Adaptive Fahrwerke erhöhen Fahrkomfort und Sicherheit. Alko bringt die in Pkw verbreitete Technik jetzt auch ins Wohnmobil. Ein Praxis-Test.
Ein Fahrwerk sorgt für den nötigen Bodenkontakt, setzt Antriebs- und Lenkbewegungen um und ist verantwortlich für das Komfortempfinden der Passagiere. Da die Basis aller Reisemobile Transporter sind, liegt hier aber weniger der Schwerpunkt auf Fahrkomfort; vielmehr sollen Nutzfahrzeuge auch bei voller Beladung sicher zu bewegen sein.
Deshalb sind Wohnmobil-Fahrwerke in der Regel eher härter ausgelegt. Zwar funktioniert das auf Autobahnen und Landstraßen mit gutem Belag meist gut, aber bei schlechteren Straßen können ein polterndes Fahrwerk, Auf- und Ausbaugeräusche und Fahrbahnstöße den Komfort empfindlich stören. Wie Sie das Fahrwerk beim Fiat Ducato optimieren können, lesen Sie hier.
So funktionieren die adaptiven Alko-Fahrwerke
Ein adaptives Fahrwerk kann hier Abhilfe schaffen. Das dachte man sich auch bei Alko und hat das Comfort-Drive-Fahrwerk entwickelt. Es ist nachrüstbar, kann aber im ersten Schritt nur in der Kombination des Mercedes Sprinter (VS30) Heavy Triebkopf und dem AMC oder Variospace-Chassis eingebaut werden.
Außerdem muss die Option "PSM-Modul" oder "PSM-Modul-Vorrüstung" im Fahrzeug vorhanden sein. Ob das so ist, kann Alko anhand der Fahrgestellnummer überprüfen. Das Comfort-Drive-Fahrwerk wiegt 8,5 Kilogramm mehr als das Serienpendant und die Nachrüstung kostet 6.500 Euro inklusive Einbau.
Im Paket bekommt man dafür vier Stoßdämpfer, ein Steuergerät und sieben Sensoren für die Fahrsituations-Überwachung. Die vordere Feder bleibt die originale Mercedes-Variante. An den Dämpfern fallen sofort die Zylinder am unteren Ende auf. Das sind Magnetventile, die die Dämpferkennung in Zug- und Druckstufe ändern können. An der Vorderachse übernimmt das ein Ventil, an der Hinterachse, um der höheren Zuladung gerecht zu werden, sind zwei Ventile im Einsatz.
Was sind Zug- und Druckstufe?
Aber was bedeuten Zug- und Druckstufe? Die Härte der Druckstufe ist verantwortlich für das Einfedern des Dämpfers. Je härter die Druckstufe, umso langsamer federt der Dämpfer ein. Das hat zum Beispiel beim Einlenken Vorteile, macht aber auch das Fahrverhalten unkomfortabler, da Unebenheiten direkter an die Karosserie weitergegeben werden. Die Zugstufe steuert dagegen das Ausfedern. Je weiter das Zugstufenventil öffnet, umso schneller kehrt der Dämpfer in seine Ausgangsstellung zurück. Möchte man mehr Komfort, muss man also im Vergleich zum Serienfahrwerk eine weichere Druckstufe haben, um das Einfedern zu beschleunigen und somit kurze Schläge besser abzudämpfen und sanfter aufzunehmen. Gleichzeitig ist die Zugstufe härter, um das Zurückfedern zu verlangsamen. Das reduziert die Karosseriebewegungen.
Beim Comfort Drive sind zwei Fahrmodi wählbar. Normal, das ist bei Fahrzeugstart immer vorgewählt, und Comfort, das per Schalter aktiviert wird. Innerhalb der Parameter des jeweiligen Modus werden die Dämpfer in Zug- und Druckstufe permanent angepasst. Diesen Job übernimmt ein im Innenraum montiertes Steuergerät, das seine Daten wiederum von sieben Sensoren erhält. Vier davon sind an den Radträgern angebracht und drei überwachen die Bewegungen der Karosserie.
Der Testaufbau
Mit zwei identischen Carthago C-Line begibt sich promobil auf Testfahrt, um herauszufinden, wie viel Komfort- und Sicherheitsgewinn dieser doch hochpreisige Fahrwerksumbau bringt. Mittels Sandsäcken werden beide Reisemobile auf ein vergleichbares Gewichtsniveau gebracht, sowohl insgesamt als auch bei den Achslasten. Reifen und Luftdruck sind identisch.
Zuerst geht es aufs Testgelände und mit Slalom und schnellem Spurwechsel werden zwei Manöver durchfahren, die man hoffentlich nie selbst auf der Reise erlebt. Denn obwohl die Fahrzeuge extremere Fahrmanöver mitmachen, als man vielleicht denkt, dürfte man nach einem schnellen Ausweichen erst mal mit dem Aufräumen des umhergeflogenen Gepäcks, der Kissen und Decken beschäftigt sein.
Getestet wird jeweils das Serienfahrwerk und danach das Comfort Drive im Normal- und im Komfort-Modus.
Serienfahrwerk
Das Serienfahrwerk ist an sich schon sehr sicher ausgelegt. Die Kombination aus Sprinter und AMC-Chassis lässt sich gut um die Pylonen zirkeln, und das ESP greift zuverlässig und wirkungsvoll ein. Besonders auf dem Beifahrersitz bemerkt man aber auch die starken Karosseriebewegungen. Bei den Testfahrten konnte der Slalom mit rund 38 km/h ohne ESP-Eingriff gefahren werden, das schnelle Ausweichen gelang mit knapp 40 km/h ohne Hütchenkontakt und ESP-Eingriff.
Alko Comfort Drive
Die nächsten Fahrten erfolgen im Modell mit Comfort Drive im Normal-Modus. Die Unterschiede sind deutlich spürbar. Als Erstes fällt die merklich direkter ansprechende Lenkung auf. Auch die Seitenneigung ist fühlbar geringer, auch wenn man dies von außen kaum erkennt. Auf der Teststrecke wird der Slalom mit fast 44 km/h ohne ESP-Eingriff durcheilt, das Ausweichen gelingt auch dank des präziseren Einlenkverhaltens mit knapp 45 km/h.
Klingt auf dem Papier nicht viel. Im Fahrzeug fühlt sich der Unterschied aber groß an. Auch der Komfort-Modus ist eine deutliche Verbesserung zum Serienfahrwerk. Einzig das Einlenkverhalten hier ist vergleichbar.
Extreme Manöver sind zum Glück selten nötig und deshalb ist der Komfortgewinn auf schlechten Straßen in der Praxis wichtiger. Um das zu überprüfen, geht es etliche Kilometer über Landstraßen mit unterschiedlichen Fahrbahnqualitäten. Auch hier ist der Komfortzuwachs groß.
Durch die geringeren Karosseriebewegungen fällt das vor allem durch das niedrigere Geräuschniveau aus dem Aufbau auf. Außerdem werden Vibrationen von leichten Querrillen spürbar weniger auf die Fahrerhaussitze übertragen. Der Unterschied zwischen Normal und Komfort fällt hier allerdings nicht so stark auf wie auf der Teststrecke.
Subjektive Bewertung
Für die Vergleichsfahrt werden zwei identische Carthago C-Line Integrierte herangezogen. Mit Sandsäcken wird eine reisefertige Beladung simuliert. Außerdem wird der Ballast so im Fahrzeug verteilt, dass neben dem Gesamtgewicht auch die Achslasten vergleichbar sind. Reifen und Luftdruck sind identisch.
Reduktion Aufbaubeschleunigung
In einem Netzdiagramm bewertet promobil die subjektiven Eindrücke für verschiedene Parameter. Je weiter außen die Linie, umso positiver die Bewertung. Deutlich zu erkennen, dass beide Fahrmodi des Comfort Drive in einem Punkt gleich, ansonsten besser abschneiden als das Serienfahrwerk.
Fahrwerksoptimierung Ducato
Im Podcast erklärt Christian Becker, wie Wohnmobil-Fans das Fahrwerk beim Ducato verbessern können. Mehr dazu im Video:
Video: Clever Clever Podcast #5 - Fahrwerksoptimierung © Promobil
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