Der wegen Milliardenbetrugs vor Gericht stehende frühere Wirecard-Chef Markus Braun wollte nach Aussage des einstigen Konzernbankiers hochriskante Kredite ohne Absicherung an Geschäftspartner vergeben. "Gesetze und Regularien waren nicht so von Bedeutung, besonders für den größten Boss", sagte der frühere Leiter der Wirecard-Bank am Montag bei seiner Zeugenvernehmung vor dem Münchner Landgericht über Braun. "Er hatte kein Verständnis für Kreditablehnungen, für ihn war das einfach ein No Go.".

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Bis zu seinem Ausscheiden Ende 2019 hatte der heute 67-jährige Manager die hauseigene Bank geleitet. Sachliche Gründe für die Ablehnung von Krediten, die von der Bank als zu riskant eingestuft wurden, wollte Braun demnach nicht akzeptieren. "Für ihn war das immer unverständlich." Strafrechtlich geht es dabei um den Vorwurf der Untreue: Die Staatsanwaltschaft wirft Braun nicht nur Betrug vor, sondern auch, dem Konzern durch leichtfertige Kreditvergabe finanziell geschadet zu haben. Seit Prozessbeginn bestreitet Braun alle Vorwürfe.

Der Vorsitzende Richter Markus Födisch befragte den Bankier deshalb eingehend zu sogenannten strategischen Krediten, die der Konzernvorstand an Geschäftspartner im Mittleren Osten und in Südostasien vergeben wollte. "Man war bereit, hohe Risiken in Kauf zu nehmen, ohne entsprechende Präventivmaßnahmen zu treffen", sagte der Zeuge am 117. Prozesstag.

Anklage: Blühendes Unternehmen vorgetäuscht

Laut Anklage vergab der Konzern hohe Kredite auch in Zusammenhang mit erdichteten Scheingeschäften in Milliardenumfang, mit denen Braun und Komplizen ein blühendes Unternehmen vorgetäuscht haben sollen.

So schilderte der Bankier die Reaktion Brauns, nachdem die Wirecard-Bank ein Darlehen von 15 Millionen Euro an die Firma Ocap in Singapur abgelehnt hatte: "Da geht er zu seinem Kleiderschrank, nimmt sein blaues Sakko raus, zieht es an, baut sich vor mir auf und sagt: Ich bin der Eigentümer, nur der Eigentümer kann ablehnen."

Später seien sogar 100 Millionen Euro Wirecard-Kredite an Ocap geflossen. Mit sieben Prozent der Anteile war Braun zwar der größte Wirecard-Aktionär, aber nicht Eigentümer.

Der Prozess dauert schon bald eineinhalb Jahre an. Braun sitzt bereits seit Sommer 2020 in Untersuchungshaft – inzwischen als einziger der drei angeklagten ehemaligen Wirecard-Führungskräfte. Der Kronzeuge Oliver Bellenhaus hat Braun schwer beschuldigt, der ehemalige Chefbuchhalter als dritter Angeklagter schweigt zwar bisher, denkt aber auch über eine Aussage nach.   © dpa/bearbeitet durch ella

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