In diesem Jahr werden die Kinderrechte der Vereinten Nationen 30 Jahre alt: Am 20. November 1989 wurde die UN-Kinderrechtskonvention in New York unterzeichnet. Fast alle Staaten haben sich zur Einhaltung der 54 Artikel verpflichtet - zum Wohl der Kinder auf der ganzen Welt. Doch wie fällt die Bilanz 30 Jahre später aus? UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, zeigt die Erfolge der letzten Jahrzehnte auf, beleuchtet aber auch klar den Scheideweg, an dem die Entwicklung sich gerade befindet.
In den vergangenen 30 Jahren haben die Kinderrechte maßgeblich dazu beigetragen, das Leben von Kindern zu verbessern. Doch die ärmsten Kinder profitieren bis heute zu wenig von den sozialen und medizinischen Errungenschaften des 21. Jahrhunderts – so UNICEF.
Gleichzeitig gibt es Anzeichen dafür, dass positive Entwicklungen stagnieren oder sich die Situation der Kinder weltweit wieder verschlechtert. Es ist zu befürchten, dass in Folge des Klimawandels in vielen Ländern Nahrungsmittelknappheit und Wassermangel weiter zunehmen und sich Krankheiten ausbreiten. Durch die rasante weltweite Urbanisierung werden noch mehr Kinder in Armenvierteln aufwachsen.
Bilanz des Kinderhilfswerks sieht Kinderrechte an einem Scheideweg
Der internationale UNICEF-Report "Für jedes Kind, alle Rechte. Die UN-Konvention über die Rechte des Kindes an einem Scheideweg" sieht die Kinderrechte an einem kritischen Punkt und fordert ein Umdenken in Politik und Gesellschaft:
- Überleben: Die weltweite Kindersterblichkeit ist in den vergangenen 30 Jahren um 60 Prozent gesunken. Doch die ärmsten Kinder tragen bis heute ein doppelt so hohes Risiko, vor ihrem fünften Geburtstag zu sterben, wie ihre Altersgenossen aus wohlhabenderen Familien.
- Gesundheit: Impfungen retten jedes Jahr drei Millionen Menschen das Leben. Doch rund 19,4 Millionen Kinder sind nicht gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten geimpft. Neben einem trügerischen Gefühl von Sicherheit führen schwache Gesundheitssysteme, Fehlinformationen und die Ablehnung von Impfungen dazu, dass sich die Masern weltweit wieder ausbreiten. 2018 wurden rund 350.000 Masernfälle registriert, mehr als doppelt so viele wie 2017.
- Bildung: Bis 2007 gelang es noch, jedes Jahr mehr Kinder einzuschulen – doch seither ist die Zahl der Mädchen und Jungen im Grundschulalter, die keine Schule besuchen, bei 59 Millionen stehengeblieben. Allein in Afrika werden bis 2030 zusätzlich 1,3 Millionen Lehrer benötigt, um dem Bevölkerungswachstum Rechnung zu tragen.
- Kinderschutz: Im letzten Jahrzehnt ist der Anteil von Kinderehen bei Mädchen weltweit zwar gesunken. Insgesamt bleibt er jedoch auf einem hohen Niveau. Die ärmsten Mädchen sind in einigen Ländern heute sogar in noch größerer Gefahr als 1989, früh verheiratet zu werden.
- Konflikte: Eines von vier Kindern wächst heute in Ländern auf, die von Konflikten und Naturkatastrophen betroffen sind. Die Zahl offiziell registrierter schwerer Kinderrechtsverletzungen in Kriegs- und Krisengebieten hat sich seit 2010 verdreifacht.
Kinder sollen in Entscheidungen mit einbezogen werden
"Das wichtigste ist, Kindern Liebe und Fürsorge zu schenken. Sie brauchen Verständnis und eine gute Ausbildung. Erwachsene müssen die Rechte von Kindern respektieren und schützen," sagt der 17-jährige Kinderrechtsaktivist Felix Banda aus Malawi bei der Vorstellung des UNICEF-Berichts in Berlin.
Die 15-jährige Negin Moghiseh aus Kaiserlautern, die sich mit UNICEF Deutschland für die Kinderrechte engagiert, ergänzt: "‘Leave no one behind‘ heißt auch, dass alle Kinder die gleichen Chancen haben müssen. Bildung spielt hierfür eine wichtige Rolle."
Fortschritte müssen auch die Ärmsten erreichen
"Nach 30 Jahren haben heute mehr Kinder ein besseres und gesünderes Leben. Es wurde viel erreicht, auch wenn Fortschritte bei den Ärmsten noch nicht hinreichend spürbar sind", sagte Georg Graf Waldersee, Vorsitzender von UNICEF Deutschland. "Jetzt gilt es, uns auch neuen Gefahren und Risiken zu stellen, denen Kinder in Zeiten rasanter Veränderung ausgesetzt sind. Diejenigen, die das vielleicht am deutlichsten sehen, sind die Kinder selbst. Wir müssen sie einbeziehen und mit ihnen arbeiten – nicht nur für sie. Sie haben ein Recht darauf!"
Kinder verfügen heute über mehr Möglichkeiten zu lernen und sich zu vernetzen als jemals zuvor. Gleichzeitig wächst die Kluft zwischen den Mädchen und Jungen, die gut genährt, geschützt und gefördert aufwachsen, und denen, die nie eine faire Chance haben. Zusätzlich sind die heutigen Kinder mit tiefgreifenden globalen Umbrüchen konfrontiert wie dem demographischen Wandel, weltweiter Urbanisierung, Digitalisierung, Konflikten und Migration sowie den Folgen des Klimawandels.
"Solange wir nicht auch die ärmsten und am stärksten marginalisierten Kinder erreichen, sind die Erfolge der vergangenen Jahrzehnte in Gefahr", erklärt Cornelius Williams, Leiter der weltweiten Kinderschutzprogramme von UNICEF. "Für eine gerechtere und inklusivere Welt für Kinder sind ein stärkerer politischer Wille und mehr Mittel nötig."
UNICEF fordert entschlossenes Handeln von Politik und Gesellschaft
Ohne entschlossenes Handeln in Politik und Gesellschaft werden zum Beispiel die Folgen des Klimawandels unumkehrbar sein und Kinder in Zukunft viel schlechtere Aussichten für ihr Leben haben als heute. Es ist zu befürchten, dass die Kinder- und Menschenrechte in dieser angespannten Situation verstärkt unter Druck geraten und der Einsatz zu ihrer Verwirklichung nachlässt.
Deshalb ruft UNICEF zum 30. Jahrestag zu einem entschlosseneren Kampf gegen Armut, Hunger, Diskriminierung und Umweltzerstörung auf.
In einer Zeit großer Umbrüche und wachsender politischer Polarisierung sieht UNICEF im Bekenntnis zu den Kinderrechten und zur Schaffung menschenwürdiger und nachhaltiger Lebensverhältnisse für alle Kinder einen zentralen gemeinsamen Wert und eine der wichtigsten internationalen Aufgaben.
Bildung und Ausbildung sind ein zentraler Schlüssel
Investitionen in Bildung und Ausbildung für die ärmsten Kinder und Jugendlichen sind nachweislich die wichtigsten Investitionen in Frieden und eine nachhaltige Entwicklung. Dafür sind ein stärkerer politischer Wille, angemessenere Budgets und eine kontinuierliche Überwachung der Situation der Kinder erforderlich.
Die Digitalisierung sowie mobile Kommunikationstechnologien eröffnen neue Chancen, voneinander zu lernen und gemeinsam Verbesserungen für Kinder zu entwickeln. Diese Möglichkeiten müssen aber noch intensiver genutzt werden.
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