Bulawayo - Im Gänsemarsch pirschen wir leise Meter für Meter durch die Savanne. Ian Harmers Arm schnellt in die Höhe. Die Geste des Rangers bedeutet: Sofort stopp! Jeder bleibt mit gespitzten Ohren wie angewurzelt stehen. Dann winkt uns Ian weiter. Zu Fuß sind wir unterwegs im Matobo-Nationalpark – auf der Suche nach Nashörnern.
Allein das schon macht ein mulmiges Gefühl. Safaris unternimmt man für gewöhnlich mit Geländewagen. Immerhin begleiten die Teilnehmer zu deren Schutz zwei weitere bewaffnete Ranger. Dass wir gerade durch das Zuhause von tonnenschweren Wildtieren laufen, denen eine gewisse Angriffslustigkeit nachgesagt wird, macht die Sache aber trotzdem aufregend.
Ian scheint das kaum etwas anzuhaben. In seinem Gesicht macht sich Zufriedenheit breit, weil er etwas entdeckt hat: "Ein Breitmaulnashorn", sagt er und deutet auf handtellergroße Abdrücke im rötlichen Sand.
Ein Glücksfall kündigt sich an, denn von den Kolossen, die es nach Angaben des Naturschutzbundes (Nabu) seit über 50 Millionen Jahren auf der Erde gibt (was sie zur wohl ältesten Säugetierart überhaupt macht), leben im Park Ians Angaben zufolge nur noch 60 Rhinozerosse. Dabei erstreckt sich das Schutzgebiet unweit von Simbabwes zweitgrößter Stadt Bulawayo auf über rund 400 Quadratkilometer. Eine Fläche von fast immerhin der Größe des Bodensees.
Das Verbreitungsgebiet von Breitmaulnashörnern war einst größer, heute hat sich die Population zumindest des Südlichen Breitmaulnashornes in Botswana, Kenia, Namibia, Südafrika, Swasiland, Sambia und Simbabwe wieder stabilisiert, nachdem der Dickhäuter bis 1895 aufgrund von Wilderei als ausgestorben gegolten hatte.
Erholte Population
Dann wurden etwa 100 Individuen in Südafrika entdeckt. Zum Welt-Nashorn-Tag im September 2023 verkündete die Weltnaturschutzunion (IUCN), dass die gesamte Nashorn-Population in Afrika erstmals seit einem Jahrzehnt im Vergleich zum Vorjahr wieder gestiegen sei, auf etwa 23.300 Exemplare. Während die IUCN das Südliche Breitmaulnashorn mit heute wieder etwa 20.000 Tieren als "gering gefährdet", steht das Nördliche Breitmaulnashorn mit laut WWF nur noch zwei Exemplaren, zwei Weibchen, direkt vor dem Aussterben.
Vor 2.000 Jahren war das noch nicht so, als die San in den Matobo-Bergen die Felswände bemalten: Elefanten, Giraffen, Warzenschweine, Kudus brachten sie an die Wände. Und auch Nashörner. Manche der Höhlen, in denen die Felsmalereien gefunden wurden, sind für den Tourismus erschlossen. Das Matobo-Gebirge, wo archäologische Funde auch bis in die Steinzeit zurückreichen, steht seit 2003 auf der Weltkulturerbe-Liste der Unesco.
Nashorn-Malerei findet sich im White Rhino Shelter nahe der Bambata Cave. Die Zeichnung dort soll in den 1960er-Jahren den Anstoß für die Wiederansiedlung von Breitmaulnashörnern im Park gegeben haben. Um die Tiere in der Wildnis mit neuem Genmaterial zu versorgen, werden auch in europäischen Zoos geborene Nashörner ausgewildert.
Wachsendes Problem Wilderei
Obwohl die Bestände des Südlichen Breitmaulnashorns stabilisiert scheinen, sei Wilderei ein wachsendes Problem, sagt Ranger Ian. In armen Gebieten Afrikas leben Menschen davon. Das Pulver der Hörner ist angeblich luststeigernd und soll Heilkräfte haben. Wissenschaftlich bewiesen sei davon nichts. "Vor allem in Asien werden dennoch zum Teil Rekordpreise dafür gezahlt."
Wie es anders laufen kann mit einem besseren Ausgang für Mensch und Tier, zeigen Jack und Mike, die bewaffneten Begleiter. Den Lebensunterhalt für ihre Familien verdienen sie als Tier- und Touristenschützer. "Um Anti-Wilderer-Einheiten, Rangerausbildung und Schutz- und Aufzuchtprogramme zu finanzieren, ist der Safaritourismus wichtig", sagt Ian.
"Wo habt ihr heute Nashörner gesehen?", fragt Ian seine beiden Kollegen auf Schona. Die Bantusprache hat der 52-Jährige schon als Kind gelernt, als er in Bulawayo aufwuchs. Bisher grasen auf unserem Fußmarsch nur Zebras in der Ferne. Doch plötzlich bedeutet uns der Guide: "Runter in die Hocke!"
Kaum knien wir im Gras, da entdecken auch wir etwa zehn Meter vor uns zwei taupefarbene Schatten hinter den Büschen. Eine Nashornkuh und ihr Kalb rupfen ihr Mittagsmahl von den Dornbüschen. Minuten später trabt ein weiteres Nashorn heran. "Dieser Bulle ist noch ziemlich jung, er wiegt wahrscheinlich um die zweieinhalb Tonnen", raunt Ian. Die Nashorndame hat kein Interesse, sie schnaubt ihn an. "Sie zeigt ihm, dass sie ihre Ruhe will. Der Kerl muss das Werben noch lernen."
Der Bulle dreht ab
Da zucken die Ohren des Nashorns, der Jungbulle hat uns offenbar registriert und dreht sich in unsere Richtung. Er könnte schnell auf 40 oder 50 Kilometer pro Stunde kommen, sagt Ian. Auch Gehör und Geruchssinn von Nashörnern sind gut ausgeprägt. Doch die Tiere können nur schlecht sehen. Wie eingefroren halten wir also den Atem an, um unentdeckt zu bleiben. Zwischen ledrigen Hautwülsten scheinen uns die kleinen runden Augen aber doch zu mustern. Dann dreht der Bulle ab. Wenig später ist er verschwunden.
Im Jeep auf dem Rückweg hat Ian noch eine Bitte: "Wenn ihr eure Nashornfotos ins Netz hochladet, deaktiviert die GPS-Koordinaten." Wilderer hätten es so weitaus schwerer, die Nashörner aufzuspüren. Effektiver Tierschutz, sagt Ian.
Die landschaftliche Schönheit des Nationalparks, 1926 als Rhodes Matopos National Park gegründet und damit der älteste des Landes, ist an manchen Orten übrigens kaum zu toppen. Im Mpopoma-Flusstal verblüffen die scheinbar "balancierenden Felsen", und auf einem Plateau in den Matobo-Hügeln genießt man einen 360-Grad-Blick über den Park, der im goldenen Sonnenuntergang des Tages jedes Afrika-Klischee bedient.
Am von ihm so benannten "World's View"-Aussichtspunkt liegt auf eigenen Wunsch der britische Imperialist Cecil Rhodes begraben, der Ende des 19. Jahrhunderts für Großbritannien Land eroberte und die Kolonien Süd- und Nordrhodesien etablierte, heute Simbabwe und Sambia. Schöner ist vielleicht der Name des Plateauberges, dem die einheimische Ndebele-Bevölkerung ihm gab: "Berg der gütigen Geister."
Tipps, Links, Praktisches:
Reiseziel: Simbabwe ist ein Binnenland im südlichen Afrika. Nachbarländer sind neben Sambia Mosambik, Südafrika und Botswana.
Reisezeit: Die beste Zeit für Safaris und Besichtigungen ist in der Trockenzeit zwischen April und November. Die Tagestemperaturen liegen zwischen 20 und 35 Grad Celsius, nachts zum Teil bei einstelligen Temperaturen.
Anreise: Internationale Umsteigeverbindungen über Victoria Falls oder Harare bieten mehrere Fluggesellschaften an. Zum Matobo-Nationalpark kommt man per Mietwagen oder auf organisierten Safaritouren.
Einreise: Deutsche Staatsbürger benötigen einen Reisepass sowie ein Visum, das man über die simbabwische Botschaft in Berlin beziehen kann.
Unterkünfte: In Bulawayo gibt es viele Unterkünfte für jedes Budget, von Selbst-Versorger-Apartments bis zu internationalen Hotelketten. Im Nationalpark können Touristen mehrere Camps mit Chalets, Zeltplätzen und Wohnmobilstellplätzen ansteuern, zum Beispiel am Maleme-Damm, wo sich auch die Parkverwaltung befindet.
Safaris: Ian Harmer bietet organisierte Spaziergänge an. Auch weitere Anbieter haben Touren in den Park im Programm.
Gesundheit: Pflichtimpfungen für Reisende aus Deutschland sind nicht vorgeschrieben. Doch im Nationalpark Matobo besteht laut Auswärtigem Amt von Juni bis Oktober ein mittleres, von November bis Mai ein hohes Malaria-Risiko.
Zeitverschiebung: In Simbabwe gilt das ganze Jahr über die Zentralafrikanische Zeit, die Deutschland während der hiesigen Winterzeit um eine Stunde voraus ist.
Weiter Auskünfte: zimbabwetourism.net © Deutsche Presse-Agentur
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