatte es auf Facebook gepostet, mit dem ironischen Kommentar: "Heute waren wieder die Spezialisten unterwegs". Die Aufnahme wird unter Bergsportlern viel diskutiert. Auch Bergsteiger-Ikone Reinhold Messner echauffierte sich über das unvorsichtige Verhalten. Sorgen schlecht ausgerüstete Bergsteiger und Wanderer für mehr Rettungseinsätze der Bergwacht? Und welche Rolle spielen die sozialen Medien?

"Social Media spielt da schon eine große Rolle. Digital ist alles rund um die Uhr verfügbar. Da verschwimmt ein Stück weit die Realität beim einen oder anderen. Dann entstehen auch Situationen, in denen sich Menschen überschätzen, nicht die passende Ausrüstung dabei haben, mit der Ausrüstung nicht umgehen können oder das ganze Szenario Berg an sich nicht begreifen", sagt Roland Ampenberger.

Häufigste Ursache für Einsatz der Bergrettung: Stürze

Allerdings, so Ampenberger, könne ein Bergsteiger in perfekter Ausrüstung genauso verunglücken wie ein Berggeher in Sandalen: "Unfälle entstehen in der Regel nicht durch eine einzige Ursache. Oft kommt das eine zum anderen. Sei es die unpassende Ausrüstung, die fehlende Erfahrung oder die fehlende Fähigkeit, sich selbst einzuschätzen oder auch den Weg einzuschätzen."

Eine gewisse Freiheit am Berg solle man sich beibehalten. Aufgabe der Mitarbeiter der Bergwacht sei es nicht, über die Ausrüstung von Verunglückten zu urteilen, sondern sie zu retten. Verantwortungsvoll handeln sollte aber selbstverständlich jeder, den es in die Berge zieht.

Lesen Sie auch

Die häufigste Ursache für Einsätze der Bergwacht Bayern sind Stürze, die zu Verletzungen an Armen, Beinen, Kopf oder Gelenken geführt haben, berichtet Roland Ampenberger. "Die Rettung von unverletzten Personen ist zahlenmäßig wesentlich geringer als die Noteinsätze wegen Verletzungen. Die meisten Unfälle kommen durch Stürze zustande. Auch internistische Erkrankungen spielen eine Rolle."

Im Sommer 2023 wurden von der Bergwacht Bayern 1.788 Bergsteiger und 645 Mountainbiker gerettet, seltener Gleitschirmflieger, Kletterer oder Hüttenbesucher. Im Winter 2023 mussten vor allem Skifahrer von der Piste gerettet werden. Bei Aktivitäten wie Rodeln, Langlaufen oder Schneeschuhwandern kam es auch zu Unfällen, jedoch weniger häufig.

Bergunfällen vorbeugen – Checkliste

Um am Berg möglichst sicher unterwegs zu sein, sollten Touren gut geplant werden. Der Deutsche Alpenverein gibt folgende Empfehlungen:

  • Realistische Selbsteinschätzung: Bergwandern belastet Herz und Kreislauf. Die geplante Tour auf das Fitness- und Erfahrungslevel aller Teilnehmer anpassen und darauf achten, dass die Strecke ohne Zeitdruck geschafft werden kann.
  • Planung: Seriöse Quellen zur Tourenplanung verwenden und Strecke, Höhenmeter, Schwierigkeitsgrad und aktuelle Verhältnisse beachten. Auch regelmäßige Pausen einplanen. Vor dem Aufbruch sollte eine nahestehende Person über Ziel, Route und die ungefähre Zeit der Rückkehr informiert werden.
  • Wetterbericht: Das Wetter in den Bergen kann sich abhängig von der Topografie lokal sehr schnell ändern. Informieren Sie sich neben der allgemeinen Wettervorhersage auch über die Sonnenstunden, Niederschlagsmenge, Niederschlagswahrscheinlichkeit, Gewitterwahrscheinlichkeit, Neuschneemenge, Schneefallgrenze und Wind.
  • Ausrüstung: Der Rucksack sollte möglichst leicht sein. Unabdingbar sind jedoch Getränke und Energielieferanten wie Müsliriegel und Regen-, Kälte- und Sonnenschutz. Außerdem sollten ein Erste-Hilfe-Set, ein ausreichend geladenes Mobiltelefon, eine gute Karte oder ein GPS-Gerät eingepackt werden. Ein leichter Notfall-Schlafsack kann bei unfreiwilliger Übernachtung auf dem Berg vor Unterkühlung schützen. Passende wasserfeste Schuhe mit rutschfester Sohle sorgen für mehr Trittsicherheit und stabilisieren den Fuß.
  • Aufmerksamkeit: Zu hastiges Gehen oder Ablenkung durch Kopfhörer oder Smartphone können Trittsicherheit und Konzentration beeinträchtigen. Um nicht abzurutschen oder auch um einen Felssturz oder umfallenden Baum möglichst früh zu bemerken, ist Achtsamkeit im Gebirge gefragt. Wer die Berge alleine erkundet, sollte besonders aufmerksam und entsprechend ausgerüstet unterwegs sein.
  • Markierten Wegen folgen: Um Orientierungsverlust oder das Absturz- und Steinschlagrisiko zu minimieren und zum Schutz von Natur und Tieren, sollten keine Abkürzungen genommen werden. Besondere Vorsicht gilt bei steilen Altschneefeldern.

Wetter- und Wander-Apps verantwortungsvoll nutzen

Immer beliebter werden Wander-Apps. Roland Ampenberger von der Bergwacht rät bei der Verwendung von Apps zur Tourenplanung, die Informationen realistisch zu interpretieren und bestimmte Aspekte zu bedenken: "Ich muss einschätzen können, was ein dreieinhalbstündiger Aufstieg im schwierigen Gelände mit ausgesetzten Passagen bedeutet. Vielleicht ist auch der Weg schmaler, als ich mir das vorgestellt habe oder ich erkenne ihn gerade nicht, weil er unter einem Altschneefeld liegt."

Weiter sagt er: "Menschen geraten in Situationen, in denen sie weder vor noch zurück können, weil sie vielleicht auch nicht wissen, dass der Aufstieg in der Regel leichter ist, als zurückzugehen."

Notrufnummern im DACH-Raum

  • Deutschland: 112 (gilt europaweit)
  • Österreich: 140
  • Schweiz: +41 333 333 333 (mit ausländischem Telefon) oder 14 14 (mit Schweizer Telefon)

Blind einer Wegbeschreibung einer App zu folgen, könne ähnlich gefährlich sein, wie blind der Wetter-App zu vertrauen. Die Angaben seien zwar oft sehr genau, jedoch müsse ein Abgleich erfolgen. Etwa, wenn schwarze Wolken am Himmel aufziehen, die Wetter-App aktuell aber noch nicht vor einem Gewitter warnt.

Ampenberger ist seit zehn Jahren auch in der Krisenintervention der Bergwacht tätig und betreut Opfer und Angehörige von schweren Unfällen. Seine Warnung ist deutlich: "Blind dem Bildschirm zu vertrauen, kann in eine Notfallsituation führen."

Über den Experten

  • Roland Ampenberger ist Pressesprecher der Bergwacht Bayern und Vorstand der Stiftung Bergwacht. Seit 30 Jahren ist er ehrenamtlich bei der Bergwacht engagiert, in den vergangenen zehn Jahren im Schwerpunkt bei der Krisenintervention. Privat ist er zu jeder Jahreszeit im Gebirge unterwegs – beim Wandern, Bergsteigen, Tourenskifahren oder Klettern.

Verwendete Quellen

Echter Geheimtipp: Kein europäisches Land hat weniger Touristen

Urlaubs-Geheimtipp: Kein europäisches Land hat weniger Touristen

Im Winter können Besucher Ski-, Snowboard- oder Langlauffahren, im Herbst und Frühling lässt sich hier wunderbar wandern. Dennoch ist dieses Land laut Daten der Welttourismusorganisation UNWTO das am wenigsten besuchte Land Europas.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.