Unter einem Campingbus verstehen viele ein Wohnmobil in Bulli-Größe. Der "Reisebus" von Familie Koch hat jedoch satte 12 Meter.
"Fünf Minuten bin ich drum herumgeschlichen – dann hab ich einfach gefragt, ob ich mal kucken darf", Detlef Koch erinnert sich noch gut an seine erste Begegnung mit einem ausgebauten Reisebus. Auf dem Stellplatz Lauheide in Telgte durfte er im Sommer 2023 einen Irisbus von Iveco besichtigen: "Mir war sofort klar, dass das genau mein Ding ist."
Reisebus als Basis für einen DIY-Camper
Noch am Abend wurde der heimische Hof mittels Maßband vermessen. "Was war ich erleichtert, dass ein Bus mit zwölf Metern unterzubringen war, Busse in der Zehnmeterklasse sind nämlich schwieriger zu bekommen." Wenige Wochen später wurde der eigene Weinsberg-Camper verkauft, stattdessen fand sich ein ausrangierter O404, ein klassischer Reisebus aus dem Hause Mercedes-Benz mit 48 Sitzen. "Der stand für bezahlbare 28.000 Euro beim Händler, ursprünglich lief er in Nordhausen." Im Dezember 2023 parkte der 1998er schließlich im Hof.
Direkt nach der Ankunft des Busses machte sich Detlef ans Werk. "Dabei war mir von vorneherein klar, dass ich keine Abteile einbauen, sondern den langen Innenraum erhalten will, das hat einfach was." Stolz sitzt er hinterm großen Lenkrad und lädt mit einer lässigen Handbewegung zum Spaziergang durch die Wandelhalle, die mit einer Sitzgruppe beginnt, für die das originale Gestühl Verwendung fand.
"Ich wollte unbedingt den Retrocharme des Busses bewahren, das war mir wichtig", betont Detlef, der fahrerseitig ein Sofa mit beigefügtem Kühlschrank realisierte, gegenüber hängt einer der beiden originalen Farbfernseher, "hier laufen aber nur klassische Filme von Videokassette", auch diese Technik wurde schon in den 1990er-Jahren im Fahrzeug verbaut.
Das Innenleben des Riesencampers
Die beifahrerseitig platzierte Küche ist freilich eine Neukonstruktion, auch hier dominiert warmes Eichenholz, "aufs Gewicht musste ich nicht so wirklich achten", meint Detlef schmunzelnd.
Gattin Simone, die beim Fototermin leider nicht dabei sein konnte, arbeitete fleißig mit. "Die kümmerte sich nicht nur um die Wohnlichkeit – sondern musste auch meinen Stress während des Umbaus aushalten." Und auch die pfiffigen Kistchen, die genau in die oberen Ablagen passen, waren ihre Idee: "25 Stück sind es, könnten aber noch ein paar mehr werden."
Nach hinten schließt sich gegenüber dem hinteren Eingang der Toiletten- und der Stauraum an, das Bett im Heck misst 180 auf 200 Zentimeter. Die Dusche wiederum befindet sich ein Stockwerk tiefer, "auf halber Treppe", wie man früher sagte. "Das war mal die Bordtoilette, hier konnte ich ideal eine normale Duschtasse einbauen, und hab doch noch Stehhöhe. Wenn ich das oben hätte realisieren wollen, hätte ich Löcher in den Boden schneiden müssen, das wollte ich nicht."
Deshalb blieben auch die seitlichen Erhöhungen, auf denen einst die Bänke montiert waren, erhalten, "hier laufen auch die Wasserleitungen der originalen Innenraumheizung, und die funktioniert auch noch". Und wie! Im Heck sitzt eine Standheizung mit 32 kW, die ihre Wärme über Wasserleitungen in den Wänden und eben im Boden transportiert. "Allerdings braucht die auch drei bis fünf Liter Diesel auf die Stunde, auf Dauer echt happig. Ich hab deshalb noch eine normale Standheizung mit 8000 Watt eingebaut, und der elektrische Kamin liefert ja auch noch einmal bis zu 2000 Watt."
Platz und Wohnkomfort fast wie daheim
Geschlafen wurde im Bus freilich schon früher, aber nicht so kommod: Wo einst das Bett des Fahrers eingebaut war, ist jetzt ein Schuhschrank, zwei Frischwassertanks mit je 250 Liter finden sich ebenfalls im Parterre, fürs Abwasser hat sich Detlef einen "Industriewürfel" besorgt, "mit 600 Litern muss man nicht jeden dritten Tag an eine Entsorgungsstation", freut er sich. Er feixt lächelnd, das Schwarzwasser des Zerhackers in der Keramiktoilette sowie das Grauwasser aus Dusche oder Spüle werden durch HT-Rohre geleitet, wie man sie für kleines Geld in jedem Baumarkt erhält.
"Ich hab überhaupt viel Haustechnik verbaut", erklärt Detlef, der die Elektrik konsequent auf 24 und 230 Volt ausgelegt hat, zwei Aufbaubatterien mit je 225 Ah sorgen für Spannung im Bus, in dessen Bauch zwei Solarmodule mitreisen, die bei Bedarf neben den Wagen gestellt werden. "Ich wollte absichtlich keine Solaranlage auf dem Dach, und auch keine Markise an der Flanke", erklärt Detlef, der sich freut, dass der Bus auch auf den dritten Blick nicht als Camper zu erkennen ist. "Selbst anderen Busfahrern fällt das oft nicht auf, und man wird natürlich auch immer gegrüßt." Mangels eines zu öffnenden Fensters ist denn leider aber auch kein Querlüften möglich, "Luft gibt’s nur über die Dachluken".
Technik im Mercedes-Benz O 404
Wir sind derweil am Heck angelangt, hier wohnt der 14,6 Liter messende V8, der mit seinen 381 Pferdchen ganz ordentlich anschiebt. Verwaltet wird die Kraft von einem manuellen Sechsgang-Getriebe. "Meist sind wir im gemächlichen Bereich von Tempo 80 unterwegs, das dürfen wir ja auch, das ist stressfrei, rund 23 Liter Diesel gönnt sich der Selbstzünder auf 100 Kilometern." Zum Glück hat Detlef seit knapp 25 Jahren einen Lkw-Führerschein, mit dem er den Bus fahren darf. "Aber erst jetzt, wo es die Sitzreihen nicht mehr gibt."
Was viele nicht wissen: Nur Lkw-Führerscheine, die noch im alten Jahrtausend erworben wurden, berechtigen zum Fahren eines leeren (!) Busses. "Ich darf das nicht mehr, deshalb brauchte ich für die Überführung auch einen Fahrer." Der hatte dann auch den "Busführerschein". Klar, wer mit den großen Campern spielen will, muss sich auf die großen Herausforderungen einstellen. "Für mich ist der Bus einfach ein ideales Reisefahrzeug. Wir haben Platz genug, und nicht weniger Komfort und Luxus als zu Hause. Und trotz der Ablastung um zwei auf 16 Tonnen bleiben noch 1500 Kilo Zuladung – was will man mehr?"
Nun, vielleicht eine eigene Grube, verlangt der Bus doch stetige Pflege und Streicheleinheiten, "auch den Rost muss man immer gut im Blick haben". Und aufpassen muss man obendrein, denn originale Ersatzteile wie Glasscheiben, Klappen oder Anbauteile aus Plastik sind schlicht nicht mehr zu bekommen. "Trotzdem würden Simone und ich das Projekt sofort wieder angehen", versichert Detlef, der Umbau geschah in beachtlichen drei Monaten. Und das zu einem überraschend bezahlbaren Tarif. "Gekostet hat der Bus am Ende genau 45.000 Euro", freut sich Detlef. Auch das ist eine verblüffende Tatsache und insofern sehr passend zum Reisebus: Der verblüfft einfach – in jeglicher Hinsicht.
Reisebus auf Basis des Mercedes-Benz O 404
- Baujahr: 1998
- Länge, Höhe, Breite: 11 980 x 2500 x 3278 mm
- Gewicht: 14,5 Tonnen
- zul. Gesamtgewicht: 16 Tonnen (abgelastet)
- Antrieb: V8-Diesel, 14,6 L, 381 PS bei 2100 U/min, max. Drehmoment: 1800 Nm bei 1600 U/min, Sechsgang-Schaltgetriebe, Vmax: 100 km/h
- Campingausstattung: Vierersitzgruppe, Sofa, Toilette, Bett (180 x 200 cm), Waschtisch, Duschraum, Küche, 500 L Frisch-/600 L Abwasser, 450 Ah in 2 Aufbaubatterien.
- Bauzeit: Dezember 2023 bis März 2024
- Baukosten: ca. 45.000 Euro inkl. Basisfahrzeug
© Promobil
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.