Banaue - Für Joy Poligon ist die Sache klar: "Wenn ich nicht jeden Tag auf unser Reisfeld gehe, haben wir nichts zu essen." Dafür braucht sie eine Stunde hin, eine Stunde zurück, hoch und runter durch unwegsames Gelände. "Das ist hart", sagt die 40-Jährige, die aus Batad stammt, einem Ort ohne Anbindung ans Straßennetz.

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Poligon ist Reisfarmerin, zweifache Mutter – und eine Ifugao. Dieses Bergvolk lebt auf den Philippinen im Norden der Hauptinsel Luzon. Über das historische Terrain der Indigenen verteilen sich knapp 400 Quadratkilometer Reisbauterrassen, die sie seit 2000 Jahren bewirtschaften. Ein Stück lebendige Geschichte, das seit 1995 zum Weltkulturerbe der Unesco zählt. "Eine Landschaft von großer Schönheit, die die Harmonie zwischen Mensch und Umwelt ausdrückt", hieß es in der Begründung der Organisation.

Dreh- und Angelpunkt der Gebirgsregion ist das Städtchen Banaue, wo organisierte Mehrtagestouren mit Wanderungen starten. Oft besteht die "Gruppe" aus nur zwei Teilnehmern. Die Ifugao haben sich einem sanften Ethno-Tourismus geöffnet.

Jedes Bier muss man schleppen

Die Einnahmen bleiben in der Gemeinschaft, jeder soll mitverdienen: Führer, Tuk Tuk-Fahrer für die Transfers und Betreiber von Homestays, weil sie Gäste bei sich zu Hause aufnehmen. Eine winzige Zusatzabgabe dient dem Erhalt der Reisterrassen und der Ausbesserung von Pfaden.

Ifugao-Guide Michael Codimo startet den Dreitagestrip auf dem Markt von Banaue, um Gastgeschenke einzukaufen: Betelnüsse und getrocknete Tabakblätter. Der 61-Jährige selbst kaut Betelnuss und spuckt gelegentlich einen roten Schwall aus.

Traditionelle Bhaluy-Hütte in Batad
Tradition auch bei der Behausung: eine für die Gegend typische Hütte in Batad. © dpa / Andreas Drouve/dpa-tmn

Codimo weiß alles über seine Kultur. "Reismenschen", sagt er, so könne man Ifugao übersetzen. Er überbringt die Nachricht, dass vergangene Nacht ein Taifun einen Teil der geplanten Wanderstrecke unpassierbar gemacht habe. Ersatzweise beginnen wir unsere Tour mit Rucksäcken bepackt nach einem Bustransfer einige Kilometer oberhalb des Ortes Cambulo.

Unterwegs stürzt ein Wasserfall hinab, ziehen sich Baumfarne über die Hänge, klemmen Hütten aus Holz und Wellblech auf Vorsprüngen. Das Leben ist denkbar einfach, auch in Cambulo, das tief in einem Flusstal unter uns liegt.

Wir sehen sie zum ersten Mal in voller Pracht - die Reisterrassen, die sich an den Hängen ausbreiten. Der einzige Zugang ins Dorf führt über eine Steiltreppe, wo eine alte Frau gerade Unkraut rupft.

Codimo schenkt ihr ein Bündel Tabakblätter. Schwere Lasten wie Baumaterial von Häusern schafft man über motorisierte Seilsysteme hinab, erklärt er. Ansonsten muss man jedes Schuhpaar, jede Klopapierrolle, jedes Bier schleppen.

Ein Bett, fließend Wasser und WLAN

Quartier gibt ein Homestay. Ein Zimmer im Haus der Gastgeber, ein Bett, eine Toilette, Strom, heißes Wasser in der Dusche – was will man mehr? Der wahre Luxus ist die Stille. Kein Verkehrslärm. Kein Fernseher. Allerdings gehört WLAN seit Neuestem im Reich der "Reismenschen" zur Wirklichkeit.

Codimo begleitet durchs Dorf. Er zeigt die Grundschule, die bis zur sechsten Klasse geht, die katholische Kirche, den Versammlungsplatz. "Hier trifft man sich unter dem Vorsitz des Dorf-Chiefs, diskutiert und löst Probleme", so Codimo. Gelebte Demokratie.

Joy Poligon
"Wenn ich nicht jeden Tag auf unser Reisfeld gehe, haben wir nichts zu essen", sagt Joy Poligon, Reisfarmerin aus Batad. © dpa / Andreas Drouve/dpa-tmn

Hunde und Hühner streifen umher. Aus einem Kochhaus wabern Rauchschwaden. Das Rauschen des Flusses dringt heran. Über eine Hängebrücke kehren am Spätnachmittag die Leute von ihren Reisfeldern zurück.

"Für das ganze Jahr reicht die Selbstversorgung bei vielen nicht, dann müssen sie Reis dazukaufen", sagt Codimo. Die Parzellen sind klein, der Hunger ist groß. Zu jeder Mahlzeit - morgens, mittags, abends - gehört Reis.

Den Homestay führen Jordan Tundagui und seine Frau Jenelyn Tundagui, die gleichzeitig Grundschullehrerin ist. Jordan schätzt das Leben "ohne Lärm- und Luftverschmutzung", wie er sagt. "Wir haben keine Kriminalität und sind mitten in der Natur." Die fünf Kinder des Paares wachsen unbeschwert auf, doch deren Zukunft sieht Jordan nicht inmitten des Welterbes: "Bei uns gibt es keine Highschool. Sie müssen nach draußen und irgendwo anders einen Job finden."

Utopie: Robo-Reisfarm

Jordan spricht ein kontroverses Thema an, denn: "Die Reisfarmer werden weniger." Dass dadurch das Welterbe der Reisterrassen in Gefahr gerät, glaubt der 38-Jährige nicht: "Es gibt insgesamt zwar weniger Manpower, aber mehr Maschinen. Außerdem verkauft niemand seine Reisterrassen an Nicht-Ifugao. Das wäre gegen unsere Kultur." Und wenn es irgendwann niemanden mehr geben sollte, der die Terrassen bestellt, "bin ich sicher, dass die Regierung Roboter anschaffen würde", glaubt zumindest Jordan.

Für den Abend hat die 41-jährige Jenelyn eine Gesangs- und Tanzschau von Schulkindern arrangiert – gegen eine Spende. "Tänze und Musik" stehen ebenso auf dem Unterrichtsprogramm ihrer Schule wie "Steinwallbau für Reisterrassen" und "Wie man ein Hühnchen schlachtet".

Marktstand mit Tabakblättern und Betelnüssen in Banaue
Auslagen, die süchtig machen: Marktstand mit Tabakblättern und Betelnüssen in Banaue. © dpa / Andreas Drouve/dpa-tmn

Am Morgen zerfasern sich Wolken über dem Gebirge. Die anstehende mehrstündige Wanderung nach Batad gerät zum Kraftakt. Jeder Schritt über die Steinwälle der Terrassen und aufgeweichte Wege erfordert Vorsicht. Lohn der Strapazen ist das Panorama um Batad, das den Atem raubt. Kaskadenartig schmiegen sich die Terrassen an die Steilhänge, hoch, bis die Landschaft in dichte Wälder übergeht.

Auf schwindelerregend steilen Treppen

Die alten Ifugao waren Landschaftsgestalter. Alles, samt der steinernen Stützmauern und Kanäle zur Bewässerung, legten sie per Hand an. Die fast senkrechten Treppen dazwischen, die auch wir nehmen, sind schwindelerregend. In zwei Kiosken am Weg bekommt man Kekse und Cola.

Der simple Homestay in Batad steht für die Rückbesinnung auf die Essenz des Reisens: fremde Länder und Menschen so authentisch wie möglich kennenzulernen. Bedeutet vor Ort: Essen mit viel Reis, Kauen von Betel. Steile Wege statt Straßen. Schlichte Häuschen. Nur Miniläden für die Bedürfnisse des Alltags. Niemandem käme es in den Sinn, Ansprüche an so etwas wie Wohlstand zu stellen.

Tags darauf windet sich der Weg mal wieder hinauf, bis zur nächsten Straße. Unter der Last des Rucksacks rinnt der Schweiß. Der verabredete Transport kommt pünktlich. Im geschäftigen Banaue, wirtschaftliches Zentrum und mit Abstand größter Ort der Gegend, schließt sich der Kreis. Alle Tabakblätter und Betelnüsse sind verschenkt.

Links, Tipps, Praktisches:

Reiseziel: Die Bergregion der Ifugao liegt etwa 350 Kilometer nördlich der philippinischen Hauptstadt Manila.

Reisezeit: Empfehlenswert ist der Zeitraum Januar bis Mai. Juli bis September ist mit starken Regenfällen, bis in den November mit Taifuns zu rechnen.

Anreise: Flug nach Manila, ab dort etwa zehn Stunden im Linienbus nach Banaue mit den Linienbus-Gesellschaften Coda Lines, Ohayami Bus oder Dangwa Transport.

Michael Codimo
Vom Bergvolk der Ifugao: Guide Michael Codimo. © dpa / Andreas Drouve/dpa-tmn

Einreise: Notwendig ist der Reisepass, der noch sechs Monate über die Aufenthaltsdauer hinaus gültig sein muss. Bei Einreise wird ein gebührenfreies Visum für den Aufenthalt von bis zu 30 Tagen ausgestellt, vorab muss man sich elektronisch registrieren.

Gesundheitshinweise: Als Reiseimpfungen werden laut Auswärtigem Amt Impfungen gegen Hepatitis A empfohlen.

Touren/Aktivitäten: Die Touristeninformation von Banaue arrangiert Touren, die man per Mail reserviert: lgutourismbanaue@gmail.com. Ein zweitägiges Paket mit Wandern kostet für zwei Personen umgerechnet 82 Euro, ein dreitägiges 119 Euro (jeweils inkl. Transfer, Guide, Unterkunft, Mahlzeiten kosten extra). Die Touren erfordern gute Fitness. Man sollte trittsicher und schwindelfrei sein und Wanderschuhe oder Trekkingsandalen tragen.

Währung: 1 Euro entspricht gut 60 Philippinischen Pesos (Stand: 29.02.2025).

Weitere Auskünfte: philippines.travel  © Deutsche Presse-Agentur

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