Madrid (dpa) - Schon Ernest Hemingway wusste, wo es sich in Madrid gut speist. "Wir saßen oben im ersten Stock bei Botín. Es ist eines der besten Restaurants der Welt", heißt es auf den letzten Seiten des Klassikers "Fiesta".
Der trinkfeste Protagonist bestellt die Spezialität des Hauses: Gebratenes Spanferkel und Rotwein: "Ich aß eine Riesenmahlzeit und trank drei Flaschen Rioja Alta." Schon seit 300 Jahren sind die Schweinchen, die hier "Cochinillo" heißen, die Delikatesse des Hauses. Laut Guinness-Buch ist das 1725 eröffnete Sobrino de Botín (oder kurz: Botín) das älteste Restaurant der Welt.
Seit mehr als 30 Jahren wird das Lokal im Herzen der spanischen Hauptstadt regelmäßig im Buch der Rekorde gelistet. Die Inhaber selbst waren überrascht, als sie 1987 davon erfuhren. "Wir dachten eigentlich, das älteste Restaurant müsste in Deutschland oder Frankreich sein, damit hatten wir nicht gerechnet", sagt José González, der die Leitung des Lokals ebenfalls 1987 in dritter Generation übernommen hatte.
"Es gibt drei Kriterien, von denen das Guinness-Buch den Eintrag abhängig gemacht hat", erzählt der 58-Jährige, während er es sich auf seinem Lieblingsplatz hinter der Bar gemütlich macht, umgeben von bauchigen Weingläsern, guten Tröpfchen und einer duftenden Schinkenkeule. "Das Restaurant musste ununterbrochen geöffnet sein, sich immer an der gleichen Stelle befinden und immer den gleichen Namen tragen." Diese Voraussetzungen erfüllt das Botín, das sogar während des Spanischen Bürgerkriegs die Bürger verköstigte.
Von den Kriegsjahren zeugt noch heute eine gebrochene Eisenstange an einem der kleinen Balkone des obersten Stockwerks. Der Schaden soll nicht repariert werden: Als Zeitzeuge berichtet er von den bewegten Zeiten, die das Restaurant im Laufe seiner langen Geschichte erlebt hat.
Eine Gruppe britischer Touristinnen kommt mit ihrem Reiseführer ins Lokal spaziert. Der Mann zeigt auf die Rekord-Urkunde, die am Treppenaufgang hängt. Die Smartphone-Kameras klicken. Dann wirft die Gruppe noch kurz einen Blick in die Küche und den angrenzenden Raum, in dem die Spanferkel im ebenfalls noch von 1725 stammenden und mit Keramikkacheln verzierten Holzkohleofen knusprig gebacken werden.
Das Botín liegt günstig, nur einen Steinwurf von der berühmten Plaza Mayor und dem historischen "Mercado de San Miguel" entfernt. Viele Madrid-Besucher nutzen einen Rundgang durch das Stadtzentrum auch für eine Stippvisite in dem legendären Lokal in der Calle de los Cuchilleros.
"Bis zu 70 Spanferkel bereiten wir jeden Tag zu", berichtet der Koch, während er die Kruste eines der Schweinchen überprüft und es dann wieder ins Feuer schiebt. Das Rezept stamme noch von seinem Großvater, sagt González. Unter anderem sorgen süßer Pfeffer, Weißwein und Estragon für das würzige Aroma. 25 Euro kostet die Leckerei, die schon Stars wie Bruce Springsteen, Gloria Estefan und Ron Wood verzückt hat.
Auch Woody Allen und Nancy Reagan waren zu Gast im Botín. Die Ex-First-Lady (1921-2016) tafelte hier 1985 mit der damaligen Königin Sofia und schwärmte in einem Dankschreiben, das Restaurant sei extrem "charming" und "delightful".
Gegründet hatten die Gaststätte einst der Franzose Jean Botín und seine Frau aus dem nordspanischen Asturien. Das Paar blieb kinderlos, nach dessen Tod übernahm ein Neffe des Besitzers die Leitung - und nannte das Lokal fortan "Sobrino de Botín", zu Deutsch "der Neffe von Botín". Besser bekannt bei Madrilenen und Touristen ist aber bis heute die Kurzform "Botín".
Viele Generationen lang blieb das Wirtshaus in Familienbesitz, bis es Anfang 1930 von der Familie González gekauft wurde. Der Großvater des derzeitigen Chefs baute es dann auf vier Stockwerke aus, in denen die Gäste in urig-rustikalem Ambiente dinieren. Im Steingewölbe des Untergeschosses gibt es einen Durchgang zum Weinkeller, in dem standesgemäß verstaubte Rioja-Flaschen auf ihre Abnehmer warten.
Die Zahl der Gäste sei wegen des Rekord-Eintrags derweil nicht gestiegen, sagt José González. "Wir prahlen auch nicht damit, sondern sagen lediglich: "Laut Guinness-Buch sollen wir das älteste Restaurant der Welt sein.""
Denn das Botín hatte sich auch schon vorher wegen seines Flairs und der guten Küche einen Namen gemacht. Unter anderem wird es in Werken von Graham Greene, James A. Michener und Frederick Forsyth erwähnt. Allabendlich drängen sich die Gäste dicht an dicht, während adrett gekleidete Kellner Spanferkel, Rebhühner und Lammbraten durch die historischen Säle balancieren. Dazu wird ein tiefroter Rioja gereicht. Hemingway lässt grüßen. © dpa
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