Es sind Fakten, die einen erschaudern lassen: Die Zahl der Kinder, die von der Terrorgruppe "Boko Haram" als Selbstmordattentäter missbraucht wird, ist laut UNICEF im vergangenen Jahr drastisch gestiegen: Von vier (2014) auf insgesamt 44 (2015) minderjährige Selbstmordattentäter in Nigeria, Kamerun, Tschad und Niger.

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In der aktuellen Situationsanalyse "Beyond Chibok", die UNICEF kurz vor dem zweiten Jahrestag seit der Entführung von über 200 Schulmädchen aus der nigerianischen Stadt Chibok veröffentlicht, beleuchtet das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen alarmierende Trends in den vier von Boko Haram betroffenen Ländern in den vergangenen beiden Jahren.

So wurden zwischen Januar 2014 und Februar 2016 die meisten Selbstmordanschläge mit Beteiligung von Kindern (21) in Kamerun verübt, 17 in Nigeria und zwei in Tschad. Insgesamt war in den letzten beiden Jahren jeder fünfte Selbstmordattentäter unter 18, in Kamerun sogar jeder zweite. Seit letztem Jahr wurden Selbstmordanschläge erstmals auch über die Grenzen von Nigeria hinaus verübt.

UNICEF, Boko Haram
© UNICEF

"Ich kann mir kaum etwas Schrecklicheres vorstellen", sagt Tessa Page, Vorstandsvorsitzende der Stiftung United Internet for UNICEF. "Für mich ist diese Handlung der grausamste Aspekt der Gewalt in Nigeria und seinen Nachbarländern."

Überlebende Boko Haram-Opfer leiden unter Diskriminierung

Der kalkulierte Einsatz von Kindern, die zum Beispiel zum Tragen von Sprengstoffgürteln überredet oder gezwungen werden, hat zu einer Atmosphäre der Angst und des Misstrauens beigetragen. Darunter leiden auch überlebende Mädchen, die der Gefangenschaft und sexueller Gewalt durch Mitglieder von Boko Haram entkommen konnten.

Ein 17-jähriges Entführungsopfer berichtet zum Beispiel, dass ihr monatelanges Leid mit der Befreiung nicht zu Ende war: Im Flüchtlingscamp wurde sie als Boko Haram-Frau beschimpft, andere Frauen wollten nicht einmal die Wasserstelle mit ihr teilen.

Auch Kinder, die in Folge der Vergewaltigungen geboren werden, werden häufig in den Dörfern oder Flüchtlingscamps stigmatisiert und ausgegrenzt.

"Seit Selbstmordanschläge mit Beteiligung von Kindern sich häufen, haben die Menschen in manchen Gemeinden begonnen, Kinder als Sicherheitsrisiko zu sehen", sagt Manuel Fontaine, UNICEF-Regionaldirektor für West- und Zentralafrika. "Dieses Misstrauen kann zersetzende Folgen haben: Wie kann eine Gesellschaft neu entstehen, wenn die eigenen Schwestern, Töchter und Mütter ausgegrenzt werden?"

Nigeria und Nachbarländer: 1,3 Millionen Kinder auf der Flucht

Wegen der Gewalt durch Boko Haram sind inzwischen 2,3 Millionen Menschen in Nigeria, Kamerun, Niger und Tschad auf der Flucht, über die Hälfte von ihnen – 1,3 Millionen – sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.

Über 5.000 Minderjährige sind während der Flucht von ihren Eltern getrennt worden. Mehr als 1.800 Schulen in der Region sind geschlossen, weil sie zerstört oder geplündert wurden oder als Notunterkünfte dienen.

In Folge von Gewalt und Vertreibung hat auch die ohnehin hohe Zahl mangelernährter Kinder deutlich zugenommen: UNICEF schätzt, dass in der betroffenen Region jetzt fast 200.000 Mädchen und Jungen unter lebensbedrohlicher Mangelernährung leiden.

Die Stiftung United Internet for UNICEF unterstützt UNICEF und seine Partner dabei, geflüchtete Familien mit Trinkwasser, Impfungen und therapeutischer Nahrung für mangelernährte Kinder zu versorgen.

Darüber hinaus richtet UNICEF Notschulen ein und organisiert psychosoziale Hilfe, damit die Kinder mit ihren Erlebnissen und der belastenden Situation besser umgehen können. UNICEF setzt sich auch durch Aufklärung dafür ein, dass Entführungs- und Gewaltopfer wieder in ihre Gemeinden integriert werden. (UNICEF/ kst)

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