Templin (dpa) - Wenn Sven Heussen über die unberührte Natur der Uckermark spricht, nennt der 42-Jährige sie gern scherzhaft "Busch". Denn Heussen und seine Frau Steffi sind in Namibia geboren und aufgewachsen. Vor sechs Jahren verließen sie mit ihren drei Kindern Afrika und ihr dortiges Hotel.
Mittlerweile führen sie eine Pension in der "deutschen Wildnis". "Aufgrund immer unsicherer werdender politischer Verhältnisse haben wir uns als Weiße nicht mehr wohl gefühlt", erzählt Sven Heussen mit Blick auf seine Zeit in Namibia. Seine Familie lebte über sechs Generationen in Namibia.
Über Deutschland hatten die Heussens erst große Vorurteile - übervölkert, zu hektisch und landschaftlich wenig reizvoll. Dann sahen sie die Uckermark. Sven Heussens Vater hatte sich in Templin einen Bungalow gekauft. Als die Familie ihn besuchte, sei es Liebe auf den ersten Blick gewesen, sagt der 42-Jährige.
Vater und Sohn entdeckten den schon länger leerstehenden "Wiesenhof" - eine 1923 erbaute Villa des einstigen Templiner Stadtbaumeisters, jahrzehntelang als Pension genutzt. Die tourismuserfahrenen Heussens erkannten Potenzial in dem 13 000 Quadratmeter großen, verwilderten Grundstück am Templiner Kanal.
"Wir waren begeistert - Flair, Wasser, Wälder im Überfluss, dazu ein beschauliches Leben", sagt Heussen. Die Einwanderer bekämpften den Wildwuchs, rissen einen alten Stall ab, legten Terrassen und eine Partywiese an, pflanzten neu und sanierten das Pensionsgebäude.
Fünf Apartments gibt es in ihrem umgebauten Gasthaus. Angestellte beschäftigen die Heussens nicht. Sie machen alles selbst. "Das war schon eine Umstellung. In Windhoek hatten wir viele Mitarbeiter und waren zwölf Jahre lang Manager quasi rund um die Uhr", erzählt Steffi Heussen. Doch expandieren wollen sie nicht, auch wenn ihre Pension gut besucht ist und vor allem von Stammgästen aus ganz Deutschland gebucht wird.
"Der Wiesenhof ist immer gut nachgefragt und oft ausgebucht", bestätigt Cornelia Blenn vom Templiner Tourismusverein. Familie Heussen habe sich nahezu perfekt auf Naturtouristen eingestellt.
Namibia habe die Familie inzwischen weit hinter sich gelassen, sagt Hausherrin Steffi. Alles, was die Heussens in Afrika noch an Besitz hatten, haben sie verkauft. Seit ihrer Auswanderung haben sie ihre ehemalige Heimat nicht wieder besucht. "Wir haben kein Heimweh, weil die Familie und unser Freunde alle schon einmal hier waren", berichtet die 43-Jährige.
Außerdem haben die Ex-Afrikaner in der Nachbarschaft viele Freunde gefunden. Die Uckermärker seien überhaupt nicht verschlossen und dickköpfig, sagt Sven Heussen. Er berichtet von ihrer "Garagenkultur": Die Autos parken auf der Straße, in den Garagen wird geschraubt, gebastelt und vor allem gefeiert.
Sven Heussen hat die Gegend um Templin mittlerweile ausgiebig per Kanu und Fahrrad erkundet. Seinen Gästen, die abseits des Massentourismus die Natur erkunden wollen, kann er gute Tipps geben. "Eine Woche bei uns entschleunigt total", sagt er. "Aber man muss abenteuerlustig sein. Hier steht nicht an jeder Ecke eine Würstchenbude."
Wer in die Uckermark komme, wisse, dass ihn hier vor allem Ruhe, Weite und unberührte Natur erwarteten, sagt die Geschäftsführerin des Tourismusverbands Uckermark, Anet Hoppe. "Genau das schätzen unsere Gäste. Und das hat Familie Heussen erkannt."
Dem jüngsten Sohn kommt der Landstrich fast genauso wild vor wie Namibia. "Ich wurde nie gefragt, ob ich in dieser Wildnis überhaupt leben will", schimpfte der Neunjährige erst kürzlich. Der Grund: Die Eltern wollen im "Wiesenhof" kein WLAN installieren. © dpa
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