Berlin - In Deutschland gelten vergleichsweise umfassende Passagierrechte: Denn für die meisten Flüge greift die EU-Fluggastrechte-Verordnung. Sie sieht, neben einer Vielzahl anderer oft verbraucherfreundlicher Regeln, bei Verspätungen ab drei Stunden und kurzfristigen Flugabsagen unter gewissen Voraussetzungen Entschädigungen vor – und zwar in Höhe von 250 bis 600 Euro pro Passagier.

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Nur ist das Durchsetzen dieser Rechte oft nicht so einfach. Das zeigen Zahlen des Deutschen Richterbundes. Demnach sind im vergangenen Jahr so viele Klagen gegen Airlines wie noch nie bei den Gerichten an Standorten mit größeren deutschen Flughäfen gelandet – in Zahlen waren es 131.000. Doch es muss nicht immer zwangsläufig vor Gericht gehen. So kommen Sie an Ihr Geld.

Wo finde ich einen Überblick über meine Rechte?

Wer es ganz genau wissen möchte, kann in die europäische Verordnung hineinlesen, sie ist online verfügbar. Doch als juristischer Laie stößt man hier schnell an Verständnisgrenzen. Lohnenswert sind dann Selbsthilfe-Tools von Verbraucherschützern – angeboten werden sie zum Beispiel vom Europäischen Verbraucherzentrum und von der Verbraucherzentrale NRW. Mit ein paar Klicks haben betroffene Passagiere schnell eine erste Einschätzung, welche Rechte sie in ihrem konkreten Fall womöglich geltend machen können.

Mit diesem Wissen ausgerüstet, können Passagiere Ansprüche direkt bei der Airline vorbringen. Diese haben im Internet zum Teil Formulare dafür.

Und wenn sich die Airline nicht meldet – oder nicht erstatten will?

Blockt die Fluggesellschaft ab oder meldet sich binnen zwei Monaten nicht, können sich Betroffene mit ihrem Anliegen an die Schlichtungsstelle Reise & Verkehr wenden. Sie bekommt vor allem Flugärger-Fälle auf den Tisch, prüft diese kostenlos juristisch und macht dann gegebenenfalls einen Schlichtungsvorschlag.

"Cancelled" auf einer Anzeigetafel
Flug gestrichen? Neben einem Ersatzflug und Betreuungsleistungen können Passagiere dann teils auch Anspruch auf eine zusätzliche Entschädigungszahlung haben. © dpa / Moritz Frankenberg/dpa/dpa-tmn

Voraussetzung ist: Die Airline zählt zu den Mitgliedsunternehmen der Schlichtungsstelle, denn dann muss sie sich am Verfahren beteiligen. Die meisten bekannten Airlines, die in Deutschland operieren, zählen dazu, unter anderem Lufthansa, Condor und Ryanair. Die Fachleute der Schlichtungsstelle sind sehr erfahren mit Flugproblemen: 84 Prozent der rund 45.600 eingegangenen Anträge im vergangenen Jahr betrafen Flüge.

Gut zu wissen: Der Weg vor Gericht steht einem danach immer offen – etwa auch, wenn man mit dem Schlichtungsvorschlag nicht einverstanden ist.

Klicktipp: Auch die Schlichtungsstelle hat auf ihrer Website eine Übersicht, welche Rechte Flugreisende in bestimmten Fällen haben – bei Verspätungen und Annullierungen, aber auch bei Gepäckverlust, mangelnder Barrierefreiheit oder wenn man eine schlechtere als die gebuchte Flugklasse bekommen hat.

Was ist mit Fluggastrechte-Portalen?

Laut dem Richterbund sind die Portale, mit denen Fluggäste ihre Ansprüche schnell und einfach durchsetzen können, ein wesentlicher Grund für die hohen Klagezahlen. AirHelp, EUFlight, Flightright, Ersatz-Pilot, Fairplane und andere Anbieter streiten sich für den Passagier. Natürlich tun sie das, wie ein Anwalt auch, nicht kostenlos. Sie kassieren im Erfolgsfall als Provision einen Anteil von der Entschädigungssumme, der oft bei mehr als 20 bis 40 Prozent liegt.

Der Ablauf ist in der Regel so: Man gibt auf der Website des Portals die Details zu seinem Flugproblem ein – der Fall wird dann geprüft. Glaubt das Portal, dass es Aussicht auf einen Erfolg gibt, gibt es laut dem Ratgeberportal Finanztip zwei Herangehensweisen:

  • Sofortentschädiger kaufen dem Betroffenen die Entschädigungsforderung ab und gehen dann gegen die Airline vor – da gibt es also rasch Geld.
  • Inkasso-Dienstleister zahlen erst dann, wenn sie für den Passagier erfolgreich eine Entschädigung erstritten haben. Das kann länger dauern.

  © Deutsche Presse-Agentur

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