Mitte des letzten Jahrhunderts hatte die Bergbau-Kleinstadt im Süden der USA noch 14.000 Einwohner. Heute ist die Gemeinde eine Geisterstadt und gilt laut der amerikanischen Umweltbehörde als giftigster Ort der USA.
Viele Geisterstädte gelten als spannendes Ausflugsziel, doch Picher im Ottawa County im US-Bundesstaat Oklahoma ist garantiert keine Reise wert. Die ehemalige Bergbaustadt an der Grenze zu Missouri und Kansas ist heute das Zentrum der "Tar Creek Superfund Site".
Dieses rund 100 Quadratkilometer große Gebiet wurde von den US-Behörden als ökologische Notstandsregion ausgewiesen und weist extrem hohe Belastungen mit Schwermetallen auf. Picher trägt daher den Titel "Giftigster Ort der USA".
Boomende Bergbaustadt
Noch vor über 100 Jahren war Picher der blühende Mittelpunkt des Tri-State Distrikts. Dieser ehemalige Bergbaubezirk liegt im Grenzgebiet von Missouri, Kansas und Oklahoma und produzierte über viele Jahrzehnte große Mengen an Blei und Zink.
Die Erfolgsgeschichte begann in den 1850er und 1860er Jahren im Südwesten von Missouri. 1913 wurden auch auf Harry Crawfishs Claim in Oklahoma Blei und Zinkerz entdeckt. Der Abbau begann und fast über Nacht entwickelte sich ein Ort um die Arbeiten herum. Er wurde nach O.S. Picher, dem Besitzer der Picher Lead Company, benannt.
Picher wurde 1918 offiziell gegründet und hatte zwei Jahre später bereits fast 10.000 Einwohner. Der Bergbau blühte – besonders zu Zeiten der Weltkriege. Denn die geförderten Materialien wurden in großem Maße für die Produktion von Waffen und Kriegsgeräte benötigt.
Zwischen 1917 und 1947 produzierte das Picher-Gebiet Erz im Wert von über 20 Milliarden Dollar, mehr als die Hälfte des während des Ersten Weltkriegs verwendeten Blei- und Zinkmetalls stammte aus der Region der heutigen Geisterstadt. Zu Spitzenzeiten arbeiteten mehr als 14.000 Bergmänner in den Bergwerken, viele Arbeiter pendelten täglich aus den umliegenden Städten nach Picher.
Giftige Abfälle machen krank
Als 1967 die Förderung versiegte, wurde der Bergbau eingestellt und das Wasser aus den Bergwerken nicht mehr gefördert.
Zurück blieben rund 14.000 Bergwerkschächte, 70 Millionen Tonnen Abraum und 36 Millionen Tonnen Schlamm mit giftigen Rückständen wie Kadmium, Blei, Arsen oder Mangan.
Verunreinigtes Wasser aus den Minen ließ den örtlichen Bach rot werden. Pichers riesige Abraumhalden, auf denen die Bewohner früher kletterten, rodelten oder ein Picknick machten, waren mit Blei verseucht.
Die Gifte hatten verheerende Auswirkungen auf die Bewohner. Im Blut und Gewebe der Einwohner wurden hohe Bleigehalte festgestellt, die Krebsraten stiegen sprunghaft an und drei Viertel der Grundschüler wiesen starke Lerndefizite auf.
Sanierung ohne Erfolg
Als Folge der nationalen Gesetzgebung zur Identifizierung und Sanierung ökologischer Notstandsregionen erklärte die amerikanische Umweltbehörde das Gebiet 1980 zum Teil des "Tar Creek Superfund" Geländes. Minenschächte wurden verschlossen und auf zahlreichen Grundstücken die giftige, obere Bodenschicht abgetragen.
Doch die Kontamination der Region war zu gravierend, Picher galt als zu giftig, um vollständig saniert zu werden. 2006 stellte man zudem fest, dass die zahlreichen Bergbaustollen unterhalb der Stadt einstürzen könnten. Die Entdeckung dieser unterirdischen Gefahr bedeutete das endgültige Ende für Picher.
Die Regierung beschloss, die ehemalige Bergbaustadt schließen. Viele Familien akzeptierten die angebotenen Ausgleichszahlungen, verließen ihre Häuser und bauten sich anderswo ein neues Leben auf. Knapp 1.000 Bewohner verharrten jedoch im giftigsten Ort der USA.
Wer denkt, dass es schlimmer kaum kommen kann, irrt. Zwei Jahre später zerstörte ein Tornado den Ort nahezu vollständig, die meisten Häuser wurden unbewohnbar und fast alle Einwohner verließen ihre Heimat. 2009 schlossen die kommunalen Einrichtungen und die letzten elf Schüler verließen die High School .
Die Gemeinde Picher wurde offiziell am 26. November 2013 aufgelöst. Ihr letzter Bewohner, Gary Linderman von der örtlichen Apotheke, verstarb im Sommer 2015. Damit wurde Picher offiziell zur Geisterstadt.
Wiederaufbau dauert an
In den vergangenen 30 Jahren flossen über 300 Millionen Dollar in die Sanierung der Region. Ein Ende ist nicht in Sicht, die Aufräumarbeiten werden mehr als 20 weitere Jahre dauern.
Picher ist nicht die einzige Baustelle der "Tar Creek Superfund Site". Die anderen Orte des ehemaligen Tri-State Bergbau-Distrikts müssen ebenfalls saniert werden, damit die in Oklahoma erzielten Erfolge nicht durch die giftigen Flüsse der Nachbarregionen zerstört werden.
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