Im Jemen tobt seit mehr als drei Jahren ein Bürgerkrieg. Es ist kein Land, in dem man momentan unbedingt arbeiten möchte. Um die Versorgung vor Ort sicherzustellen und den Menschen zu helfen, arbeiten dennoch fast 300 Mitarbeiter von UNICEF im Jemen.

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Die Situation im Jemen zählt zu den schlimmsten humanitären Krisen weltweit. Bürgerkrieg, Cholera, Mangelernährung - 22 Millionen Menschen sind auf Hilfe von außen angewiesen.

Dr. Meritxell Relano ist die Leiterin von UNICEF im Jemen und nah dran an der Tragödie, die sich aktuell dort abspielt. Im Interview hat sie uns erzählt, wie ihr Alltag aussieht und was besonders die Kinder vor Ort am meisten brauchen.

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Meritxell, du bist Leiterin von UNICEF Jemen. Wo genau arbeitest du?

Unser Hauptbüro befindet sich in der Hauptstadt von Jemen, Sanaa. Sanaa ist eine wunderschöne Stadt. UNICEF hat im Jemen außerdem noch weitere Außen-Büros, die über das Land verteilt sind.

Wie groß ist dein Team bei UNICEF Jemen?

Wir haben fast 300 Mitarbeiter, die bei UNICEF Jemen an der Umsetzung unserer Programme arbeiten.

Berichte doch einmal kurz, wie die aktuelle Lage im Jemen ist. Wie ist der Krieg für die Kinder spürbar?

Die Lage der Kinder bleibt extrem düster. Die Kinder zahlen einen hohen Preis für den Konflikt im Jemen. Sie werden immer wieder Gräueltaten ausgesetzt, die sie niemals erleben sollten.

Hunderte von Kindern wurden in diesem Konflikt getötet und verletzt. Immer mehr Kinder werden durch bewaffnete Gruppen rekrutiert. Sie werden von den Rebellen benutzt, um Checkpoints zu besetzen oder Waffen zu tragen.

Ungefähr zehn Millionen Kinder im Jemen brauchen humanitäre Hilfe. Mehr als zwei Millionen von ihnen leiden an Unterernährung. Noch dazu sterben viele Kinder im Jemen an vermeidbaren Krankheiten.

Was brauchen die Kinder im Jemen aktuell am meisten?

Die Mädchen und Jungen brauchen am dringendsten Medikamente und Essen.

Über welchen Weg erreichen die Hilfslieferungen das Land?

Auf dem Seeweg: Die Güter kommen in den Häfen von Hudaida und Aden im Jemen an.

Wie sieht es in den Straßen im Jemen aus?

Wenn Sie auf der Straße unterwegs sind, sehen Sie überall zerstörte Gebäude – darunter viele Wohnhäuser und auch Schulen. Immer wieder sieht man Mädchen und Jungen, die etwas verkaufen, um ein bisschen Geld zu verdienen und damit ihren Familien zu helfen.

Es gibt nur wenige Spielplätze für Kinder. Man begegnet auch Kindern, die als Soldaten eingesetzt werden.

Wie ist der Alltag der Kinder? Welchen Gefahren sind die Mädchen und Jungen ausgesetzt?

Kinder leben im Jemen unter extrem schwierigen Umständen. Für manche Kinder fängt der Tag damit an, dass sie durch das Geräusch von Bomben oder Schüssen geweckt werden.

Dann essen sie das Wenige, was sie haben, und müssen danach lange anstehen, um Wasser zu holen. Für einen Jungen ist die Gefahr besonders groß, dass er von bewaffneten Gruppen als Kindersoldat rekrutiert wird. Ein Mädchen wird mit großer Wahrscheinlichkeit jung verheiratet.

Können die Kinder im Jemen momentan noch zur Schule gehen?

Als Folge des Krieges sind fast 2.500 Schulen nicht mehr nutzbar. Die Schulen sind beschädigt oder komplett zerstört, werden von bewaffneten Gruppen zu militärischen Zwecken oder von Flüchtlingen als Unterkunft genutzt.

Mehr als zwei Millionen Kinder im schulpflichtigen Alter gehen momentan nicht zur Schule. Viele von ihnen müssen arbeiten, um ihre Familien zu unterstützen.

Und wie ist die Bildungssituation speziell für die Mädchen?

Mädchen sind die ersten, die die Schule abbrechen. Kinderheirat nimmt im Jemen immer stärker zu und stellt für die Mädchen eine echte Bedrohung dar.

Heutzutage werden mehr als zwei Drittel der Mädchen schon vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet – verglichen mit 50 Prozent vor der aktuellen Krise.

Haben die Menschen im Jemen genug zu essen und trinken?

Durch den schon drei Jahre andauernden Konflikt sind die Ersparnisse der Menschen aufgebraucht. Über 80 Prozent der Familien sind verschuldet oder darauf angewiesen, sich Geld zu leihen.

Die Menschen essen dadurch weniger, müssen billigere Lebensmittel kaufen oder ganze Mahlzeiten ausfallen lassen. Fast 16 Millionen Jemenitern fehlt der Zugang zu sauberem Trinkwasser – die Hälfte davon sind Kinder.

Wie hilft UNICEF den Kindern im Jemen?

Wir helfen kranken und schwer mangelernährten Kindern mit therapeutischer Nahrung und medizinischer Grundversorgung. Außerdem helfen wir ihren Familien, etwas Geld zu bekommen, um ihre Grundbedürfnisse zu decken.

Wir führen Impfungen für alle Kinder im Land durch. Und wir bieten Bildungsprogramme für die Kinder an, besonders für die schwächsten unter ihnen. UNICEF unterstützt die Wasserbehörden dabei, sauberes Trinkwasser für die Bevölkerung zur Verfügung zu stellen.

Wir nutzen alle Möglichkeiten, um Kinder in den entlegenen Gebieten mit lebensrettender Hilfe zu erreichen. Dafür benutzen wir Autos, Fahrräder und manchmal sogar Esel, um Impfstoffe, Medikamente und Nahrung zu liefern.

Im Jemen gab es letztes Jahr extrem viele Cholera-Fälle. Wie hilft UNICEF den Kindern gegen diese gefährliche Durchfallerkrankung?

Der Jemen hatte letztes Jahr mit über einer Million Cholera-Verdachtsfällen einen der schlimmsten Cholera-Ausbrüche der Welt. Kinder machten etwas mehr als 25 Prozent dieser Fälle aus.

UNICEF bietet vorbeugende Maßnahmen gegen Cholera an – beispielsweise durch verstärkte Hygiene-Regeln – und versorgt die Erkrankten mit Medikamenten. UNICEF finanziert auch Gesundheitseinrichtungen und kämpft auf diese Art dagegen, dass Cholera sich weiter verbreitet.

Was sind typische Aufgaben bei deiner täglichen Arbeit?

Mein Job ist es, die Umsetzung der UNICEF-Programme zu beaufsichtigen und zu begleiten. Ich stelle sicher, dass unsere Außen-Büros im ganzen Land gut funktionieren, meine Mitarbeiter sicher arbeiten können und unsere Hilfslieferungen verlässlich transportiert werden können.

Noch dazu treffe ich mich mit internen Kollegen und mit externen Partnern, um zu überlegen, wie wir das Leben der Kinder im Jemen verbessern können.

Außerdem rede ich auch immer wieder mit der Regierung im Jemen und auch mit Spendern und mit Journalisten, damit die Stimmen der Kinder im Jemen von möglichst vielen gehört werden.

Welche Begegnung mit einem Kind im Jemen ist dir besonders in Erinnerung geblieben?

Ich erinnere mich besonders an einen Jungen, den siebenjährigen Ali – genauso alt wie mein Sohn. Er lag in Aden im Krankenhaus, weil er an Cholera erkrankt und stark unterernährt war. Sein Körper bestand nur noch aus Haut und Knochen.

Beinahe in Tränen habe ich die Mutter gefragt, was passiert war, dass er unter solch schrecklichen Bedingungen ins Krankenhaus gekommen war.

Die Mutter sagte mir, sie hätten nichts zu essen gehabt und es hätte lange gedauert, genug Geld bei Nachbarn zu sammeln, um den Bus zum Krankenhaus zu bezahlen. Ich war entsetzt und traurig. Ich werde Ali nie vergessen.

Die Stiftung United Internet for UNICEF unterstützt Projekte von UNICEF im Jemen. Spenden Sie jetzt und sichern mit uns das Überleben von Kindern.

(Der Text im Original erschien zuerst auf unicef.de. Autorin Susanne Nandelstädt arbeitet als Online-Redakteurin für UNICEF. Im Blog schreibt sie über UNICEF-Projekte weltweit.)
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