Es ist die alles entscheidende Debatte im griechischen Parlament: Am Freitag stimmen die Abgeordneten über das dritte Hilfspaket ab. Wie viele der Syriza-Anhänger Parteichef Alexis Tsipras folgen werden, ist ungewiss. Von ihrer Zahl hängt Tsipras' Zukunft stark ab.

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Das ausgehandelte Hilfsprogramm wird durchs Parlament kommen - die Frage ist nur wie: Alexis Tsipras steht vor der wohl größten Herausforderung seiner bisherigen Karriere als griechischer Ministerpräsident. Am Freitagmorgen wird das Parlament in Athen über das Papier abstimmen, das die Unterhändler der Geldgeber mit der griechischen Delegation ausgehandelt haben: Es handelt sich um das dritte Hilfspaket, das Griechenland mit bis zu 86 Milliarden Euro endgültig auf die Beine helfen soll. Bereits in den ersten beiden Reformrunden, die Tsipras als Voraussetzung für den Beginn der Verhandlungen umsetzen musste, hatte ihm der linke Parteiflügel von Syriza die Gefolgschaft verweigert. Und auch jetzt wollen Abgeordnete aus den eigenen Reihen nicht mitziehen. Das könnte Tsipras das Amt kosten.

Per SMS waren die Volksvertreter zu der Sondersitzung aus dem Urlaub zurück nach Athen beordert worden. Die Zeit drängt: Bis nächste Woche muss das Hilfspaket stehen, denn nur dann kann Griechenland die nächste fällige Rate pünktlich bezahlen. Die Europäische Zentralbank erwartet 3,2 Milliarden Euro - eine Rückzahlung aus Ankäufen von 2010, als die EZB das damals vom Bankrott bedrohte Land durch den Ankauf von Staatsanleihen unter die Arme griff.

Dass das Programm mehrheitlich verabschiedet werden kann, gilt indes als sicher: Weite Teile der griechischen Opposition haben ihre Zustimmung signalisiert. Doch sollten weniger als 120 Abgeordnete aus dem eigenen Lager mit Ja stimmen, sind Neuwahlen fast unvermeidlich: "Griechenland steuert klar darauf zu", sagt Politikwissenschaftler Pawel Tokarski von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Während Tsipras derzeit noch Popularitätswerte von über 60 Prozent genießt, obwohl er nahezu all seine Wahlversprechen gebrochen hat, könnte die Unterstützung einbrechen: Dann nämlich, wenn die Athener Regierung mit der Umsetzung der Maßnahmen beginnt. "Er weiß, dass er keine Zeit verschwenden darf", meint Tokarski. Je früher Neuwahlen ausgerufen würden, desto besser - zumindest aus Tsipras' Perspektive: Am besten "noch bevor die Nebenwirkungen der neuen Reformen hervortreten - und bevor die neue linke Opposition stärker wird", rät Tokarski.

Wer könnte Alexis Tsipras politisch gefährlich werden?

Diese hat im Gegenzug kein Interesse an einem baldigen Urnengang. "Sie ist noch zu schwach und geteilt", erklärt der Experte. Der linke Flügel würde "Tsipras lieber langsam ausbluten lassen, während er damit kämpft, die unpopulären Reformen umzusetzen". Zu ihnen gehört auch Zoe Konstantopoulou, Präsidentin des griechischen Parlaments und vehemente Gegnerin des dritten Hilfspakets. Sie hat ihre Macht ausgenutzt, um die von Tsipras für Donnerstag angesetzte Abstimmung auf Freitag zu vertagen.

Am gefährlichsten für Tsipras ist allerdings wohl Panagiotis Lafazanis: "Er könnte sein größter politischer Rivale werden", fürchtet Experte Tokarski. Lafazanis ist Tsipras' Stellvertreter innerhalb der Partei - und könnte bei Neuwahlen als Anführer einer linken Opposition zu Syriza ins Rennen gehen. Der frühere Umwelt- und Energieminister war von Tsipras aus seinem Amt entlassen worden, weil er gegen die für die Verhandlungen um ein drittes Hilfspaket notwendigen Reformpakete gestimmt hatte. Politikwissenschaftler Tokarski geht davon aus, dass Lafazanis der Wiedereinzug ins Parlament gelingen dürfte - auch wenn noch unklar ist, wie seine Partei zusammengesetzt sein könnte und vor allem, wie viel Unterstützung er aus der Bevölkerung erwarten könnte.

Wie ist die Stimmung in der griechischen Bevölkerung?

Doch viele klassische Syriza-Wähler könnten ihm folgen, meint Tokarski: Bauern, deren Subventionen gestrichen werden sollen. Oder Pensionäre, die mit weniger Rente auskommen müssen, keine Sonderzahlungen mehr bekommen. Und schließlich Beamte, die ihre Vergünstigungen und vor allem ihre Arbeitsplätze, von denen nach dem Willen der Geldgeber viele gestrichen werden sollen, gesichert wissen wollen. Lafazanis' Ablehnung eines dritten Hilfspakets greift die ursprüngliche Linie des Syriza-Bündnisses wieder auf. "Eine Kristallisierung einer starken, lauten linken Opposition zu Syriza stellt die Zukunft des dritten Hilfsprogramms und die Reformen in Griechenland infrage", fürchtet Tokarski.

Den Nährboden hat Tsipras selbst bereitet: Zwar ist der junge Premier ein gewandter Redner. Aber seine politische Unentschlossenheit ließ Zweifel entstehen: "Er hätte mit den Reformen Erfolg haben können, wenn er mit Herz und Seele dahinter gestanden hätte", sagt Tokarski. So aber werde Tsipras wohl versuchen, "das Spiel zwischen den Forderungen der Geldgeber und der Interessengruppen in seiner Heimat zu spielen", glaubt der Experte. "Das verheißt nichts Gutes für seine politische Zukunft - oder für die Griechenlands."

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