See der Rekorde: Vor 160 Jahren haben die ersten Europäer den Tanganjikasee im Herzen Afrikas entdeckt. Das Alter, die Größe, die Länge, die Tiefe, die Temperatur und Artenvielfalt des schwer erreichbaren Sees machen seine Faszination aus. Umweltschützer schlagen Alarm, da er 2017 zum "Bedrohten See des Jahres" ausgerufen wurde.
In der Kolonialzeit war der Tanganjikasee vielen Deutschen ein Begriff. Denn er war die Grenze zwischen den deutschen und belgischen Kolonialgebieten in Ostafrika.
Auf ihm tuckerte auch der Dampfer "Graf von Goetzen", der 1913 in der Meyer-Werft in Papenburg gebaut und in 5.000 Einzelteilen zerlegt nach Afrika gebracht wurde. Heute ist alles anders, bis auf den Dampfer.
Der Tanganjikasee gehört zu vier Ländern: Burundi, der Demokratischen Republik Kongo, Tansania und Sambia, wobei die größten Flächenanteile im Kongo (45 Prozent) und in Tansania (41 Prozent) liegen.
Aus touristischer Sicht ist an dem See kaum etwas los, denn er liegt in einer der ärmsten und konfliktreichsten Regionen der Welt. In Burundi tobte von 1993 bis 2005 Bürgerkrieg zwischen den Volksgruppen der Tutsi und Hutu und im Kongo ist seit mehr als 20 Jahren Krieg an der Tagesordnung.
Seefläche so groß wie Nordrhein-Westfalen
An der Faszination, die der Tanganjikasee auf Menschen und Wissenschaftler ausübt, ändert das jedoch nichts. Denn das Gewässer vereint so viele Superlative auf sich wie kaum ein anderes. Mit einer Länge von 670 Kilometern ist der Tanganjikasee der längste See der Welt und zugleich der zweitgrößte Afrikas.
Seine Wasserfläche ist so groß wie Nordrhein-Westfalen oder die Hälfte Bayerns. Mit einer maximalen Tiefe von 1.470 Metern gilt der Tanganjikasee als der zweittiefste See der Welt. Sein Volumen macht ihn zum zweitgrößten Süßwassersee - nach dem Baikalsee in Sibirien.
Der Tanganjikasee enthält fast ein Sechstel des ungefrorenen Süßwassers der Erde. Auch sein Alter ist beeindruckend: Vor rund zehn Millionen Jahren entstand der See als Teil des ostafrikanischen Grabenbruchs und gehört damit zu den ältesten auf unserem Planeten. Diese Tatsache macht ihn zu einem Hotspot der biologischen Vielfalt.
Wassertemperatur von 23 Grad in 1.000 Metern Tiefe
Einmalig ist auch die Artenvielfalt im See, die Weltnaturschutzunion IUCN bezeichnet ihn als einen der artenreichsten Orte der Welt. Mehr als 300 Fischarten, vor allem Buntbarsche, haben sich an die außergewöhnlich hohe Salzkonzentration im Wasser angepasst und viele kommen nur dort vor.
Die Wassertemperatur liegt durchschnittlich bei 26 Grad, was insofern erstaunlich ist, dass sie an der Oberfläche bis zu 29 Grad erreicht und in fast 1.000 Metern Tiefe immer noch bei 23 Grad liegt.
Diese meeresähnlichen Bedingungen stellten Forscher lange Zeit vor ein Rätsel, da der See nie direkt mit dem Meer verbunden war.
Heringe im Süßwassersee
Das Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften der Universität Zürich fand vor einigen Jahren heraus, wie die weltweit einzigartigen Tanganjika-Heringe in den See gekommen sind.
Dazu rekonstruierten sie Hering-Stammbäume aus molekularen Daten. Die Süßwasser-Heringe sind mit Heringsfischen verwandt, die in West- und Südafrika heimisch sind.
Sie müssen in Folge einer massiven Meeresüberflutung vor mehr als zehn Millionen Jahren den See erreicht haben.
Verschmutzung und Übernutzung bedrohen den See
Der Artenreichtum ist jedoch in akuter Gefahr. Im vergangenen Jahr schlug die Umweltstiftung Global Nature Fund (GNF) Alarm und verlieh dem Tanganjikasee den traurigen Titel "Bedrohter See des Jahres 2017". Eine rapide wachsende Bevölkerung brauche immer mehr Wohnraum und Nahrung, wodurch viele Flächen um den See zerstört werden würden.
Schadstoffe aus Landwirtschaft, Industrie und Handwerk sowie unbehandelte Abwässer aus Städten und Dörfern würden in den See gelangen, heißt es in der GNF-Erklärung.
Auf der Suche nach einer Lebensgrundlage setzen immer mehr Menschen in den Anrainerstaaten auf Fischerei. Dies habe in den vergangenen 20 Jahren zu einer massiven Überfischung des Sees geführt.
Die Konsequenzen: zurückgehende Fischpopulationen und immer weniger Erträge für die Fischer. Für die Umweltstiftung müssen diese Probleme durch das Schaffen von alternativen und nachhaltigen Einkommensquellen sowie der Reduzierung von Verschmutzungen angegangen werden.
Deutscher Dampfer seit mehr als 100 Jahren unterwegs
In Lebensgefahr befindet sich auch das dienstälteste Schiff auf dem Tanganjikasee. Mehr als 100 Jahre hat der deutsche Dampfer schon auf dem Buckel.
Er kam 1914 in Einzelteilen zerlegt an und wurde nach dem früheren Gouverneur der Kolonie Deutsch-Ostafrika "Graf von Goetzen" benannt. Lange tuckerte das Schiff nicht über den See, denn deutsche Truppen versenkten es bei ihrem Rückzug.
Nach dem Ersten Weltkrieg hob man das Wrack und richtete es wieder her. 1927 nahm das Passagier- und Frachtschiff unter neuem Namen "MV Liemba" seinen Dienst wieder auf. Seither transportiert der 70 Meter lange Dampfer ununterbrochen Menschen und Waren über den See und gilt als zuverlässige Nord-Süd-Verbindung zwischen Tansania und Sambia.
Die Original-Dampfmaschine wurde in den 1970er Jahren durch Dieselmotoren ersetzt. Doch auch das Schiff ist in Gefahr: Der Zahn der Zeit nagt daran, aktuell befindet es sich in Reparatur.
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