Die Deutsche Bank liegt nach wie vor auf der Intensivstation. Aus dem einstmals führenden Bankhaus ist ein finanzieller Pflegefall geworden. Die Aktie stürzt am Tag der Hauptversammlung auf ein Rekord-Tief ab. Die Probleme sind hausgemacht.

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Im Frühjahr 2015 sagte Paul Achleitner einen bemerkenswerten Satz. Auf die Frage, ob die damalige Doppel-Spitze der Deutschen Bank unersetzbar sei, antwortete der Aufsichtsratschef des größten deutschen Geldhauses nüchtern: "Wer ist das schon? Es geht um die Zukunft der Institution Deutsche Bank, nicht um die von Individuen."

Wenig später tauschte der Aufsichtsrat das glücklose Duo Anshu Jain/Jürgen Fitschen aus. Mittlerweile versucht Christian Sewing als vierter Vorstandschef der Ära Achleitner sein Glück.

Die Kritik macht sich an Aufsichtsratschef Achleitner fest

Achleitner rückt immer mehr selbst ins Zentrum der Kritik. Ist der Österreicher nach sieben Jahren noch der richtige Mann an der Spitze des Kontrollgremiums? Und legt Achleitner bei sich selbst den gleichen strengen Maßstab an wie bei den Vorständen?

"Wir stehen vor einem Scherbenhaufen", schimpft Aktionär Karl-Walter Freitag, der erneut einen Antrag auf Abberufung Achleitners auf die Tagesordnung der Hauptversammlung am Donnerstag setzen ließ.

Es gehe "um die Abwahl des Systems Achleitner": "Gehen Sie mit Gott, aber gehen Sie endlich, befreien Sie die Bank von Ihrer Person!"

Auch gemäßigtere Aktionärsvertreter äußern sich unzufrieden mit der Bilanz der Amtszeit Achleitners: "Trotz mehrmaligen Austauschs des Managements in den letzten sieben Jahren ist der Umbau der Bank immer noch nicht abgeschlossen, und die Profitabilität lässt weiterhin zu wünschen übrig", stellt Andreas Thomae von Deka Investment fest.

Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung (DSW), zeigt Achleitner zumindest verbal die gelbe Karte.

Der Aufsichtsrat blockiert Sewing

Der seit gut einem Jahr amtierende Konzernchef Sewing mühe sich redlich - auch beim überfälligen Umbau des Kapitalmarktgeschäfts. "Aber möglicherweise wurden die Schritte zu spät eingeleitet, wurde zu viel Zeit verloren in den letzten Jahren", sagt Nieding.

Der Aufsichtsrat hätte "dafür sorgen können und müssen, dass der Vorstand sich nicht in endlosen Strategiedebatten und Analysen verliert, sondern zügig und konsequent handelt, umsetzt und liefert".

Fakt ist: Die einst stolze Deutsche Bank ist zehn Jahre nach der Finanzkrise weiterhin meilenweit entfernt von ihrer einstigen Größe. Eine Trendwende ist ein Jahr vor dem 150. Jubiläum des 1870 gegründeten Instituts nicht in Sicht.

Die Deutsche Bank wird sich "durchwurschteln"

"Die Deutsche Bank kann sich derzeit keinen radikalen Strategiewechsel im Alleingang leisten", so die aktuelle Einschätzung von Analysten der UBS. Am wahrscheinlichsten sei daher ein Ansatz des "Durchwurschtelns" - gepaart mit der Hoffnung, dass das Zinstief in Europa in absehbarer Zeit ein Ende haben wird.

Investoren werden unruhig, viele Aktionäre sind mit ihrer Geduld am Ende. Ausgerechnet am Tag der Hauptversammlung sackte der Kurs der Deutschen-Bank-Aktie auf ein Rekordtief von 6,35 Euro ab.

An der Börse schmolz der Wert der Deutschen Bank zuletzt auf weniger als 14 Milliarden Euro zusammen. Der aufstrebende Zahlungsabwickler Wirecard, der im Herbst die Commerzbank aus der ersten deutschen Börsenliga verdrängte, bringt es aktuell auf fast 20 Milliarden Euro.

Es sei Zeit, Aufsichtsrat und Vorstand für Jahre voll Strafzahlungen, Imageverlust und Niedergang des Aktienkurses zur Rechenschaft zu ziehen, meinen nicht nur ISS und Glass Lewis, die Investoren beraten.

Selbst der forsche Antritt des jungen Konzernchefs Sewing, der die Mitarbeiter unmittelbar nach seiner Beförderung im April 2018 zu "Jägermentalität" anhielt, konnte die Einschläge nicht stoppen: Die Finanzaufsicht Bafin verpasste der Bank einen Sonderaufpasser, um die Umsetzung von Vorgaben gegen Geldwäsche zu überwachen - ein einmaliger Vorgang in der deutschen Finanzbranche.

Im November verschreckte eine öffentlichkeitswirksame Geldwäsche-Razzia in den Frankfurter Zwillingstürmen Kunden und Investoren.

Gelingt Achleitner - einst gefeierter Dealmaker bei der Wall-Street-Größe Goldman Sachs - noch die Neuausrichtung des angeschlagenen Konzerns?

Vorstandschef Sewing zumindest zeigt sich entschlossen: "Wir müssen grundsätzlich anders denken und arbeiten." Blockierer will er in die Schranken weisen: "Zu oft hatten in unserer Bank diejenigen die Oberhand, die bremsen, anstatt Neues zu ermöglichen, die Altes verwalten, anstatt Chancen zu nutzen."

Stolz der Mitarbeiter muss zurückkehren

Nach Jahren voller Nackenschläge sollen sich die nach jüngsten Zahlen knapp 91.500 Vollzeitkräfte nicht mehr schämen, für die Deutsche Bank tätig zu sein: "Ich möchte den Stolz zurückbringen, für dieses Institut zu arbeiten", sagt Sewing. "Und verwechseln Sie nicht Stolz mit Arroganz, die ist immer fehl am Platz."

Viele Aktionäre wünschen sich auch mehr Bescheidenheit beim Thema Bezahlung. Dass Investmentbanker üppige Boni einstreichen, während Aktionäre mit 11 Cent Dividende je Papier abgespeist werden, kommt nicht gut an.

"Das krasse Missverhältnis zwischen Boni und Dividenden muss bei der Deutschen Bank endlich ins Lot gebracht werden", fordert Fondsmanagerin Alexandra Annecke von Union Investment.

Doch bei aller Kritik stellt Annecke klar: Auch Achleitner verdiene eine Chance, "den eingeschlagenen Restrukturierungskurs konsequent fortzusetzen".

Offensichtlich sehen das auch viele andere Aktionäre so: Der Antrag auf Abwahl Achleitners als Hauptversammlungsleiter wird mit über 99 Prozent der Stimmen abgeschmettert. Als Aufsichtsrat ist Achleitner ohnehin gewählt bis zur Hauptversammlung 2022. (dpa/hau)

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